Das Orakel von Brüssel hat gesprochen. Olli Rehn, das ökonomische Superhirn der Europäischen Union, lehnt einen Schuldenschnitt für Zypern ab. Weil aber meist das Gegenteil von dem passiert, was Rehn fordert, dann ist der Haircut wohl beschlossene Sache. Dazu passt die Herabstufung Zyperns durch Moody´s von B3 auf Caa3 wegen der zunehmenden Gefahr eines Staatsbankrotts. Die Ratingagentur verweist auf die zunehmende Verschuldung des Landes durch die notwendige Rekapitalisierung des Bankensystems.
Kaum zu glauben: Zypern ist ein noch schlimmerer Fall als Griechenland. Einem Bruttoinlandsprodukt von 18 Milliarden Euro steht ein bankrottes Bankensystem mit einer Bilanzsumme von 150 Milliarden Euro gegenüber. Zehn Milliarden Euro sollen nun helfen, die Banken vor dem Kollaps zu retten. Der Rettungsversuch ist brisant. Laut einem Bericht des Bundesnachrichtendienstes (BND) sind im zypriotischen Bankensystem nämlich 26 Milliarden Euro an russischen Schwarzgeldern untergebracht.
Das meiste davon wurde dummerweise in griechischen Staatsanleihen und mit Immobilienspekulationen versenkt. Deshalb stand Zypern bereits 2011 am Rande der Pleite. Abgewendet wurde der Bankrott damals durch 2,5 Milliarden Euro aus russischen Quellen.
Seit Juni 2012 wird nun über einen ausgewachsenen Bail-out mit EU-Geldern verhandelt. Ingesamt geht es um gut 17 Milliarden Euro, das meiste davon reserviert für die Banken und deren werte Kundschaft. „Lupenreine Bankiers“ deutscher Geldhäuser kommentierten dieses Vorhaben übrigens positiv. Zweifelhaft nur, ob dieser Betrag überhaupt reicht. Bis 2014 rechnen Analysten mit einem Anstieg der offiziell ausgewiesenen Gesamtverschuldung Zyperns auf 120 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung. Noch vor zwei Jahren lag die Schuldenquote bei 61 Prozent.
Russlands größter ausländischer Investor
Der Beitritt in die EU (2004) und anschließend in die Eurozone (2008) löste in Zypern einen Boom bei Finanz- und Bankdienstleistungen aus. Aus diesem Bereich kommen inzwischen rund 70 Prozent der Wirtschaftsleistung des Landes. Banken sind nicht alles, aber ohne Banken ist Zypern nichts. Die jüngste Entscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB), griechische Staatsanleihen wieder als Sicherheit für billige Zentralbankgeldkredite zu akzeptieren, dürfte in Zypern gewiss mit großer Erleichterung aufgenommen worden sein.
Ob die Hilfsgelder, wenn sie bewilligt werden, dann auch im zypriotischen Bankensystem bleiben, ist natürlich eine andere Sache. Die Ruhe trügt. Ähnlich wie in Griechenland wird die kommunistische Regierung in Zypern noch oft an die europäische Solidarität appellieren müssen.
Für Zypern gibt es keine Alternative. Ob man das nach dem BND-Bericht in Berlin und Washington auch so sieht?
Der hauptsächlich von Washington gesponsorte Internationale Währungsfonds (IWF) hatte im Dezember einen Schuldenschnitt für Zypern gefordert. Möglicherweise legen auch die russischen Oligarchen noch einmal eine Schippe drauf. Zypern hat nämlich noch ganz andere Superlative zu bieten. Das Land ist zum Beispiel der größte ausländische Investor in Russland. Nicht schlecht für einen EU-Zwerg mit nicht einmal einer Million Einwohner.
Möglich gemacht haben das die zehnprozentige Körperschaftssteuer und mehr als 40.000 oft über russische Tochtergesellschaften operierenden Briefkastenfirmen. Der Brückenkopf in der EU ist zu wichtig für den russischen Geldadel, als dass er diesen so einfach aufgibt.
Man darf also gespannt sein, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel diesen Bail-out durch den Bundestag bekommen will und ob sich ein Bail-out russischer Oligarchen mit den vom Bundesverfassungsgericht aufgezeigten Grenzen der Euro-Rettungspolitik verträgt.