ZwickRoell-Chef „Wir handeln antizyklisch“

Jan Stefan Roell Quelle: Sebastian Arlt für WirtschaftsWoche

Jan Stefan Roell, Vorstandsvorsitzender des Weltmarktführers ZwickRoell aus Ulm, will nach einem Brexit nicht aus Großbritannien fliehen – sondern dort sogar mehr investieren.

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Nach seinem Studium der Elektrotechnik an der Universität München arbeitete Jan Stefan Roell zunächst bei der Unternehmensberatung McKinsey. 1985 wechselte er als Geschäftsführer zu Amsler-Prüfmaschinen. Das Schweizer Unternehmen hatte seine Familie als Inhaber des Prüfmaschinenherstellers Roell + Korthaus aufgekauft. Seit 1992 ist Roell geschäftsführender Gesellschafter von ZwickRoell. Der 64-Jährige ist verheiratet und hat sechs Kinder.

WirtschaftsWoche: Herr Roell, Sie haben unlängst gesagt, Sie gingen davon aus, dass es bei einem Brexit ein ähnliches Handelsabkommen der EU mit den Engländern geben werde wie mit Kanada. Glauben Sie das immer noch – jetzt, wo Boris Johnson Premierminister ist?
Jan Stefan Roell: Ich habe darauf gewettet, dass Großbritannien gar nicht aus der Europäischen Union austreten wird. Vor einigen Wochen waren die Quoten darauf sehr gut. Wenn ich das richtig sehe, bekomme ich, wenn ich richtig liege, meinen Wetteinsatz fünffach zurück.

Warum sind Sie diese Wette eingegangen?
Ich glaube, dass Johnson in seiner Antrittsrede als Premierminister unglaublich überzeichnet hat, als er darüber sprach, was aus dem Vereinigten Königreich wird. Die Menschen wollen letztendlich die finale Entscheidung selbst treffen, zum Beispiel mit einem weiteren Referendum. Dann wette ich darauf, dass das Volk sagen wird: Das ist uns zu unsicher, wir bleiben.

Wie kommen Sie darauf?
Boris Johnson hat seine Antrittsrede mit absurden Argumenten gespickt, die die Brexit-Befürworter auch noch unterstützen. Etwa: Großbritannien wird 2050 das wohlhabendste Land auf diesem Planeten sein, es wird die beste Infrastruktur haben, in der Elektromobilität führend sein und die Kinder werden am gesündesten und längsten leben. Ein Superlativ folgte dem nächsten. Wenn eine deutsche Kanzlerin oder ein deutscher Kanzler eine solche Rede halten würde, würden wir uns hierzulande über den Zustand des Politikers Sorgen machen.

Also wird Großbritannien nicht, wie von Johnson versprochen, erblühen?
Ganz bestimmt nicht. Die englische Volkswirtschaft wird unter dem Brexit leiden, ob mit oder ohne Vertrag. Für die britischen Unternehmen werden die Geschäfte mit ihren wichtigsten Handelspartnern schwieriger. Zudem werden viele Unternehmen ihre Investitionen in andere Länder verlagern.

Würde auch Ihr Unternehmen seine Investitionen in Großbritannien zurückfahren?
Nein, wir handeln antizyklisch. Als Familienunternehmer schaut man nicht auf Quartalsabschlüsse, sondern langfristig in die Zukunft. Meine Mitarbeiter sollen wissen: Wir gehen nicht zurück nach Ulm, sondern identifizieren uns noch mehr mit dem Standort Großbritannien.

Was wäre für Ihr Unternehmen beim Brexit das Worst-Case-Szenario?
Dass der Handel zwischen unseren Ländern deutlich erschwert wird, dass Lieferungen an den Grenzen aufgehalten werden und dass es darauf Zölle gibt. Zudem würde einer unserer Wettbewerber, der in England deutlich mehr produziert als wir, einen größeren Wettbewerbsvorteil haben. Dadurch würde unser hart erarbeiteter Marktanteil schrumpfen.

Der Brexit-Zeitplan

Und wenn es zu einem geordneten Brexit kommt?
Dann wird es ein vernünftiges Handelsabkommen geben. Wer sollte etwas dagegen haben? Was gibt es für ein vernünftiges Argument, warum wir die Briten anders als die Kanadier behandeln sollten? Wir wären ja verrückt, wenn wir uns gegenseitig das Leben schwer machten.

Welche Folgen hätte ein geordneter Brexit für ZwickRoell?
Unsere Produkte stehen politisch nicht so im Fokus wie Autos oder Weizen. Insofern glaube ich nicht, dass es große Auswirkungen gäbe. 

Soll das heißen, Sie haben sich nicht auf den Brexit vorbereitet?
Ganz und gar nicht. Wir haben wie gesagt gerade eine größere Investition in England freigegeben. Wir wollen dort bauen und uns noch mehr mit Großbritannien identifizieren. Also den Briten gegenüber klarmachen: Wir sind und bleiben vor Ort. Ihr seid uns als Kunden wichtig. Außerdem schätzen wir die Zusammenarbeit mit den englischen Ingenieurfakultäten. Auch mit unserer englischen Wirtschaftsprüfungskanzlei haben wir uns intensiv mit möglichen Brexit-Folgen beschäftigt und unsere nächsten Schritte abgestimmt.

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