Zypern Anleger in Angst

Politiker haben ein Tabu gebrochen: Sparguthaben sind nicht länger sicher vor Enteignung. Was das für Anleger bedeutet.

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Bild von Mitarbeitern der Sparkasse vorm Eingang einer Filiale in Trier Quelle: dpa

Die britische Regierung fackelte nicht lange und schickte einen Hubschrauber zu ihren 3000 Soldaten, die auf Zypern stationiert sind: Eine Million Euro in bar ließ sie für ihre Leuten einfliegen – für den Notfall, falls die Geldautomaten auf der Mittelmeerinsel nach der missglückten Rettung des Euro-Mitgliedslandes plötzlich nicht mehr funktionieren sollten.

Zypern steht vor dem Bankrott, nachdem das Parlament das Hilfspaket ablehnte, das die Euro-Gruppe beschlossen hatte. Die Abgeordneten verhinderten damit zunächst, dass die Kunden der zyprischen Banken dem Inselstaat bis zu zehn Prozent ihrer Guthaben über Nacht und ohne Vorwarnung abtreten müssen. Die Euro-Gruppe hatte Hilfsgelder daran geknüpft, dass Zypern 5,8 Milliarden Euro selber eintreibt.

Wie auch immer das Machtspiel um Zypern ausgeht, wie laut Politiker betonen, dass die geplante Enteignung auf Zypern ein Einzelfall sei, wie richtig es wäre, Ausländer, die im Steuerparadies von hohen Zinsen und niedrigen Steuern profitierten nun für das höhere Risiko bluten zu lassen – die Idee, über Nacht mal eben die Konten der Bankkunden zu plündern, schürt Ängste in allen Euro-Ländern, auch in Deutschland. Rund 1,44 Billionen Euro lassen die Bürger hierzulande aktuell zu durchschnittlich 0,55 Prozent Zins auf Tagesgeld- und Girokonten herumgammeln.

Für deutsche Anleger besteht zwar kurzfristig kein Anlass zur Panik, Guthaben bei deutschen Banken dürfte die Bundesregierung in absehbarer Zeit kaum einziehen. Einen kritischen Blick auf seine Geldanlagen sollte aber trotzdem jeder werfen.

Um ganz Euro-Land umzuwerfen, ist Zypern allein zwar zu klein. Die Insel steht nur für 0,2 Prozent der Wirtschaftsleistung in der Euro-Zone. „Selbst wenn Zypern pleitegeht, rechne ich nicht mit einer Kettenreaktion“, sagt Guido Barthels, Fondsmanager bei Ethenea Independent Investors in Luxemburg.

Gefahr aber, das zeigen die massiven Proteste auf Zypern, geht von dem fatalen Signal aus, das Politiker mit der Idee gegeben haben, Sparern Erspartes wegzunehmen. „Die EU hat deutlich signalisiert, dass die Spareinlagen der Bürger nicht länger sicher sind“, sagt Hendrik Leber, Geschäftsführer beim Vermögensverwalter Acatis. Mit der versuchten Enteignung sei der „Brandbeschleuniger“ nun gelegt. Überall, wo es künftig Probleme gebe, zögen Bürger dann ihr Geld ab.

Keine Enteignung bei Aktien?

Zehn Tipps zum Tagesgeldkonto
Sparbuch Quelle: Franjo - Fotolia
Euro-Münzen Quelle: Picture-Factory - Fotolia.com
Frau mit Lupe Quelle: detailblick - Fotolia
Postbank-Filiale Quelle: dapd
ING-Logo Quelle: dpa
mann auf einem Stuhl Quelle: Aramanda - Fotolia.com
Kontoauszug, Kugelschreiber, Taschenrechner, Geld Quelle: Oliver Hoffmann - Fotolia

Da schadet es nicht, bis zu 20 Prozent seines Vermögens in Gold zu tauschen – nicht als Anlage, sondern als Versicherung.

Der weltgrößte Anleihemanager Pimco hat vorsorglich seine Euro-Anlagen reduziert. Manager Saumil Parikh sagte, er betrachte die Entwicklung nicht nur als politischen Fehler. „Man muss vielmehr erkennen, dass der Euro weit davon entfernt ist, eine perfekte Reservewährung zu sein.“ Das System basiere auf dem Vertrauen, „dass das Geld sicher ist, sobald es auf einem Konto liegt“. Und das Vertrauen ist bei vielen Anlegern nun beschädigt.

Aktien sind mobil

Alternativen zur Bank gibt es: Eine Enteignung ließe sich etwa bei Aktien nur schwer begründen. Aktien gehören bei der Pleite einer Bank zum Sondervermögen; sie bleiben im Besitz des Sparers und behalten ihren Wert. Weiterer Pluspunkt: „Aktien sind mobil, ich kann sie im Notfall in andere Länder verlagern“, sagt Vermögensverwalter Leber.

Joachim Paul Schäfer, Geschäftsführer der PSM Vermögensverwaltung, will jedoch mit dem Einstieg in große deutsche Aktienwerte noch warten, bis die Kurse um rund zehn Prozent fallen. Inzwischen ist er in Gold, Japan und in kleinen Teilen in China investiert. Bei rund 7000 Punkten im Dax würde Schäfer aber wieder zugreifen.

Zum Zwischenparken des Geldes eignen sich Anleihen von zahlungskräftigen Unternehmen mit Laufzeiten von bis zu drei Jahren, etwa Euro-Anleihen des Schweizer Nahrungsmittelkonzerns Nestlé oder von Coca-Cola. „Wir parken das Geld, bis wir bessere Renditechancen sehen“, sagt PSM-Geschäftsführer Schäfer.

Eine Alternative zur Bank bietet der Bund mit seinen Papieren. Real (nach Abzug der Inflation) sind die Zinsen von Kurzläufern zwar negativ. In Krisenzeiten aber, das hat Zypern bestätigt, kaufen Großanleger massenhaft Bundespapiere. Sie parken das Geld dort, weil der Markt einer der liquidesten der Welt ist – Anleger können Papiere jederzeit handeln. Und natürlich, um es vor möglichen Bankpleiten zu schützen. „In der Kette der Dominosteine ist der Bund der letzte in der Euro-Zone, der kippt“, sagt Vermögensverwalter Leber.

Für kurzfristig orientierte Anleger haben Anleihen allerdings einen Nachteil im Vergleich zu Bankguthaben: Sie haben einen Börsenkurs, und der schwankt. Erst zum Ende der Laufzeit einer Anleihe nähert sich der Kurs wieder dem Ausgabepreis von 100 Prozent an. Anleger sollten daher eine eiserne Cash-Reserve bei der Bank halten, um nicht in die Bredouille zu kommen.

Absurde Einlagensicherung

Sparer würden für mehr Sicherheit bezahlen
Deutschland ist eine Nation der Sparer. Wie wichtig den Deutschen die Sicherheit ihres Ersparten ist, zeigt eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstitut Forsa, welche die Business-Softwarefirma SAS in Auftrag gegeben hat. Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass 84 Prozent der deutschen Bankkunden von ihrer Bank verlangen mit ihrem Geld vorsichtig umzugehen. Sie wären sogar bereit dafür bei kurzfristigen Geldanlagen niedrigere Zinsen hinzunehmen. Quelle: dpa
28 Prozent der befragten Bankkunden mit einer höheren Risikoaversion wären mit einem um 0,4 Prozent niedrigeren Zins einverstanden, wenn dadurch ihre Bank mehr Wert auf die Sicherheit ihres Geldes legen würde. 20 Prozent würden 0,6 Prozent weniger Zinsen hinnehmen und immerhin 17 Prozent würden sogar auf ein Prozent Rendite verzichten. Quelle: ZB
Viele Bürger bemängeln zudem, dass seit der Bankenkrise 2008/2009, die unter anderem durch die Pleite der Traditionsbank Lehman Brothers ausgelöst wurde, die Banken kaum etwas an ihrer Geschäftspolitik geändert haben. SAS beziffert die Zahl auf 67 Prozent. Der Protest zeigte sich im vergangen Jahr vor allem in der Occupy-Bewegung. Monatelang harrten in Deutschland die Protestler in Zelten vor der Europäischen Zentralbank aus. Die Umfrage ergab, dass sich 70 Prozent der Bürger vom Staat eine stärkere Regulierung im Bankensektor wünschen. Quelle: dapd
Ein anderes Bild ergab sich bei den unter 30-jährigen. Dort fiel die Zustimmung für eine Bankenregulierung deutlich niedriger aus. Quelle: dpa
Lange galten Transparenz und Risikoeindämmung als unprofitabel. Die Studie könnte diese Ansicht ändern. Denn die deutschen Sparer erwarten nicht nur moderne Systeme für die Risikostreuung, sie sind sogar bereit, diese mitzufinanzieren. Für die Geldhäuser könnte das sogar ein Anreiz sein, ihr Geschäft darauf auszurichten. Die Geldhäuser, die jetzt ihr Risikomanagement und ihre Transparenz verbessern und dies auch glaubwürdig gegenüber den Sparern kommunizieren, könnten daraus langfristig Vorteile im Privatkundengeschäft ziehen. Quelle: dpa
Auf die Frage, ob die Bürger eher den Sparkassen beziehungsweise den Volks- und Raiffeisenbaken oder den privaten Finanzinstituten vertrauen, antworteten 80 Prozent, dass sie eher bei Ersteren ihr Geld anlegen würden. Nur 14 Prozent hielten die Privatbanken für vertrauenswürdig. Allerdings zeigt die Studie auch, dass die gesamte Branche an einem zweifelhaften Image leidet. So waren 47 Prozent der Befragten der Ansicht, dass sich die Banken insgesamt ihren Kunden gegenüber nicht verantwortungsvoll verhalten würden. Quelle: REUTERS
94 Prozent der befragten Bürger fordern von den Banken ein risikoarmes Wirtschaften und Sicherheiten vor Wertverlust. "Die Forsa-Umfrage ist ein klarer Appell an die Banken, sich mit den Themen Risikosteuerung und Transparenz auseinanderzusetzen", erklärt Mona Beck, Director Financial Industries bei SAS Deutschland. "Die Bankkunden haben die Krise und ihre Auswirkungen nicht vergessen - und sie wollen Gewissheit darüber, dass ihre Spareinlagen bei ihrer Bank gut aufgehoben sind. Gleichzeitig ist ihnen bewusst, dass sie die Kosten dafür zumindest teilweise selbst übernehmen müssen. Für die Banken ist das eine große Chance." Quelle: dpa

Wie brisant das Thema Sparguthaben ist, zeigte Kanzlerin Angela Merkel am vergangenen Montag. Da ließ sie über ihren Sprecher eilig verkünden, dass die Garantie für Spareinlagen in Deutschland Bestand habe. Fest steht aber, dass Zypern kein Einzelfall bleiben muss: Jeder Staat kann im Notfall auf Guthaben einfach und schnell zugreifen – per Sonderabgabe oder Steuer.

Die zehn größten Euro-Lügen
Ex-EZB-Chef Jean-Claude Trichet Quelle: dpa
Wolfgang Schäuble Quelle: dpa
Giorgios Papandreou Quelle: dpa
Wolfgang Schäuble Quelle: dapd
Chef der Eurogruppe Jean-Claude Juncker Quelle: dapd
Angela Merkel mit Draghi Quelle: dapd
Mariano Rajoy Quelle: REUTERS

Ein schlagendes Argument wähnten die Euro-Retter bei der geplanten Teilenteignung der zyprischen Sparer auf ihrer Seite: Werden die Banken des Landes nicht gerettet, taumeln sie in die Pleite, und Sparer verlieren ihre gesamten Einlagen. Bei einer Pleite aber hätte die Einlagensicherung greifen müssen – theoretisch. In der Praxis, das zeigt Zypern, gibt es die Einlagensicherung im Extremfall wohl nur auf dem Papier. Gehen ein Staat und die Banken des Landes pleite – wer soll dann noch haften?

von Tim Rahmann, Andreas Toller, Kerstin Dämon

Davon ist Deutschland weit entfernt. Hier soll die gesetzliche Einlagensicherung Kunden garantieren, dass Einlagen beim Bankrott einer Bank bis zu einem Betrag von 100 000 Euro geschützt sind – je Kunde, je Bank. Darüber hinaus bieten Banken höhere Absicherung über einen Fonds der Branche.

Der allerdings wäre bei der Pleite einer Großbank überfordert. Auf massenhafte Pleiten sind die freiwilligen Einlagensicherungssysteme aller Banken nicht ausgelegt, auch nicht die der Sparkassen oder Genossenschaftsbanken, die im Verbund untereinander haften. Für Bankkunden bleibt nur ein Rettungsanker: Cash auf mehrere Banken und Systeme verteilen.

Auf einen Merkel-Helikopter mit Geld sollten Sparer jedenfalls nicht hoffen.

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