
Herr Jarass, mit der Wahl des konservativen Politikers Nikos Anastasiades dürfte einem Hilfspaket für Zypern von der Euro-Zone nichts mehr im Weg stehen. Was halten Sie davon?
Jarass: Gar nichts - und zwar unabhängig von der Wahl Anastasiades. Zypern Geld zu geben, wäre der größte Fehler, den die Europäer machen könnten. Wir sollten die zypriotischen Banken – das Hilfspaket soll ja vor allem der Stützung der maroden Institute dienen – keinen einzigen Cent geben. Lasst sie pleitegehen! Was ist daran bitteschön so schlimm? Wer am Markt nicht bestehen kann, geht Bankrott. Insbesondere wäre das Kapital, das vor allem russische Anleger auf der Insel deponiert haben, verloren. Aber das ist nicht das Problem des europäischen Steuerzahlers. Er ist nicht dazu da, russisches Schwarzgeld zu retten.
Zypern wird – Sie haben es angesprochen – immer wieder verdächtigt, ein Ort der Geldwäsche und Steuerhinterziehung zu sein. Was spricht dafür?
Aus Zypern kommen nach Angaben von „Global Financial Integrity“ grob gerechnet etwa 150 Milliarden US-Dollar pro Jahr als Direktinvestitionen nach Russland. Aber das Land hat nur ein Bruttoinlandsprodukt von 23 Milliarden Euro. Zypern kann sich so ein Investment also gar nicht leisten. Der Verdacht ist: Russische Unternehmen, aber auch Privatbesitzer, schleusen Gewinne am Heimatland vorbei nach Zypern, dort werden sie minimal besteuert und anschließend werden als Direktinvestitionen zurücktransferiert. Dies wird auch durch aktuelle Angaben aus Russland bestätigt.

Eine Rettung der zypriotischen Banken käme also primär russischen Steuerhinterziehern zugute?
Es ist unstrittig, dass europäische Steuerzahler – sollte es zu einer Geldspritze an die Banken kommen – wesentlich beitragen, die Gelder internationaler Steuervermeider, insbesondere auch russische Schwarzgelder zu retten. Das wäre ein Skandal und würde alle Bürger, aber auch all diejenigen Banken benachteiligen, die mit ihren Steuern diese Hilfsmaßnahmen finanzieren müssten.
Was für ein Zypern-Hilfspaket spricht
Eine Staatspleite in Zypern wäre der Beweis, dass die Euro-Länder doch nicht bereit sind, ein Land um jeden Preis zu retten. Die Politiker könnten befürchten, dass dann die Risikoaufschläge für Peripherie-Staatsanleihen wieder hochschnellen, auch wenn wir nicht davon ausgehen, dass die Krise wieder hochkocht.
Verweigern die Euro-Länder Zypern die Hilfe, wäre dies eine Aufkündigung der Solidarität. Das Misstrauen zwischen der Peripherie und den Kernländern dürfte sich vertiefen. Zur Erinnerung: Zypern hat sich ungeachtet seiner desolaten Staatsfinanzen an dem Hilfsprogramm für Griechenland beteiligt und garantiert für die EFSF-Kredite an Irland und Portugal. Und auch Irland hat sich erfolgreich geweigert, seine Steuersätze für Unternehmen anzuheben.
Vor allem aber dürfte es der EU nicht gefallen, wenn der russische Einfluss in Zypern noch größer würde. Russland hat ein großes wirtschaftliches und politisches Interesse an der Insel und würde wohl dem zyprischen Staat finanziell zur Seite springen. Schon 2012 hat der russische Staat Zypern mit einem Kredit über 2,5 Milliarden Euro vor der Pleite gerettet. Viele russische Bürger leben auf Zypern und zahlreiche russische Unternehmen haben in dem Land investiert. Darüber hinaus ist Zypern eine Drehscheibe für russisches Kapital. Ein Großteil der aus Russland nach Zypern transferierten Gelder fließt dorthin zurück. Ein gutes Viertel der in Russland getätigten Auslandsinvestitionen stammt aus Zypern.
Zypern könnte Russland, das Gefahr läuft, seinen syrischen Flottenstützpunkt zu verlieren, einen Hafen für seine Marine anbieten. Und noch etwas dürfte die EU fürchten: Russland hat ein Auge auf die vor der Küste Zyperns entdeckten Erdgasvorkommen geworfen. An deren Förderung möchte sich der russische Gasprom-Konzern beteiligen. Viele in Zypern knüpfen ihre Hoffnung auf Rettung an diese Gasvorkommen. Bei nur 0,9 Millionen Einwohnern könnten die zu erwartenden Gaseinnahmen die Situation des Landes massiv verbessern.
Sie lassen einen Aspekt aus: Ohne Hilfe der Europäer würden die Banken kollabieren. An den Finanzmärkten könnte es zu Turbulenzen kommen.
Die Unruhe wird viel größer sein, wenn wir jetzt Kapital als Kredite an die zypriotischen Banken gäben. Pumpt man die Milliarden direkt in die zypriotischen Banken, fließt das Kapital weiter an die dortigen Kapitalanleger, die das Kapital dann in andere Länder transferieren. An der mangelnden Kapitalausstattung der Institute ändert sich wenig, neue Hilfsforderungen sind wahrscheinlich. Es wird also nicht bei den Hilfszusagen zwischen 15 und 20 Milliarden Euro, die derzeit im Raum stehen, bleiben. Wir landen dann in einem Teufelskreis aus immer neuen Kreditzusagen, so wie auch schon bei Griechenland. So lange, bis sich Europa – selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel hat ja schon davor gewarnt – übernimmt. Besser wäre es, mit der verfehlten Strategie zu brechen und die in Schieflage geratenen Banken in die Insolvenz zu schicken und gleichzeitig die Hilfsgelder zur Verhinderung eines Dominoeffekts zu verwenden.