Wut und Enttäuschung nach Trumps Europa-Reise Vier Probleme – und ein Hoffnungsschimmer

US-Präsident Donald Trump hat bei den Gipfeltreffen von Nato, EU und G7 die Hoffnungen enttäuscht, Europa und die USA würden sich wieder annähern. Die Probleme scheinen unüberwindbar – außer in einer heiklen Frage.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
US-Präsident Donald Trump Quelle: AP

Nach Monaten des Zauderns bekennt sich Donald Trump zu Artikel 5 des Nato-Vertrages – und sichert den Bündnispartnern militärische Unterstützung bei einer Bedrohung von außen zu. Bei den Vertretern der Europäischen Union entschuldigt er sich – zumindest halbherzig – für die verbalen Angriffe aus dem vergangenen Jahr. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker lächelt milde, im Wahlkampf darf man schon mal über das Ziel hinausschießen. Die Vertreter der G7 überrascht Trump mit seiner zurückhaltenden Art. Um Gemeinsamkeit zu demonstrieren, unterschreiben die USA ein Abschlussprotokoll, das wie immer recht unkonkret bleibt, aber immerhin auch vage Maßnahmen zur Bewältigung der Flüchtlingskrise und des Klimawandels auflistet.

So einfach wäre es gewesen, und die derzeit so strapazierte Beziehung zwischen Europa und den USA hätte vier Monate nach dem Amtsantritt von Donald Trump repariert werden können. Doch der US-Präsident entschied sich für einen anderen Weg – den des Elefanten im Porzellanladen.

Mit harscher Kritik an Freunden, rüpelhaftem Verhalten den Kollegen gegenüber und egoistischer Politik hat Donald Trump für Wut und Enttäuschung bei den Europäern – insbesondere auch bei den Deutschen gesorgt. Die Art und Weise, wie der US-Präsident etwa höhere Verteidigungsausgaben von den Nato-Mitgliedsstaaten einforderte, sei nicht akzeptabel, so Unionsfraktionschef Volker Kauder. SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz sprach von einem nicht hinzunehmenden Umgang mit Partnern. „Solch eine demütigende Behandlung ist zurückzuweisen.“ Und der gastgebende italienische Ministerpräsident Paolo Gentiloni stellte fest, dass die Meinungsunterschiede zwischen Trump und den anderen sechs Teilnehmern des G7-Treffens (Deutschland, Großbritannien, Italien, Frankreich, Japan, Kanada) auf Sizilien „ziemlich klar“ wurden.

Statt Einigkeit zu demonstrieren, wenigstens nach außen, sind gleich vier inhaltliche Streitpunkte offenkundig geworden, die in den kommenden Monaten kaum für alle Beteiligten zur vollsten Zufriedenheit zu lösen sein werden.

Die Lastenverteilung in der Nato

Entgegen der Aussagen von US-Diplomaten, die sich vor dem Nato-Gipfel zuversichtlich zeigten, dass sich nach US-Außenminister Rex Tillerson und US-Vizepräsident Mike Pence auch der Regierungschef zur Bündnistreue bekennen würde, blieb Trump weiter gefährlich vage. Statt den Partnern die uneingeschränkte Solidarität im Fall eines Angriffs von außen zuzusichern, sprach der Milliardär lieber übers Geld und beklagte sich lautstark, dass „23 der 28 Mitgliedsstaaten (…) immer noch nicht das (zahlen), was sie zahlen sollten - und was sie für ihre Verteidigung ausgeben sollten“. Die mangelnde Beteiligung vieler Staaten sei „nicht fair“ gegenüber den amerikanischen Steuerzahlern.

G7: Merkel unterstreicht Uneinigkeit bei Klimapolitik

Mit seiner Rede verstieß Trump gegen die ungeschriebene Nato-Regel, bei Spitzentreffen zumindest öffentlich Geschlossenheit zu demonstrieren. Hinzu kommt: Im Vorfeld hatten die Europäer viele Zugeständnisse gemacht, um den Gipfel zum Erfolg werden zu lassen. So wurde ein Aktionsplan für den Anti-Terror-Kampf beschlossen, der unter anderem den von Washington lange geforderten Nato-Beitritt zur internationalen Allianz gegen die Terrormiliz umfasst. Zudem verpflichteten sich die Bündnispartner, künftig jährlich Pläne vorzulegen, wie sie ihre Verteidigungsausgaben erhöhen wollen.

Umso größer die Enttäuschung und Wut im Nachhinein. Mit seiner Kritik habe Trump „der Nato und auch seinem Anliegen keinen Gefallen getan“, so CDU-Mann Kauder. Bundeskanzlerin Angela Merkel verließ den Nato-Gipfel, ohne öffentlich konkret zur Rede von Trump Stellung zu nehmen. Sie machte lediglich deutlich, dass sich das Engagement Deutschlands innerhalb der Nato „sehen lassen“ könne.

Trumps Blockade-Haltung

Gleichzeitig bekenne sich Deutschland weiter zum sogenannten Zwei-Prozent-Ziel der Nato. Dieses sieht vor, dass alle Länder darauf „abzielen“ sollen, spätestens von 2024 an zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Rüstung und Militär auszugeben. Für die Bundesregierung bedeutet dies allerdings nicht, dass die zwei Prozent im nächsten Jahrzehnt wirklich erreicht werden müssen.

Trump sieht das völlig anders. Selbst „zwei Prozent des BIP“ seien nicht ausreichend, um die bestehenden Lücken zu schließen, etwa bei Einsatzbereitschaft und Ausbildung, sagte er. Sein eigenes Land gab im vergangenen Jahr knapp 680 Milliarden Dollar für Verteidigung aus, was in etwa 3,6 Prozent des BIP entsprach.

Kurzum: Die Fronten sind verhärtet. Eine Einigung bzw. einen Kompromiss zu finden: unvorstellbar.

Der Handel zwischen den USA und der Welt

Handel müsse nicht zwangsläufig „frei“ sein, sondern in erster Linie „fair“. Mit dieser Marschroute wirbt die US-Regierung nun schon seit Amtsantritt um neue Spielregeln. Das Problem: Was die Trump-Mannschaft darunter versteht, bleibt in großen Teilen offen.

Klar ist bisher nur: Die US-Regierung stört sich an den Handelsbilanzdefiziten – und will erreichen, dass das Land weniger aus dem Ausland exportiert und wieder mehr in der Heimat produziert. Insbesondere Deutschland agiere „sehr, sehr schlecht“, beschwerte sich Donald Trump bei EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Das löste international Irritationen aus.

Wen und was Trump schon alles "bad" nannte

Die US-Seite beschwichtigte. Man habe großen Respekt vor Deutschland. Und: Berichte, der US-Präsident habe von „schlechten Deutschen“ gesprochen, seien falsch, so Pressesprecher Sean Spicer. Trump habe aber das „Ungleichgewicht“ in den deutsch-amerikanischen Handelsbeziehungen als „unfair“ bezeichnet.

So oder so bleibt festzuhalten: Donald Trump sucht nach Wegen, den Import von deutschen Produkten zu beschränken, um die heimische Wirtschaft zu stärken. Strafzölle schließt er weiterhin nicht aus, auch der Verbleib der US-Amerikaner in der Welthandelsorganisation WTO steht auf dem Prüfstand. Die Argumente der Gegenseite, etwa dass deutsche Unternehmen über 800.000 – meinst überdurchschnittlich gut bezahlte – Jobs schafft, oder dass Deutschland für zehn Prozent der ausländischen Investitionen verantwortlich sei, werden nicht gehört, oder nicht verstanden.

Am Ende einigten sich die G7 in ihrem Abschussdokument auf einen Kompromiss. Sie bekräftigten ihre „Verpflichtung, unsere Märkte offenzuhalten und Protektionismus zu bekämpfen“. Der Haltung der USA wurde mit der Formulierung Rechnung getragen, die beteiligten Staaten positionierten sich fest „gegen alle unfairen Handelspraktiken“.
Damit wurde ein Eklat beim Gipfel verhindert; gerettet ist der Freihandel aber lange nicht. Im Gegenteil: Eine Lösung des Dauerkonflikts ist nicht zu erkennen.

Der Abschied der USA vom Klimaschutz

Donald Trump hält den Klimaschutz für teuer, unnütz – und für einen Hemmschuh der heimischen Wirtschaft. Schon im Wahlkampf machte er klar, dass er die Umweltauflagen reduzieren und die entsprechende Umweltbehörde stutzen möchte. Bisher schien auch klar, dass die USA aus dem Klimaabkommen von Paris aussteigen möchte.

Der Vertrag schafft erstmals international einen verbindlichen Rahmen für eine globale Energiewende. Die Weltgemeinschaft will die Erderwärmung auf deutlich unter 2 Grad Celsius begrenzen. Die reichen Industrieländer müssen bis 2020 einen Finanzierungsfahrplan aufstellen, wie sie besonders betroffene Regionen unterstützen. Barack Obama unterstützte das Vorhaben. Und Trump? Sucht noch nach einer Entscheidung.

Was USA und Europa vereinen könnte

Donald Trump kümmere sich sehr um die Umwelt, betont Wirtschaftsberater Gary Cohn. Und: Er würde gerade an einem Standpunkt arbeiten. Er sei auch zum G7-Gipfel gereist, „um zu lernen und schlauer zu werden“. Das Ergebnis: offen. Und so ist der Gipfel der sieben wichtigsten Industriestaaten ohne einstimmige Erklärung zum Klimawandel zu Ende gegangen. Bundeskanzlerin Angela Merkel bezeichnete die Gespräche zum Klimawandel auf dem G7-Gipfel „sehr schwierig, um nicht zu sagen, sehr unzufriedenstellend“.

Trump spielt auf Zeit. Derzeit ist aber kaum vorstellbar, dass er das Pariser Klimaabkommen nach all der Kritik in den vergangenen Wochen und Monaten doch noch unterstützt. Zumal es schwierig werden dürfte, eine etwaige Kehrtwende seinen klimakritischen Wählern zu erklären.

Der Umgang mit Flüchtlingen

Italien wählte den Gipfelort Taormina auf Sizilien mit Bedacht. 50.000 Flüchtlinge haben dieses Jahr die gefährliche Reise von Nordafrika in oft untauglichen Booten nach Italien gemacht. Der größte Teil landete in Sizilien. Mehr als 1300 Menschen sind dabei nach Schätzungen ums Leben gekommen.

Das Gastgeberland des G7-Gipfels hatte versucht, das Problem positiv anzugehen. Doch ein umfassender Plan, der die Chancen der Zuwanderung und den Schutz von Flüchtlingen hervorhebt, scheiterte aber am Widerstand der USA.

Die USA setzten sich auch mit ihrer Forderung durch, zwei Absätze in die Abschlusserklärung aufzunehmen, die Sicherheitsaspekte betonen. „Wir bestätigen die souveränen Rechte der Staaten (...), ihre Grenzen zu kontrollieren“, hieß es darin. Jedes Land könne im nationalen Interesse entscheiden. Die Unterhändler strichen nur einige noch schärfere Formulierungen aus dem US-Entwurf.

Nato-Fragen, Freihandel, Klimaschutz und Flüchtlingspolitik: In allen vier Punkten konnten sich die Parteien nicht annähern.

So bleibt am Ende – neben dem unstrittigen Bekenntnis, dem Terror offensiv die Stirn zu bieten – nur ein Themenfeld, das zumindest Europa und die USA wieder zusammenführen könnten: die Frage nach dem richtigen Umgang mit Russland.

Zukunft der Russland-Sanktionen

Insbesondere in Osteuropa ist seit dem Ausbruch der Ukraine-Krise die Sorge groß, der russische Präsident Wladimir Putin könnte seine Grenzen weiter austesten und auch Konflikte in Nato-Ländern einheizen. Deshalb pochen vor allem die baltischen Staaten auf ein Bekenntnis der USA zum Bündnisfall. Das bleibt weiterhin vage, immerhin aber hat die Trump-Mannschaft klargemacht, dass Russland kein Partner ist – und auch nicht wird.

Aufgrund möglicher Russland-Beziehungen im eigenen Land schwer unter Druck, machte die Regierung deutlich, dass sie an eine Aufweichung der bestehenden Sanktionen nicht denke. Im Gegenteil. „Wir werden die Sanktion nicht lockern“, unterstrich Trumps Wirtschaftsberater Gary Cohn. Wenn überhaupt Veränderungen, dann „schauen wir eher, ob wir härter mit Russland umgehen“, so der ehemalige Goldman-Sachs-Banker mit dem engen Draht zum Präsidenten. Europa, insbesondere der Osten, atmet auf.

Dennoch ist die Bilanz der Europa-Reise von Donald Trump ernüchternd. Bei den Partnern überwiegt die Wut und Enttäuschung. Sie hatten sich mehr von Donald Trump erhofft – und wurden einmal mehr desillusioniert.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%