Zum Tod von Daphne Caruana Die Frau, die sich nie einschüchtern ließ

Daphne Caruanas Kampf gegen das korrupte System endete tödlich. Maltas hartnäckigste Aufklärerin wusste, dass sie sich in Gefahr befand. Eine Begegnung mit einer Frau, der die Wahrheit wichtig war.

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Daphne Caruana. Quelle: REUTERS

Sie konnte so unglaublich nüchtern über die Todesgefahr erzählen. Im Mai saß Daphne Caruana im Casino Maltese in Valletta und beschrieb die beiden Anschläge auf ihr Leben. Zwei Mal war ihr Wohnhaus in Brand gesetzt worden. Beim ersten Mal, 1994, brannte die Haustür. Das Feuer konnte schnell gelöscht werden. „Aber die Haustür“, sagte sie, „das war symbolisch“. Beim zweiten Mal, 2006, entging sie nur knapp der Katastrophe. Wenn einer ihrer Söhne nicht zufällig in der Nacht nach Hause gekommen wäre und die Familie rechtzeitig geweckt hätte, wären wohl alle in ihren Zimmern verbrannt. Am Montag fiel Daphne Caruana in ihrem Peugeot 108 einer Autobombe zum Opfer.

Im Frühjahr erzählte sie von den Anschlägen auf ihr Leben, so wie andere von den lästigen Nebeneffekten ihrer Arbeit erzählen, von Stress oder von nervigen Kollegen. Die Lebensgefahr, sie gehörte für Daphne Caruana zu ihrer Mission als Maltas hartnäckigste Aufklärerin im politischen Sumpf. Ein wenig war es, als wenn sie sich durch die Attacken bestätigt fühlte. Was sie anprangerte, die Korruption, die Maltas Politik seit Jahren durchzieht, wurde durch die Angriffe bestätigt. Niemand hätte sich sonst berufen gefühlt, sie mundtot zu machen.

Im Mai beim Gespräch im Casino Maltese, einem Club, den die britischen Kolonialherren 1852 für als Treffpunkt für Prominenz und royale Gäste gegründet hatten, war sie allerdings noch optimistisch, dass das System Malta nicht mehr lange halten würde. „Alles bricht zusammen“, sagte sie, "die sinkenden Schiffe haben viele Lecks.“ Sowohl gegen die Gattin von Premier Joseph Muscat als auch zwei enge Mitarbeiter standen im Verdacht, im großen Stil Geldwäsche betrieben zu haben. Caruana lieferte in ihrem Blog immer neue Details. Die 53-Jährige prangerte Maltas Position als Steuerparadies ebenso an wie das dubiose Programm, in dem Ausländer maltesische Pässe kaufen können. „Wir wissen nicht, wo die Einnahmen hinfließen“, sagte sie damals.

Caruana hatte gute Quellen. Für alle, die Missstände aufdecken wollten, war sie die zentrale Anlaufstelle im Inselstaat. Maltas Medienlandschaft, die zum Großteil von den beiden großen Parteien kontrolliert wird, waren für Whistleblower keine Alternative.

Wenn Caruana die Affären schilderte, dann klang es oft ein wenig wie aus einem Film. Bei der Pilatus Bank, die im Verdacht steht, Geldwäsche für das Umfeld von Muscat betrieben zu haben, stand der Safe in der Küche: „Der einzige Platz, an dem nach maltesischem Gesetz keine Kamera angebracht werden darf.“ Wer auch immer Zugang zum Safe haben wollte, war sicher, dass er nicht aufgezeichnet wurde.

Caruana kritisierte, dass sich ihre Landleute an die Korruption im Land gewöhnt hatten. „Die Menschen sagen, die Regierung gefällt mir, weil sie die Regeln nicht so eng nimmt.“ Im Mai hatte Caruana allerdings gehofft, dass angesichts immer neuer Vorwürfe eine Trendwende eingesetzt habe. „Die Zurückhaltung, den Mund aufzumachen, verschwindet“, sagte sie damals. „Der Ärger der Menschen wird sichtbar.“ Trotz immer neuer Vorwürfe gewann Premier Muscat die vorgezogenen Neuwahlen Anfang Juni.

Caruana hatte im eigenen Land Kritiker und Feinde. Ihre Feinde sahen ihr Geschäftsmodell gefährdet, ihre Kritiker störten sich an ihrem Stil. Im Blog lästerte Caruana über die Kleidung der First Lady oder über die feiste Statur eines Gemeinderats. Menschen, die ihr nahe standen, bedauerten, dass sie mit solchen Bemerkungen an Glaubwürdigkeit einbüßte. Sie argumentierte, Muscats Gattin nutze die Kleidung als öffentliches Statement, als Mittel um Stimmen zu fangen. Dann seien Kommentare nur legitim.

Caruana bewies allerdings regelmäßig, dass sie einen Blick für die großen Zusammenhänge, für die wirklichen Probleme der maltesischen Politik, hatte. Sie machte öffentlich, dass Politiker Beleidigungsklagen benutzt haben, um Journalisten mundtot zu machen. Sie unterstrich wieder, dass in Malta die Gewaltenteilung nicht funktioniert. „Eine Anordnung zum Abhören eines Telefons muss in diesem Land vom Polizeiminister unterzeichnet werden“, unterstrich sie im Mai. „Was aber passiert, wenn die Polizei das Telefon des Premierministers abhören muss?“

Beim Gespräch im Mai kam Caruana zu dem Schluss, dass Malta in vieler Hinsicht keine kontinentaleuropäischen Standards erfüllt. Ihr Mord ist der Beweis dafür.

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