Zuwanderung Auf Wanderschaft in Europa

Als Arbeitskräfte sind uns die Menschen aus Bulgarien und Rumänien willkommen – als Armutsflüchtlinge nicht. Droht unserem Sozialstaat der Stresstest?

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So ist es um die Armut in Europa bestellt
Platz 27: Am wenigsten armutsgefährdet sind die Menschen in Dänemark. Das ergab eine Studie des Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW). Als armutsgefährdet gilt nach einer Definition der EU, wer weniger als 60 Prozent des durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommens eines Landes zur Verfügung hat. Das IW nahm diese Definition als Grundlage für ihre Forschung, kombinierte sie jedoch noch mit weiteren Faktoren, zum Beispiel die subjektive Einkommensarmut und die Deprivation, also das, worauf Menschen aus finanziellen Gründen verzichten müssen. Heraus kam: Nur ein Prozent der Bevölkerung in Dänemark ist arm. Auf Platz 26 schafft es Luxemburg. Quelle: REUTERS
Platz 25: Immer mehr Menschen sind von Armut betroffen - egal ob in Deutschland oder europaweit. In der EU gilt fast jeder Vierte als armuts- oder ausgrenzungsgefährdet. Die Menschen in den Niederlanden kommen dabei noch gut weg und landen auf Platz 25: Nur jeder Neunte ist armutsgefährdet. Quelle: AP
Platz 24: Schweden. Nur ein Prozent der Bevölkerung in Schweden muss erhebliche materielle Entbehrungen hinnehmen. Auf Platz 23 und 22 folgen Finnland und Österreich. Quelle: dpa
Platz 21 für Deutschland - damit liegen wir im europäischen Vergleich nur im Mittelfeld. Besonders betroffen von Armut sind in Deutschland Migranten, Alleinerziehende und Arbeitslose. 30 Prozent der Arbeitslosen sind einkommensarm. Quelle: dpa
Platz 20: Vereintes Königreich. Die Briten gehören ins Mittelfeld - ebenso wie Frankreich (Platz 19), die Tschechischen Republik (Platz 18), Belgien (Platz 17) und Slowenien (Platz 16). Doch es gibt deutliche Unterschiede: Während die Tschechen EU-weit die niedrigste Einkommensarmutsquote hat, sind die Briten bei der subjektiven Armut vorne. Quelle: REUTERS
Platz 15 bis 13: Slowakische Republik, Malta, Spanien. Die Länder gehören in Sachen Armut in das untere Mittelfeld. Quelle: AP
Auch die Iren gehören noch ins Mittelfeld, wenn auch ins untere - und belegen im Ranking Platz 12. Etwas größer ist die Armutsgefahr für Estland (Platz 11). Quelle: dpa

Wer wissen will, wie weit es ist vom Stammtisch in die Wirklichkeit, der sollte einen kurzen Blick nach Bayern richten und dann mit Franziska Giffey sprechen. Als die letzten Hürden für Bulgaren und Rumänen auf dem europäischen Arbeitsmarkt an Neujahr fielen, hielt es die CSU für angezeigt, vor „fortgesetztem Missbrauch“ der Freizügigkeit zu warnen. „Falsche Anreize zur Zuwanderung“ müssten deshalb schleunigst verringert werden. Ein Papier für die Klausurtagung in Wildbad Kreuth, das vergangene Woche beschlossen wurde, enthielt dann noch diesen griffigen Satz: „Wer betrügt, der fliegt.“ Franziska Giffey atmet erst einmal tief durch, wenn sie so etwas hört. Dann sagt sie: „Die allermeisten, die hierher kommen, tun das nicht mit dem Vorsatz, unser Sozialsystem auszunutzen. Die wollen arbeiten, wollen klarkommen.“

Hierher, das heißt: Berlin-Neukölln. Giffey ist dort SPD-Bezirksstadträtin, ihr braucht niemand etwas über Probleme mit Einwanderern zu erzählen. Der Ausländeranteil liegt bei 40 Prozent, davon 5000 Bulgaren und Rumänen, und das ist nur die offizielle Zahl. Allein im vergangenen Jahr hat Giffey 31 Willkommensklassen für Kinder eingerichtet, die kein Deutsch sprechen. Mehr als zwei Dutzend heruntergekommene Mietshäuser gibt es allein bei ihr im Viertel, in denen Einwanderer – nicht selten Roma – zusammengepfercht auf Matratzenlagern hausen, angeblich für 200 oder 300 Euro pro Kopf und Monat. „Wir haben es zum großen Teil mit Menschen zu tun, die es schon in ihrer Heimat extrem schwer hatten“, sagt Giffey. „Aber sie kommen hierher in der Hoffnung, es überhaupt mal ein bisschen besser zu haben.“

Menschen, die die harten Jobs machen, für die sich kaum ein Deutscher mehr findet, sind oft Zuwanderer. Sie arbeiten als Putzkraft oder am Bau, als Schrott-Schlepper oder Handlanger bei Entrümpelungen. Quelle: dpa

Sie kann nicht verstehen, wenn in diesen Tagen politische Scharfmacher vor einer Welle warnen, die angeblich über Deutschland hereinbrechen wird. Giffey spürt keinen Dammbruch. Was sie sieht, ist ein steter Zustrom von Osteuropäern – und das seit Jahren. Natürlich gibt es Kriminalität, und selbstverständlich kennt sie die Fakten: Alleine in Neukölln bezieht schon jetzt etwa jeder dritte Bulgare und Rumäne als Selbstständiger Hartz IV, die Gewerbeanmeldung ist lax. Und das Kindergeld, das ab dem ersten Tag und auch für die Familie in der Heimat gezahlt wird, wäre eben für viele dort eine unerreichbare Summe. Aber trotz alldem erlebt Giffey in ihrem Viertel vor allem Menschen, die die harten Jobs machen, für die sich kaum ein Deutscher mehr findet: als Putzkraft oder am Bau, als Schrott-Schlepper oder Handlanger bei Entrümpelungen. Weit jenseits irgendwelcher Mindestlöhne oder Tarifverträge.

Populisten und Nationalisten überall in Europa schauen darüber gerne hinweg: Sie fürchten bei Einwanderern gleich Sozialmissbrauch. Die nahezu vollendete Freizügigkeit aller EU-Bürger im Binnenmarkt, eine liberale Errungenschaft des Kontinents, verkommt bei Marine Le Pen in Frankreich oder Geert Wilders in den Niederlanden zum Freifahrtschein für Halunken in die üppigen Sozialsysteme Westeuropas. Auch in Belgien, Österreich oder Italien: Überall wollen rechte Parteien wie Lega Nord oder FPÖ mit Ressentiments Stimmen bei der Europawahl Ende Mai sammeln. In Großbritannien treibt die europa-skeptische UKIP den konservativen Premier David Cameron mit platten Parolen vor sich her.

"Die Zuwanderung nach Deutschland ist eine Erfolgsstory"

Wie lebt es sich in Europa?
Die zufriedensten Menschen leben in der Schweiz und Dänemark. Das ist das Ergebnis der Studie "How's Life" der Industriestaaten-Organisation OECD. Die Studie berücksichtigt neben Beschäftigung, Langzeitarbeitslosen, Einkommen und Gesundheit auch den zur Verfügung stehenden Wohnraum oder ob die Menschen in dem jeweiligen Land Freunde haben. Ein richtiges Ranking gibt es dementsprechend nicht. Unter den Ländern, deren Bevölkerung sich selbst als sehr unzufrieden einschätzt, sind beispielsweise Ungarn, die Türkei, Griechenland und Portugal. Doch selbst in Ländern, die besonders von der Krise gebeutelt sind, macht die OECD Lichtblicke aus. Vom „Guter-Samariter-Effekt“ sprach Studien-Mitautorin Romina Boarini. „Es liegt auf der Hand, dass Menschen daran denken, anderen zu helfen, wenn sie selbst leiden.“ So sei in manchen Ländern der Anteil der Menschen gestiegen, die gemeinnützige Arbeit leisten. Quelle: obs
Die Norweger können zufrieden sein: In Europa bekommen sie mit 28.368 Euro nicht nur das durchschnittlich höchste Nettoeinkommen im Jahr, sondern sie haben auch eine sehr niedrige Arbeitslosenquote, pro Person durchschnittlich zwei Wohn-Räume zur Verfügung und sind zu 73,1 Prozent gesund. Auf einer Skala von 1 bis 10 geben die Norweger durchschnittlich eine 7,7 als Zufriedenheitsquote an. Quelle: Blumenbüro Holland/dpa/gms
Die Studie stellt einen direkten Zusammenhang zwischen Wohlbefinden und der Möglichkeit zu arbeiten sowie den Arbeitsbedingungen her. In Irland haben beispielsweise die Gehälter seit der Finanzkrise um drei Prozent abgenommen, sie verdienen durchschnittlich 21.489 Euro netto im Jahr. Allerdings sind rund 8,5 Prozent der Bevölkerung ohne Job. Dafür ist die Einkommensungleichheit in Irland um acht Prozent gestiegen und in puncto Wohnraum sieht es ebenfalls gut aus: jedem Iren stehen durchschnittlich 2,1 Zimmer zur Verfügung. Außerdem sind die Iren sehr gesund. Quelle: dpa
Trotz Finanz- und Schuldenkrise hat sich die Lebensqualität der Deutschen im Unterschied zu vielen europäischen Nachbarn verbessert. 61 Prozent der Befragten gaben demnach an, mit ihrem Leben zufrieden zu sein. Das sind acht Prozentpunkte mehr als zu Beginn der Krise. Beim Gesundheitszustand reicht es nur für Durchschnittswerte, dafür geben die Deutschen an, sich nicht so gestresst zu fühlen. Das Nettoeinkommen im Jahr liegt in Deutschland bei 26.212 Euro. Quelle: dpa
In den Niederlanden gibt es nur rund 1,5 Prozent Langzeitarbeitslose, 75 Prozent der Niederländer haben einen Job. Durchschnittlich verdienen unsere Nachbarn im Westen im Jahr netto 23.582 Euro. Auf einer Skala von 1 bis 10 ist man mit 7,5 dort ziemlich zufrieden. 76,3 Prozent bezeichnen sich außerdem als gesund. Nur den Unternehmen geht es nicht ganz so gut: Die Privatinsolvenzen haben seit 2008 pro Jahr um 20 Prozent zugenommen. Quelle: AP
In Spanien haben die Menschen ihr Vertrauen in die Regierung verloren. Seit der Krise haben sie die europaweit höchste Langzeitarbeitslosenquote knapp neun Prozent. Seit 2008  haben die Privatinsolvenzen pro Jahr um 50 Prozent zugenommen und für Jugendliche ist es extrem schwer, einen Job zu finden. Die Jugendarbeitslosigkeit ist um sechs Prozent auf 45 Prozent gestiegen. Dementsprechend gering ist die Zufriedenheit der Spanier. "Die Auswirkungen der Finanzkrise waren sehr groß!, sagte OECD-Chefstatistikerin Martine Durand. Allerdings gebe es keine "Meister des Wohlergehens", also kein Land, das in allen Bereichen vorne liege, so Durand. Auch an das Einkommen könne man die Zufriedenheit nicht koppeln - zumindest nicht ausschließlich Ein Spanier verdient übrigens durchschnittlich 19.680 Euro netto im Jahr. Quelle: dpa
Auch in Griechenland sind die Menschen unzufriedener als vor der Krise – insgesamt ist die Lebenszufriedenheit um 20 Prozent gesunken. Seit 2008 hat der finanzielle Wohlstand um 30 Prozent abgenommen, durchschnittlich verdient ein Grieche netto 16.010 Euro jährlich. Pro Person haben die Griechen nur 1,2 Räume zur Verfügung. Viele haben das Vertrauen in die Regierung verloren und auch in Griechenland haben 45 Prozent der Jugendlichen keine Arbeit. Quelle: dpa

Die Euro-Krise, drückende Rezessionen und Massenarbeitslosigkeit haben die europäische Solidarität brüchig und anfällig werden lassen. „Man muss die Sorgen der Menschen ernst nehmen und darüber rational, offen und ehrlich reden“, sagt Martin Schulz, der Präsident des Europäischen Parlamentes, „gerade um sie den Rechten und Populisten mit ihrer Panikmache, den bewussten Übertreibungen, den fremdenfeindlichen Untertönen und der offensichtlichen Wahltaktik nicht zu überlassen.“ Auch Schulz sagt deshalb offen: „Wir können nicht leugnen, dass es in manchen Städten Probleme gibt mit einer kleinen Minderheit, die nicht oder schwer integrierbar ist und sich nicht verantwortungsbewusst verhält.“

Seit vergangener Woche gibt es eigens eine Staatssekretärsrunde des Bundes, die das deutsche Sozialrecht auf missbrauchsanfällige Schlupflöcher durchleuchten soll. „Freizügigkeit heißt freier Zugang zum Arbeitsmarkt, nicht freier Zugang zu Sozialleistungen“, sagt Hans-Peter Uhl (CSU), innenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. „Wir wollen die Probleme nicht mit Geld zukleistern, sondern durch eine Rechtsänderung lösen.“

Die CSU will baldmöglichst konkrete Maßnahmen auf allen staatlichen Ebenen. In den Städten und Kreisen könnten die Behörden enger zusammenarbeiten. Das Sozialamt, das Stütze auszahlt, sollte sich mit der Familienkasse abstimmen, von der das Kindergeld kommt. Die Gewerbeaufsicht müsse die (Schein-)Selbstständigkeit prüfen, so wie das Einwohnermeldeamt kontrollieren solle, wie viele Menschen oder Firmen in einer Drei-Zimmer-Wohnung angemeldet seien. Und schließlich solle die Polizei ihre Erkenntnisse über Straßenprostitution und den sogenannten Arbeiterstrich für billige Leihkräfte beisteuern. Die meisten Informationen, so Uhl, könnten problemlos ausgetauscht werden. Wo dies bisher aus Gründen des Datenschutzes nicht möglich sei, müssten die Vorschriften geändert werden. Auch die Ergebnisse der Finanzkontrolle Schwarzarbeit, für die der Zoll Razzien durchführt, sollten ebenfalls einfließen.

Allerdings: Schon im vergangenen Herbst hatte sich eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe intensiv über die Themen gebeugt. Das Ergebnis waren viele Bedenken und Fallstricke.

Hans-Peter Uhl (CSU), innenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Quelle: dpa

Dass Horrorszenarien vor überbordender Einwanderung aus Osteuropa schon in früheren Jahren stets überzeichnet waren; dass sich handfeste Belege für großflächigen Missbrauch der Wohlfahrtssysteme bis heute nicht finden lassen – diese Wahrheit geht in der erhitzten Debatte schnell verloren. „Die Zuwanderung nach Deutschland ist eine Erfolgsstory“, urteilt Herbert Brücker vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. „Wir erleben eine Wende: Die Zahl der gut Ausgebildeten wächst, die der Ungebildeten sinkt.“ Der krisenresistente deutsche Arbeitsmarkt ist so attraktiv wie seit Jahrzehnten nicht, Zuwanderer haben einen immer größeren Anteil am Jobboom. Die Ausnahmen von dieser Erfolgsgeschichte betreffen in der Tat vor allem Rumänen und Bulgaren. „Sie sind im Schnitt schlechter qualifiziert als die Einwanderergenerationen vor ihnen“, hat Brücker herausgefunden.

Sozialsystem weckt Sehnsüchte in EU-Ostländern

Wer wettbewerbsfähig ist und wer nicht
Platz 57: BulgarienBulgarien wird zurecht als das Armenhaus Europas bezeichnet. Unter 60 Ländern, die die Schweizer Wirtschaftshochschule IMD (International Institute for Management Development) nach ihren wirtschaftlichen Stärken und Schwächen miteinander verglichen hat, landet Bulgarien auf Platz 57 (Platz 54 im Jahr 2012). Damit ist Bulgarien das wirtschaftlich schwächste Land der Europäischen Union. Noch schlechter stehen nur noch Kroatien (Platz 58), das am 1. Juli der EU beitreten wird, Argentinien (Platz 59) und Venezuela (Platz 60) da. Wirklich gut schneidet Bulgarien nur beim Preisniveau ab, da belegt es im internationalen Vergleich Platz vier. In Disziplinen wie Beschäftigungsrate, Arbeitsmarkt, Bildung, Infrastruktur, gesellschaftliche Rahmenbedingungen, Gesundheit und Investments schafft es das osteuropäische Land nicht einmal unter die Top 30. Quelle: dpa
Platz 55: RumänienIm gleichen Atemzug mit Bulgarien wird stets Rumänien genannt. Das Land liegt im internationalen Vergleich auf Rang 55, im Vorjahr schaffte es Rumänien noch auf Platz 53 von 60 im World Competitiveness-Ranking. Von 21,35 Millionen Einwohnern haben 10,15 Millionen einen Job, die Arbeitslosenquote beträgt 6,8 Prozent. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) Rumäniens liegt bei 169,4 Milliarden Euro - im internationalen Vergleich macht das Platz 48 von 60. Beim BIP pro Kopf schafft es das Land mit 16.062 Euro auf Rang 46. Wirklich glänzen kann auch Rumänien nur beim Preisniveau, da landet es auf Platz neun von 60. Die zweitbeste Wertung bekommt das osteuropäische Land für seine Beschäftigungsquote: Hier liegt es im internationalen Vergleich auf Rang 33. Fragt man Unternehmen, was sie am meisten am Wirtschaftsstandort Rumänien schätzen, nennen 78,7 Prozent die offene und freundliche Art der Menschen. Eine kompetente Regierung lobten dagegen nur 11,5 Prozent und ein wirksames Rechtssystem attestierte dem Land niemand. Dafür lobten immerhin 52,5 Prozent der Befragten die Dynamik der Wirtschaft. Quelle: dpa
Platz 54: GriechenlandAuch Griechenland gehört weiterhin zu den Sorgenkindern Europas, konnte sich aber binnen eines Jahres von Rang 58 auf 54 verbessern. Griechenland muss auch 2013 weiterhin daran arbeiten, seinen aufgeblasenen Verwaltungsapparat zu verkleinern und den Finanzsektor wieder auf die Beine zu bringen. Auch in puncto Korruptionsbekämpfung und Steuersystem hat das Land noch einiges an Arbeit vor sich. Dementsprechend rangiert Griechenland, gerade was die Gesamtsituation der heimischen Wirtschaft angeht, auf Platz 60 von 60 Staaten. Auch beim BIP-Wachstum und der Kreditwürdigkeit gibt es nur Platz 60. Allerdings hat sich in Griechenland seit dem letzten Ranking auch einiges verbessert: So konnte das Land sein Image, die Anpassungsfähigkeit der Regierungspolitik und die Staatfinanzen verbessern sowie die Bürokratie verringern. Unternehmen schätzen an Griechenland besonders die gut ausgebildeten Arbeitskräfte sowie das allgemein hohe Bildungsniveau. Quelle: dpa
Platz 46: PortugalBinnen eines Jahres ging es für Portugal im IMD-Ranking von Platz 41 runter auf 46. Jetzt soll die rezessionsgeplagte Konjunktur mit Steueranreizen aufgepeppelt werden. Bei Firmeninvestitionen von bis zu fünf Millionen Euro seien Steuererleichterungen von 20 Prozent möglich, sagte Finanzminister Vitor Gaspar. Die Investitionen in Portugal sind zwar binnen eines Jahres von 10,20 Milliarden Dollar auf 13,79 Milliarden gestiegen, das Bruttoinlandsprodukt schrumpft dennoch weiter. 2012 betrug der Rückgang noch 1,6 Prozent, 2013 waren es schon -3,2 Prozent. Dafür steht Portugal sowohl bei der technischen als auch der wissenschaftlichen Infrastruktur recht gut da. 71,9 Prozent der ausländischen Unternehmer nennen die portugiesische Infrastruktur den attraktivsten Grund, in das Land zu investieren. Weltspitze ist Portugal bei dem Verhältnis Schüler pro Lehrer und den Einwanderungsgesetzen. Auch bei den Ingenieuren belegt Portugal im Ranking Platz vier. Nur Arbeit gibt es für die Fachkräfte kaum, am wenigsten für junge Menschen (Platz 59 bei Jugendarbeitslosigkeit). Auch die Forschung und Förderung von Wissenschaft und Technik, Fortbildungen, Erwachsenenbildung, Börsengänge und der Export gehören zu Portugals Schwächen. Quelle: dpa
Platz 45: SpanienSpanien ist binnen eines Jahres von Platz 39 auf 45 abgestiegen. Im Jahr 2007 stand das Land noch auf Platz 26 der stärksten Volkswirtschaften. Ein deutsche Hilfsprogramm im Volumen von bis zu einer Milliarde Euro soll die angeschlagene spanische Wirtschaft wieder auf die Beine bringen. Derzeit kämpft Spanien besonders mit seiner hohen Arbeitslosenquote (Platz 60 von 60), den Staatsfinanzen (Platz 59) und seinen Verwaltungsverfahren (Platz 56). Auch bei der Langzeitarbeitslosigkeit, Kapitalkosten, Sprachkenntnissen, dem Bankensektor und der Förderung von jungen Unternehmen steht Spanien mehr als schlecht da. Allerdings ist auch auf der iberischen Halbinsel nicht alles schlecht. So ist beispielsweise der Warenexport Spaniens binnen eines Jahres um 1,7 Prozentpunkte gestiegen. Insgesamt schafft es Spanien in neun Wirtschaftsdisziplinen unter die weltweiten Top Ten: Bei den Zinssätzen belegt Spanien unter 60 Ländern Platz drei, bei der Wechselkursstabilität und den Unternehmenszusammenschlüssen und -übernahmen jeweils Platz sechs, beim Export von Dienstleistungen Platz acht. Sowohl bei den Direktinvestments in die Aktien heimischer Unternehmen als auch der durchschnittlichen Lebenserwartung und grünen Technologien schafft es Spanien auf Platz neun und bei der Bilanzsumme des Bankensektors sowie der Arbeitsproduktivität Platz zehn. Quelle: dapd
Platz 28: FrankreichFrankreich dagegen, das ebenfalls wirtschaftlich zu kämpfen hat, konnte sich um einen Platz verbessern. Von Rang 29 ging es hoch auf 28. Trotzdem muss Frankreich seinen Arbeitsmarkt reformieren, wenn es die Erwerbsquote steigern möchte. Weitere Probleme der Grande Nation sind der stetig zunehmende Brain Drain, also das Abwandern von Fachkräften, das stagnierende Wirtschaftswachstum, die geringe Zahl der Beschäftigten, Arbeitsbedingungen und Wochenarbeitsstunden sowie die Haltung gegenüber der Globalisierung. Zu Frankreichs wirtschaftlichen Stärken gehören dagegen die Vertriebsinfrastruktur (Platz eins von 60), die Energieinfrastruktur und die Gesundheitsausgaben (jeweils Platz zwei) sowie die Direktinvestments in Aktien heimischer Unternehmen, der Export von Dienstleistungen, Investments in ausländische Aktien, die Gesundheitsinfrastruktur und die Zahl der Breitbandnutzer (jeweils Platz vier von 60). Insgesamt schaffte es Frankreich in 40 Kategorien 20 mal unter die Top Ten der Welt. Quelle: dpa
Platz 17: IrlandIrland, dass sonst gerne in einem Atemzug mit Italien und Spanien genannt wird, überholt sogar Frankreich, was die wirtschaftliche stärke angeht. Binnen eines Jahres konnte sich die grüne Insel im IMD World Competitiveness-Ranking um drei Plätze verbessern. Das liegt besonders an den gestiegenen Investments, dem herrschenden Zinssatz, dem Wirtschaftswachstum und der Wechselkursstabilität. Auch bei grünen Technologien hat sich Irland laut der Studie seit 2012 verbessert. Zu den besonderen Stärken des rund 4,6 Millionen Einwohner starken Landes gehören Flexibilität und Anpassungsfähigkeit der Unternehmen sowie deren Haltung gegenüber der Globalisierung, die Telefontarife, Belohnungen und Anreize für Investoren, dementsprechend auch die Anzahl an ausländischen Investoren und die Vergabe öffentlicher Aufträge (jeweils Platz eins von 60.) Schlecht steht es allerdings auch in Irland um die Arbeitslosigkeit, insbesondere die Jugendarbeitslosigkeit, sowie das BIP pro Kopf bestellt. Quelle: dpa

Die EU steht deshalb – Populismus hin oder her – an einer entscheidenden Wegmarke: Hält das krisengeschüttelte Europa und halten seine Bürger stand, wenn die Integration der Abgehängten vielerorts scheitert? Wenn Rechte die Probleme nutzen wollen, um an den freiheitlichen Prinzipien zu sägen? Und, mindestens ebenso wichtig: Können Europas Sozialsysteme in Zeiten der Freizügigkeit tatsächlich im vollen Umfang erhalten bleiben?

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) wird über diese letzte Frage entscheiden müssen – nicht zuletzt auf Bitten des Bundessozialgerichts. Denn noch ist die Rechtslage reichlich unklar. Einerseits fordert die EU-Verordnung zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit aus dem Jahr 2004, dass alle EU-Bürger gleich behandelt werden müssen. Anderseits hat der EuGH im Juni 2009 geurteilt, dass es durchaus rechtens ist, wenn Sozialhilfe erst gewährt wird, sobald der Arbeitssuchende eine Verbindung mit dem Arbeitsmarkt des Aufenthaltslandes hergestellt hat. Die Gefahr, dass Einwanderer nur von Sozialleistungen leben könnten, haben die Richter erkannt – und Schutzklauseln erlaubt.

Deutschland schließt deshalb arbeitsuchende Einwanderer von der Grundsicherung aus – theoretisch. Praktisch haben deutsche Sozialgerichte schon gegenteilig geurteilt. Steht also der Gleichheitsgrundsatz der EU über allem? Bis die Richter in Luxemburg diese Frage abschließend klären, wird Zeit vergehen.

EU-Sozialrechtsexperten können sich aber kaum vorstellen, dass die Richter keinerlei Zugeständnisse an nationale Akzeptanzgrenzen machen: „Vermutlich wird der EuGH Einschränkungen beim Anspruchserwerb von Hartz IV akzeptieren – das ist in Hinblick auf seine frühere Rechtsprechung jedenfalls anzunehmen“, analysiert Maximilian Fuchs, Professor an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt.

Jeder fünfte der 340 000 Einwohner in der Hafenstadt Varna am Schwarzen Meer ist ein Roma. Die meisten von ihnen leben in sogenannten Mahalas, Slums weit weg vom Stadtzentrum. Quelle: dpa

Sollte der Ausschluss von Leistungen jedoch keinen Bestand haben, warnt der Sachverständigenrat für Integration und Migration vor gravierenden Folgen: Jede weitere Expansion der „Solidarität unabhängig von jeder Erwerbstätigkeit, die über das ohnehin schon etablierte Maß hinausgeht, kann ihre Akzeptanz auf eine schwere Probe stellen“, heißt es im aktuellen Jahresgutachten. Es bestehe das Risiko, dass „in Staaten mit einem hohen sozialen Schutz die nationalen Mindeststandards sinken“, wenn das Leistungsniveau für eine steigende Zahl von Empfängern irgendwann nicht mehr finanziert werden könnte.

Die Freizügigkeit erhöht ohne Zweifel den Druck auf die westlichen Sozialsysteme – weil diese Sehnsüchte in den EU-Ostländern wecken, deren Wohlstand etwa das Niveau Kasachstans oder Costa Ricas hat. Es sind Städte wie das bulgarische Varna, von wo aus sich Roma aufmachen Richtung Deutschland. Jeder fünfte der 340 000 Einwohner in der Hafenstadt am Schwarzen Meer ist ein Roma. Die meisten von ihnen leben in sogenannten Mahalas, Slums weit weg vom Stadtzentrum.

Eine der größten dieser Siedlungen klebt an einem Berghang oberhalb einer viel befahrenen Schnellstraße. Eine Schlaglochpiste schlängelt sich hoch zu halb verfallenen Hütten aus Brettern, Blech und alten Ziegelsteinen. Manche der Dächer sind mit Plastiktüten abgedichtet. In den Gassen hocken bärtige Männer in zerrissenen T-Shirts. Zwischen Müllbergen liegt ein ausgebranntes Auto; ein Esel wühlt im Müll. Dazwischen rennen nackte Kinder einem alten Fußball hinterher.

Wachstum durch Zuwanderung im Osten Deutschlands

Wer arbeitet am härtesten in Europa?
Hier fasst sogar die Kanzlerin mit an. Dieses Bild vermittelt Angela Merkel zumindest bei der Versammlung der Schornsteiger-Innung in Mecklenburg-Vorpommern. Dass Merkel in den vergangenen Jahren zu Hause oder im Kanzleramt den Besen geschwungen hat, darf bezweifelt werden. Aber sie steht einer arbeitsamten Nation vor. Das jedenfalls glauben die Bürger in Europa, wie eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov unter insgesamt 7.573 Personen in sieben europäischen Ländern zeigt. Quelle: dpa
Für viele Deutsche ein Schreckensort, den man nicht gern aufsucht: die Arbeitsagentur. Doch vielleicht trägt auch die seit den Hartz-Reformen von 2003 geltende Politik des Förderns und Forderns, für welche die Arbeitsagentur Sinnbild geworden ist, dazu bei, dass die Deutschen immer bemüht und beschäftigt wirken. In allen einbezogenen Ländern sahen die Befragten die Deutschen als fleißigste der 27 EU-Nationen an, in Deutschland selbst sehen das 46 Prozent der 1.033 Befragten so. Quelle: dpa
Die Deutschen sind für ihr Handwerk weltbekannt, das als ordentlich, vertrauenswürdig und pünktlich gilt. Das ist sicher ein ideales Zerrbild, hier im Kreis Biberach mit der niedrigsten Arbeitslosenquote in Baden-Württemberg symbolisch in Stein gefasst. Doch offenbar prägt die robuste Lage auf dem deutschen Arbeitsmarkt, die mit Sicherheit auch auf das Konto des produzierenden und baulichen Gewerbes mit seinen relativ stabilen 10,3 Millionen Arbeitsplätzen geht, das deutsche Image im europäischen Ausland. Quelle: dpa
Ebenfalls europäische Musterschüler sind – aus der Sicht der Deutschen – die Schweden. Zwölf Prozent der Befragten nennen die Wahlheimat von Fußball-Arbeitstier Zlatan Ibrahimovic die „am härtesten arbeitende Nation“. Vielleicht liegt der Anschein aber auch in dem Glamour und der Ordnung begründet... Quelle: dpa
...die man einer konstitutionellen Monarchie instinktiv zuordnet. Die Hochzeit von Prinzessin Madeleine und Christopher O'Neill am 8.Juni hat sicher auch eine Menge Arbeit bereitet, in die sich schwedische Angestellte stürzen durften. Quelle: dpa
Kritiker monieren, der Eindruck täusche. Angesichts von mehr und mehr Stellen im Niedriglohnsektor – 2012 nach offiziellen Zahlen 7,5 Millionen Menschen oder knapp 23 Prozent der Erwerbstätigen und damit – herrsche auf dem deutschen Arbeitsmarkt alles andere als eine gute Situation. Laut Statistischem Bundesamt waren 2010 rund 52 Prozent der ausschließlich in einem Minijob Beschäftigten damit unzufrieden, wollten eine volle Stelle. Nicht für alle arbeitswilligen Bürger gibt es die passende Arbeit, doch das trübt offenbar das Bild der Deutschen im Ausland nicht, von Hartz-IV-Schmarotzern spricht dort keiner. Quelle: dpa
Das Bild ist sogar so positiv, dass etliche Personen aus anderen Ländern nach Deutschland zum arbeiten kommen. Etwa diese rumänischen und polnischen Erntehelfer, die Spreewaldgurken sortieren. Die Deutschen bewerten ihre Nachbarn hingegen zurückhaltend. Während Polen in der YouGov-Umfrage noch ziemlich gut abschneidet und gemeinsam mit Großbritannien und den Niederlanden zumindest von zehn Prozent der deutschen Bürger als arbeitsamste Nation angesehen wird, landet Rumänien abgeschlagen auf Platz 13 von 27 bewerteten Ländern. Quelle: dpa

Die meisten Roma in Varna sprechen kein Bulgarisch. Kaum jemand kann lesen und schreiben. Einige der Bewohner sammeln Schrott und verdienen damit ein paar Cent am Tag. Lokale Mafiabanden dagegen verdienen an den Ärmsten der Armen viel. In den Hütten machen Geschichten von Roma, denen Organe entnommen wurden, die Runde. Drogen- und Babyhandel seien üblich, berichten Hilfsorganisationen. Die Hoffnung auf ein besseres Leben in der Heimat haben die meisten längst aufgegeben. Zustände wie in Varna treiben viele in den Westen. „Auswandern nach Deutschland lohnt auf jeden Fall“, sagt der 16-jährige Isis, „das Geld dort ist gut, und es ist schnell verdient.“

Die volle Freizügigkeit für alle Bulgaren und Rumänen wird die EU deshalb in Zukunft vor weit größere Anpassungsprobleme stellen, als dies bisher der Fall war. Wie sehr Deutschland aber bisher von Arbeitskräften aus dem Osten profitiert hat, wird nahe der Grenze deutlich. In Pasewalk zum Beispiel: Straßenschilder auf Deutsch und Polnisch, polnische Ärzte im örtlichen Krankenhaus. Vor zehn Jahren hat die EU-Osterweiterung das Leben in der Region verändert. Seither zogen Tausende Polen nach Vorpommern oder in die Grenzregionen Brandenburgs. Sie füllten leer stehende Plattenbauten als Mieter, kauften Häuser in Schrumpfgemeinden oder machten sich als Kleinunternehmer selbstständig.

„Natürlich gab es da auch eine Sozialneiddebatte“, sagt die Landtagsabgeordnete Beate Schlupp (CDU) aus dem grenznahen Uecker-Randow heute. Gerüchte hätten die Runde gemacht, dass ganze Wohnblöcke nun von Polen bewohnt seien und diese Wohngeld vom deutschen Staat bezögen. Doch vor allem gewinnt die einst abgelegene Gegend: „Ohne Stettin hätten wir keine eigene Kraft zu wachsen“, sagt Schlupp.

Die Grenzgemeinde Löcknitz lässt sogar neue Baugebiete ausweisen – in einer ehedem abgehängten Region. Ein Kindergarten wurde neu gebaut, die Schule erweitert. Jeder zehnte der rund 3000 Einwohner kommt aus dem Nachbarland, etliche arbeiten in Deutschland. Die Älteren auf dem Land sind aus Sicht Schlupps auch für die Neuen. „Sie merken, dass sie jetzt im Dorf nicht mehr die Letzten der Bastion sind, wenn polnische Familien zuziehen.“

Doch die Reibung, die durch das Fremde und durch einsatzfreudige Neulinge entsteht, ruft in Mecklenburg-Vorpommern und anderswo auch immer wieder die rechtsextreme NPD auf den Plan. Leider, sagt Schlupp, verfange diese „undifferenzierte Stimmungsmache“ bei manchen. In einigen Örtchen holt die NPD bei Wahlen deshalb bis zu einem Drittel der Stimmen.

Für die Europawahl ist das alles andere als ein gutes Zeichen.

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