Das hatte sich Mario Draghi sicherlich anders vorgestellt. Schon im Februar gerät der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) erneut unter Zugzwang. Denn wieder fällt die Inflationsrate in der Euro-Zone deutlich niedriger aus, als es von der Notenbank angestrebt wird. Um nur 0,7 Prozent legten die Preise im Euro-Raum zu – ihr Ziel der Preisstabilität sieht die EZB dagegen bei einer Rate von knapp unter zwei Prozent erfüllt. Die Angst vor Deflation ist präsenter denn je.
Einige forderten daher vehement, dass EZB-Chef Draghi schnell handelt und sich großzügig zeigt. „Der EZB-Rat sollte sich zu umfangreicheren Wertpapierkäufen durchringen“, sagte der Wirtschaftsweise Peter Bofinger. So könne dafür gesorgt werden, dass es gar nicht erst zu einem Abrutschen des Euro-Raums in eine Deflation komme.
Das ist leichter gesagt als getan. Denn anders als Bofinger, der lediglich die Bundesrepublik wirtschaftlich berät, muss Draghi auf das Wohl aller Euro-Länder achten. Und das ist im Moment kein einfaches Unterfangen. Seit dem Euro-Beitritt von Lettland sitzen 24 Vertreter im Rat der EZB, bestehend aus dem sechsköpfigen Direktorium der Zentralbank sowie den Präsidenten der nationalen Notenbanken. Je weiter die Krise fortschreitet, desto offensichtlicher werden die geldpolitischen Differenzen. Während die Vertreter der Peripheriestaaten das vermeintliche Deflationsgespenst als gefundenes Fressen sehen und mehr Hilfen von der EZB fordern, treten Länder wie Deutschland, Österreich oder die Niederlande traditionell auf die Bremse – sie fürchten, die EZB könne zu einer Haftungsunion werden.
Noch hat die EZB nicht an der Leitzinsschraube gedreht. Im Februar beließ sie den Leitzins bei 0,25 Prozent. Dennoch hatten Europas Zentralbanker bei der aktuellen Ratssitzung sicherlich Diskussionsbedarf. Ungewohnt umfangreich hat Mario Draghi die Märkte auf der anschließenden Pressekonferenz über den aktuellen Gemütszustand der Zentralbank aufgeklärt. Man habe "noch nicht genug Informationen", um zu handeln. Haben die Zentralbanker die Entscheidung nur vertagt? Nein, so Draghi. Die Situation sei komplex, es herrsche Unsicherheit, aber man wolle gewisse Daten der nächsten Wochen abwarten, bis es zu einer möglichen Handlung kommt. Unter anderem die BIP-Zahlen des vierten Quartals 2013 für die Euro-Zone und langfristige Konjunkturerwartungen. Draghi betonte erneut, dass er keine Deflation für die Euro-Zone erwartet. Allerdings bekräftigte er, dass die Inflationsrate weiterhin im Fokus stehen werde. Im März verfügt die EZB über genauere Daten und veröffentlicht eine neue Inflationsprognose. Nach der Februar-Sitzung rechnen viele damit, dass die Zentralbank dann handelt.
Allerdings hat die EZB schon viele der ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ausgenutzt. Der Leitzins liegt auf einem historischen Tief, der Einlagezins auf Null - der traditionelle Maßnahmenkatalog der Notenbank ist fast erschöpft. Bleiben unkonventionelle Maßnahmen wie beispielsweise Anleihekaufprogramme. Hier ist die Zahl der Möglichkeiten zwar deutlich größer, der Notenbanker-Fantasie sind kaum Grenzen gesetzt – allerdings heißt es, die EZB analysiere zwar seit Monaten das Für und Wider der einzelnen Methoden, sei aber bisher zu keinem Ergebnis gekommen. Dennoch ist für die meisten Beobachter klar, dass eine neue geldpolitische Episode der Euro-Zone in Kürze beginnen könnte. Worüber die EZB in diesen Wochen diskutiert und wie wahrscheinlich die Maßnahmen sind.
1. Leitzinssenkung
Der Klassiker unter den EZB-Instrumenten. Zwar ist der Leitzins in der Euro-Zone bereits so niedrig wie nie zuvor, allerdings hat Draghi schon mehrfach betont, die EZB könne im Zweifel auch weiter senken. Beobachter gehen davon aus, dass zunächst die Zinsschritte kleiner werden würden. Statt wie bisher um einen Viertel-Prozentpunkt könnte der Zins jetzt auf 0,1 Prozent gesenkt werden.
Dafür spricht zunächst, dass eine Zinssenkung die vergleichsweise einfachste Maßnahme für die Zentralbank wäre. Hinzu kommt die niedrige Inflationsrate. Als die Preissteigerung im November das erste Mal auf ein solch niedriges Niveau absackte, reagierte Mario Draghi prompt und senkte den Zins auf sein aktuelles Tief. Vermutlich werden auch die Vertreter der Peripheriestaaten erneut auf niedrigere Zinsen pochen. Von diesem Plus an Liquidität erhoffen sie sich einen Schritt weg von der Deflation – die nämlich setzt die Länder stärker unter Druck, an ihren notwendigen Reformen zu arbeiten.
Negativer Einlagezins
Entgegen der öffentlichen Meinung betonte Draghi, dass die jüngste Zinssenkung nun ihre Wirkung richtig entfalte. Dennoch ist die Kreditvergabe der Banken gerade in Südeuropa ist weiter gesunken. Zwar können sich auch italienische oder spanische Banken durch die niedrigen Leitzinsen günstig refinanzieren, aus Angst vor weiteren Reformen geben sie das aber nicht an ihre Kunden weiter.
Hinzu kommt, dass die EZB mit der Höhe des Leitzins zumindest indirekt auch den Zins am Interbankenmarkt, genannt Eonia, beeinflusst. Zu diesem Zins leihen sich Banken am Geldmarkt untereinander Kapital. Zuletzt lag der Zins teilweise höher als der aktuelle Leitzins. Eine Beratergruppe der EZB hatte sich darüber äußerst kritisch geäußert, da die Überschussliquidität der Banken zuletzt deutlich gesunken war. Hatten die Banken Mitte 2012 noch 800 Milliarden Euro übrig, waren es zuletzt nur noch gut 170 Milliarden Euro. Senkt die Zentralbank den Leitzins weiter, schränkt sie die Schwankungsbreite der Geldmarktzinsen weiter ein.
Das sind die drei Leitzinssätze der EZB
Der wichtigste Leitzins ist der Hauptrefinanzierungssatz. Er legt den Mindestzins fest, den Geschäftsbanken der EZB für einen Kredit mit einwöchiger Laufzeit im Rahmen der sogenannten Tenderauktionen bieten müssen. Änderungen wirken sich in der Regel direkt auf die Zinsen am Geld- und am Kapitalmarkt aus.
Für Banken, die sehr kurzfristig Geld brauchen, wird es teurer, hier bietet die EZB die sogenannte Spitzenrefinanzierungsfazilität an. Diese Kredite haben eine Laufzeit von einem Tag. Der Zins, den Banken für das über Nacht geliehene Geld zu zahlen haben, ist der Spitzenrefinanzierungssatz. Er liegt in der Regel rund einen Prozentpunkt über dem Hauptrefinanzierungssatz.
Die Einlagefazilität ist das Gegenstück zur Spitzenrefinanzierungsfazilität. Sie gibt Banken die Möglichkeit, einen Überschuss an flüssigen Mitteln bis zum nächsten Geschäftstag bei der Zentralbank zu parken. Die Verzinsung gibt der Einlagefazilitätssatz an. Spitzen- und Einlagefazilität sind Instrumente, mit denen die EZB weitere Feinsteuerung verwirklichen kann. Wenn die Banken zum Beispiel nur sehr wenig oder gar keinen Zins auf das Geld bekommen, das sie bei der EZB parken, dann steigt der Anreiz, es an einen Kunden zu verleihen. Derzeit ist der Einlagezins negativ - und bestraft somit Banken, die Geld bei der EZB parken.
2. Negativer Einlagezins
Eine weitere Möglichkeit, den Geldmarkt und damit das Geschäft der Banken untereinander wieder zu beleben wäre, den Einlagezins weiter ins Minus zu senken. Das käme einem Strafzins gleich, den die Banken zahlen, wenn sie über Nacht Geld bei der Zentralbank parken. Zurzeit liegt der Zins bei null Prozent. Allerdings ist auch diese Maßnahme umstritten, viele Ökonomen zweifeln an der Wirkung. Es bestünde die Gefahr, dass der negative Zins das Gegenteil von dem bewirkt, was er eigentlich erreichen soll - statt zu florieren, dürfte die Kreditvergabe weiter zurückgehen.
Das zeigt das Beispiel Dänemark: Um die hohen Kapitalzuflüsse aus der Euro-Zone abzufedern und die dänische Krone vor einer weiteren Aufwertung zu bewahren, drückte die dänische Notenbank den Einlagezins im Juli 2012 unter null Prozent. Statt allerdings wie erhofft die Zinsen für Sparer zu senken, erhöhten die betroffenen Geldinstitute lieber die Zinsen für Unternehmenskredite. Für die Euro-Zone wäre das fatal. Auch Bundesbank-Präsident Jens Weidmann warnte bereits vor unerwünschten Effekten durch den negativen Zins. Technisch ist die EZB laut Draghi dazu bereit. Insgesamt gilt der Strafzins bisher aber als unwahrscheinlich.
3. Irgendeine „Dicke Bertha“ (LTROs)
Diese Geldgeschenke durch die EZB gehören zu den unkonventionellen Maßnahmen der Notenbank. Bereits Ende 2011 und Anfang 2012 bescherten die Frankfurter Währungshüter Europas Banken ein bisher unbekanntes Liquiditätsgeschenk. So billig wie nie und nahezu unbegrenzt konnten sich die Kreditinstitute mit Hilfe der beiden als „Dicke Bertha“ bekannt gewordenen Langfristtender Geld bei der EZB leihen. Dieses zahlen sie jetzt schrittweise zurück.
Gegen ein neues LTRO spricht, dass die Kreditklemme, also das Kernproblem der EZB, dadurch bisher nicht gelöst worden ist. Deshalb wurde zwischenzeitlich eine modifizierte Version diskutiert. Auch dabei könnte viel Geld von der Notenbank verliehen werden, allerdings unter der Bedingung, dass die Banken es in Form von Krediten an Unternehmen weitergeben. Die Bank of England hat das bereits probiert, allerdings nur mit mittelmäßigem Erfolg. Zudem ist die Maßnahme höchst umstritten, weil die EZB damit aktiv in den Kreditkreislauf einzelner Länder eingreifen würde. Zudem werden sich die Unternehmen nicht zwingen lassen, mehr Kredite nachzufragen.
Stopp der SMP-Sterilisation
4. Sterilisierungs-Stopp
Diese Maßnahme gilt im Moment als eine der wahrscheinlichsten. Draghi erklärte allerdings zuletzt, der EZB-Rat habe das Instrument nicht einzeln diskutiert. Es handelt sich dabei um das alte Staatsanleihekaufprogramm SMP. Das wurde 2010 von Draghis Vorgänger Jean-Claude Trichet aufgelegt. Für gut 200 Milliarden Euro sollten Bonds von Krisenstaaten gekauft werden – Staatsfinanzierung per Zentralbankdrucker. Allein deshalb stellte die EZB das Programm relativ zügig 2011 wieder ein. Rund 170 Milliarden Euro an Staatsanleihen hat die Notenbank aber noch in ihren Bilanzen. Aus Angst vor Inflation wird die Liquidität jede Woche „sterilisiert“, Banken legen das Geld wieder bei der EZB an. Für jeden Euro, der in Staatsanleihen floss, sollte also woanders wieder etwas abgeschöpft werden.
Jetzt überlegen die Währungshüter, diese Kompensation zu beenden, die vorhandene Liquidität würde sich entsprechend um etwa 170 Milliarden Euro erhöhen. Als wahrscheinlich gilt diese Variante insbesondere deshalb, weil es in Notenbankkreisen heißt, auch die sonst so kritische Bundesbank wäre da mit im Boot.
Der Instrumentenkasten der EZB
Wieder einmal blicken alle in der Euro-Schuldenkrise gebannt nach Frankfurt: die Europäische Zentralbank (EZB) soll es im schlimmsten Fall richten, mit ihrem Waffenarsenal intervenieren und so die Märkte beruhigen.
Zwar streiten sich Fachleute und auch die Notenbanker darüber, wie effektiv, nachhaltig und sinnvoll weitere Eingriffe der Geldpolitik sein könnten. Fest steht aber: die EZB verfügt als einzige Institution über einen gut gefüllten und theoretisch sofort verfügbaren Instrumentenkasten, um angeschlagenen Banken unter die Arme zu greifen, Institute im Falle eines Bank-Runs mit neuem Geld zu schützen und durch ihre Finanz-Feuerkraft wenigsten für eine begrenzte Zeit wieder für Ruhe an den Börsen zu sorgen.
Vor dem Wahlsonntag in Athen verdichten sich die Hinweise, dass die großen Notenbanken der Welt gemeinsame Sache machen und die Märkte mit Geld fluten könnten. Eine solche konzertierte Aktion der Zentralbanken gab es schon einmal - Anfang Oktober 2008, kurz nach dem Kollaps der US-Investmentbank Lehman Brothers, als weltweit die Finanzströme zu versiegen drohten.
In der aktuellen Krise rund um die Überschuldung Griechenlands und anderer südeuropäischer Länder hat bislang nur die britische Notenbank angekündigt, dass sie gemeinsam mit dem Finanzminister in London ihren Bankensektor zum Schutz vor aus Griechenland überschwappenden Problemen mit 100 Milliarden Pfund fluten will. Am Freitag sorgte die Aussicht auf eine gemeinsame Intervention der Zentralbanken zunächst für bessere Stimmung an den Märkten.
Aktuell steht der Leitzins der EZB bei 0,75 Prozent. Die Notenbank kann natürlich jederzeit an dieser in normalen Zeiten wichtigsten Stellschraube drehen. Es wäre ein historischer Schritt: Noch nie seit Bestehen der Währungsunion lag der Schlüsselzins für die Versorgung des Finanzsystems mit frischer Liquidität niedriger.
Allerdings nimmt der Spielraum der EZB mit jeder weiteren Leitzinssenkung ab - schließlich rückt damit die Nulllinie unausweichlich immer näher. Fachleute erwarten, dass die Zentralbank mit weiteren Zinssenkungen so lange wartet wie nur möglich, um für den Fall echter Verwerfungen an den Finanzmärkten, wie sie etwa bei einem Austritt der Griechen aus der Euro-Zone drohen würden, noch Munition zu haben.
Um den Geldmarkt wiederzubeleben und die Banken zu ermuntern mehr Geld in den Wirtschaftskreislauf zu geben, könnte die EZB den sogenannten Einlagezinssatz auf null Prozent kappen. Dieser Zins liegt aktuell bei 0,25 Prozent. Das bedeutet, dass Banken, die keiner anderen Bank mehr trauen, immerhin noch Geld dafür bekommen, wenn sie überschüssige Liquidität bei der EZB parken. Bei einem Einlagezinssatz von einem Prozent entfiele der Anreiz dies zu tun. Doch ob die Banken der EZB den Gefallen tun oder das Geld dann lieber horten, ist fraglich. Aktuell parken sie jedenfalls knapp 800 Milliarden Euro in Frankfurt.
Im Dezember und im Februar ist es der EZB gelungen, mit zwei jeweils drei Jahre laufenden Refinanzierungsgeschäften die Gemüter der Banker wenigstens für eine Zeit lang zu beruhigen. Damals sicherten sich die Geldhäuser insgesamt rund eine Billion Euro bei der Zentralbank zum Billigtarif von nur einem Prozent.
Einige Experten glauben, dass weitere langlaufende Geschäfte dieser Art das durch die Unsicherheit über die Zukunft der Euro-Zone untergrabene Vertrauen wieder zurückbringen könnten. Die Banken, die sich um den Jahreswechsel bei der EZB bedient haben, sind allerdings ohnehin bis mindestens Ende 2014 abgesichert. Außerdem kann jede Bank darüber hinaus bei den wöchentlichen Hauptrefinanzierungsgeschäften der Notenbank aus dem Vollen schöpfen.
Damit den Banken die Sicherheiten nicht ausgehen, die diese als Pfand bei den Refinanzierungsgeschäften mit der Notenbank stellen müssen, kann die EZB weitere Erleichterungen bei den Anforderungen beschließen. Sie kann dabei auch selektiv nach Ländern vorgehen, um gezielter zu helfen. Allerdings sind Erleichterungen bei den Sicherheiten immer auch ein Politikum, weil dadurch die Risiken steigen, die die Zentralbank durch die Refinanzierung in ihrer Bilanz ansammelt. Im Fall der Fälle müssten diese von den Steuerzahlern der Mitgliedsländer getragen werden.
Die EZB hat seit Mai 2010 Staatsanleihen hoch verschuldeter Euro-Länder für mehr als 200 Milliarden Euro gekauft. Das im Fachjargon SMP (Securities Markets Programme) genannte Programm ist wegen seiner möglichen Nebenwirkungen in Deutschland und einigen anderen nord- und mitteleuropäischen Ländern umstritten. Es ruht derzeit, kann allerdings jederzeit wieder vom EZB-Rat in Kraft gesetzt werden.
Ob es allerdings noch seine erhofften positiven Wirkungen am Bondmarkt entfalten kann, ist unklar. Wegen der Erfahrungen bei der Umschuldung Griechenlands im Frühjahr dürften wenige private Investoren wie Banken oder Versicherungen der EZB folgen und wieder in den Markt gehen, weil sie fürchten, dass die Zentralbank erneut einen Sonderstatus als Gläubiger durchsetzen könnte, wie sie es im Fall Griechenland getan hat.
Theoretisch kann die EZB neben Staatsanleihen auch andere Arten von Wertpapieren kaufen und auf diese Weise Geld schaffen: zum Beispiel Bankschuldverschreibungen, Aktien und Unternehmensanleihen. Während der Ankauf von Bank Bonds eine durchaus denkbare Möglichkeit wäre, Liquidität bei den Banken zu schaffen, scheinen andere Wege wenig erfolgversprechend. So könnte die EZB wohl schlecht erklären, warum sie etwa Aktien von Banken kauft, nicht aber von Auto- oder Chemiekonzernen. Oder sie setzt sich dem Verdacht aus, der einen Bank mehr Aktien abzukaufen als anderen oder zum Beispiel spanische Institute deutschen oder österreichischen Banken vorzuziehen.
Theoretisch kann die EZB auch ihre Anforderungen an die Mindestreserve der Banken, die diese bei ihr halten müssen, absenken. Sie hat dies um den Jahreswechsel bereits getan und den Satz ihrer gesamten Einlagen, den jede Geschäftsbank bei ihr parken muss, von zwei auf ein Prozent halbiert. Dadurch hatte sie damals eine Summe von rund 100 Milliarden Euro für die Banken freigemacht. Ein solcher Schritt würde es für Banken in Südeuropa, die wohl am ehesten unter einer Kapitalflucht leiden würden, leichter machen, Mittel flüssig zu halten.
5. Anleihekäufe
Als das letzte erdenkliche Übel bleiben der EZB noch massive Wertpapierkäufe, nach dem Vorbild der US-Notenbank Fed. Schon einmal, im Sommer 2012 in London, kündigte EZB-Chef Draghi an, er werde im Zweifel unter bestimmten Bedingungen unbegrenzt Staatsanleihen kaufen. Bisher musste die EZB davon zwar keinen Gebrauch machen, aber das Programm ist höchstumstritten. Noch immer hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe nicht entschieden, ob eine solche Maßnahme verfassungskonform wäre oder nicht. Zunächst wurde mit einer Entscheidung im Februar gerechnet, mittlerweile wurde sie auf April verschoben. Insbesondere geht es dabei um die Frage, ob es sich beim Eingreifen der EZB um Fiskalpolitik handelt, einem Feld, welches der EZB aufgrund ihres Unabhängigkeitsgebots untersagt ist.
Ein Kaufprogramm hat daher kaum Chancen, sich im Rat durchzusetzen und gilt als sehr unwahrscheinlich. Auch Mario Draghi selbst sagte auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos, er sehen keinen Grund dafür, etwas derartiges zu tun.
Noch keine Mehrheit
6. Kauf von verbrieften Krediten
Auch diese Maßnahme kam auf dem Gipfel in Davos auf die Agenda. Im Gespräch mit der britischen „Financial Times“ erklärte Draghi, er könne sich den Kauf von verbrieften Kreditpaketen vorstellen. Auch nach dem Zinsentscheid ließ der Italiener erkennen, dass er eine Vorliebe für diese Variante hat. Bei solchen Kreditverbriefungen werden Verbraucher- und Unternehmensdarlehen zu Paketen geschnürt und in Form von Wertpapieren weiterverkauft. Zuletzt ist der Markt für diese sogenannten Asset Backed Securities (ABS) fast ausgetrocknet, aber die EZB wäre laut Beobachtern durchaus dazu in der Lage, ihn wieder aus dem Schlaf zu rütteln. Auf den ersten Blick klingt die Maßnahme verlockend, denn Draghi könnte damit seine beiden Hauptprobleme - die niedrigen Inflationsraten und die dümpelnde Kreditvergabe - effizient beseitigen. Immer wieder bringt Draghi diesen Gedanken ins Spiel.
Allerdings gelten die Verbriefungen als hochgefährlich und sehr intransparent. Die EZB würde sich ein enormes Risiko in ihre Bilanz holen. Statt das Geld wie bei Staatsanleihekäufen aus dem Hubschrauber über Europa abzuwerfen, würde die Notenbank es diesmal bündelweise da hinbringen, wo es einerseits am meisten gebraucht wird, wo aber andererseits auch das Risiko am höchsten ist. Die langfristigen Risiken, die so etwas mit sich bringen würde, sind unkalkulierbar. Deshalb hat der Plan auch einige Gegner im EZB-Rat. Zudem bedarf es einer langen Planungszeit, um das zu implementieren.
Fazit: Die EZB hat noch einige Möglichkeiten, die meisten sind aber sehr umstritten und dürften daher im Rat keine Mehrheit finden. Und nach der Ratssitzung am Donnerstag hat Draghi deutlich gemacht, dass diese Phase nur die Ruhe vor dem Sturm ist. Noch wartet die EZB ab, aber schon im kommenden Monat könnte sie erneut geldpolitische Geschichte schreiben.