Zinswende Euro-Rettung hat keine Chance

Die medial aufgeblasenen Konjunkturhoffnungen für Südeuropa sind ein schlechter Scherz mit Blick auf die wieder steigenden Realzinsen in den Krisenländern. Staatsschulden und Schuldenquoten explodieren, aber in Berlin will man davon nichts wissen. Nach der Wahl soll es die EZB richten. Aber auch sie wird die Marktkräfte auf Dauer nicht ausschalten können.

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Die zehn größten Euro-Lügen 2013
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Der Erfolg der Euro-Rettung, sofern diese überhaupt noch möglich ist, hängt einerseits ab vom Zinsniveau in den kommenden Jahren und andererseits davon ab, ob der römische Senat und die italienische Justiz einen Weg finden, Steuerbetrug, Kinderprostitution und Mafiakontakte von Silvio Berlusconi zu legitimieren.

Darauf hat die deutsche Politik keinen Einfluss. Deshalb haben die etablierten politischen Parteien die Euro-Schuldenkrise erst gar nicht zum Thema im Bundestagswahlkampf gemacht. Sie führen lieber Phantom-Diskussionen über die Einführung einer Pkw-Maut oder eines fleischfreien Tages in den Kantinen des Landes.

Weiterer Vorteil: Je weniger man mit dem unerfreulichen Thema in Berührung kommt, desto weniger können den politisch Verantwortlichen später Vorwürfe gemacht werden, etwa wegen Konkursverschleppung bei den südeuropäischen Krisenstaaten oder wegen einer hohen inländischen Inflation plus Spekulationsblase und anschließender Krise am deutschen Immobilienmarkt. Man könnte allerdings auch von einem organisierten Wahlbetrug sprechen. Die politische Klasse in Deutschland zieht es jedenfalls vor, den Kopf in den Sand zu stecken und die Wähler im Unklaren zu lassen.

Quadratur des Kreises

Die Target2-Kredite der Bundesbank zum Beispiel lässt Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble bei der Berechnung der deutschen Haftungsrisiken für die Euro-Rettung stets außen vor. Die Bundesbank hat gegenüber anderen nationalen Zentralbanken der Eurozone Forderungen im Volumen von 574 Milliarden Euro aufgebürdet bekommen. Werden Länder zahlungsunfähig und treten aus der Währungsunion aus, werden auch deren nationale Zentralbanken ihre Verbindlichkeiten aus dem Target2 genannten Verrechnungssystem von Zahlungsströmen zwischen den Euro-Zentralbanken nicht begleichen können. Das „würde substanzielle Verluste für die Gegenparteien in anderen Euro-Ländern inklusive Zentralbanken und Staaten bedeuten“, wie Lorenzo Bini-Smaghi in seinem gerade erschienen Buch „Morire di Austerita“ feststellt. Bini-Smaghi war bis Ende 2011 Mitglied des sechsköpfigen EZB-Direktoriums, ist also ein Insider in Sachen Euro-Rettung. Bini-Smaghi berichtet auch, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel noch im frühen Herbst 2012 in Erwägung zog, Griechenland aus dem Euro zu schmeißen und dass Cavaliere Berlusconi im Herbst 2011tatsächlich mit dem Euro-Austritt Italiens gedroht hatte. Das Thema Target2 ist also längst nicht vom Tisch.

Die Euro-Retter versuchen sich an der Quadratur des Kreises. Einerseits sind die Schuldenniveaus der Euro-Staaten inzwischen so hoch, dass ein Zinsanstieg um wenige Prozentpunkte die Haushaltsdefizite explodieren und das größtenteils insolvente Bankensystem der Eurozone kollabieren lassen würde. Andererseits führt in Südeuropa bereits ein langsameres Schuldenwachstum zu einem wirtschaftlichen Kollaps. Die Aussicht auf ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum besteht nicht einmal mehr in den Kernländern, weil diese selbst mit massiven Strukturproblemen, Reformblockaden und hohen Schulden zu kämpfen haben. Die asiatischen Exportnationen sind deshalb nicht mehr bereit zur Schuldenfinanzierung in Europa. Will man aber keine Schuldenschnitte zulassen, bleibt nur die monetäre Staatsfinanzierung durch die Europäische Zentralbank (EZB) oder die Revolte der europäischen Anleihemärkte. Bundesfinanzminister Schäuble hat sich offenbar für die Alternative mit der Notenpresse entschieden.

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