Flugsicherheit Niederlande prescht in EU mit Körperscanner-Einsatz vor

Fünf Tage nach dem versuchten Anschlag auf ein US-Flugzeug dauert die Diskussion um weitere Sicherheitsmaßnahmen im Flugverkehr an. Die Bundesregierung sprach sich grundsätzlich für die Einführung von Körperscannern bei der Fluggast-Kontrolle aus. Die Niederlande und Nigeria kündigten an, künftig Körperscanner einzusetzen.

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Quelle: handelsblatt.com

HB DEN HAAG/BRÜSSEL. Als erstes Land Europas haben die Niederlande die rasche Einführung von Körperscannern zur routinemäßigen Kontrolle von Flugpassagieren beschlossen. Spätestens in drei Wochen müssen auf dem internationalen Flughafen Schiphol bei Amsterdam sämtliche Passagiere, die in die USA fliegen wollen, durch einen der sogenannten Nacktscanner gehen, wie Innenministerin Guusje ter Horst am Mittwoch ankündigte. Weitere Airports und Flugziele sollen folgen. Dadurch werde die Sicherheit an Bord "entscheidend verbessert". Die EU-Kommission plant vorerst keinen neuen Vorstoß zur europaweiten Einführung der Scanner. So wie die derzeit in Deutschland getesteten Geräte arbeiten auch die in Schiphol einegsetzten Scanner auf der Basis von Terahertz- oder Millimeterhertz-Wellen.

Die nigerianische Luftverkehrsbehörde kündigte als Reaktion auf den versuchten Sprengstoffanschlag von Detroit ebenfalls die Anschaffung von Körperscannern zur Kontrolle von Flugpassagieren an. Er hoffe, dass die Geräte schon Anfang des neuen Jahres installiert werden könnten, sagte der Leiter der Behörde, Harold Demuren.

Die niederländische Innenministerin trat bei einer Pressekonferenz in Den Haag dem Vorwurf entgegen, die Körperscanner würden Persönlichkeitsrechte und die Intimsphäre von Reisenden beeinträchtigen, indem sie "durchleuchtete Menschen nackt zur Schau stellen". Alle auf Schiphol eingesetzten Scanner würden so eingerichtet sein, dass die "Nacktbilder" in aller Regel allein von Computern analysiert und nicht von Sicherheitsbeamten angesehen werden. Bei Hinweisen auf am Körper versteckte gefährliche Gegenstände oder Materialien gebe der Computer ein Warnsignal, woraufhin der betreffende Reisende mit den bislang schon in Zweifelsfällen angewandten Methoden der Leibesvisitation kontrolliert werde, erläuterte Ter Horst.

Die Entscheidung sei in Abstimmung mit den USA als Reaktion auf den Versuch des Attentäters getroffen worden, der am 25. Dezember ein in Amsterdam gestartetes US-Passagierflugzeug beim Landeanflug auf Detroit sprengen wollte. Der aus Nigeria stammende Umar Farouk Abdulmutallab war am ersten Weihnachtstag mit einer Maschine der niederländischen Gesellschaft KLM von Lagos nach Amsterdam geflogen und dort im Transitbereich des Airports in eine Maschine der Gesellschaft Delta/Northwest umgestiegen.

Ter Horst sagte, der am Körper des Flugzeugbombers befestigte Plastiksprengstoff wäre mit großer Wahrscheinlichkeit in einem Körperscanner entdeckt worden. Sie verwies auf seit mehreren Monaten laufende Tests mit verschiedenen Scangeräten auf Schiphol.

Dort war Abdulmutallab durch Metalldetektoren gegangen, ohne dass der Sprengstoff, der in seiner Unterwäsche versteckt war, entdeckt wurde. Damit solche Sicherheitslücken künftig geschlossen werden können, sollten sämtliche Airportkontrollen auf Körperscanner umgestellt werden, erklärte Justizminister Ernst Hirsch Ballin. Er hatte die Scanner-Kontrollen bei US-Flügen am Vortag mit US- Heimatschutzministerin Janet Napolitano abgestimmt.

Hirsch Ballin forderte zugleich die EU auf, Kontrollen mit Körperscannern europaweit zur Pflicht zu machen. Ein Sprecher der EU- Kommission in Brüssel sagte hingegen, für den Einsatz von Körperscannern auf Flughäfen sei keine EU-Richtlinie nötig. "Das können die Mitgliedstaaten völlig selbstständig entscheiden", stellte er klar.

Die EU-Kommission habe ihren Vorschlag vom Oktober 2008, die Scanner zur Passagierkontrolle in allen Mitgliedstaaten einzuführen, wegen massiver Ablehnung im Europaparlament wieder zurückgezogen. Dies bedeute jedoch nicht, dass Körperscanner nicht von einzelnen Mitgliedstaaten eingeführt werden könnten. Derzeit plane die Kommission keinen erneuten Vorschlag zur EU-weiten Einführung der Scanner. "Aber wir hören immer sehr genau auf das, was die Mitgliedstaaten wünschen."

Die meisten niederländischen Parteien stimmten dem Einsatz der Körperscanner zu. Viele Abgeordnete erklärten, die Sicherheit von Flugreisenden müsse im Zweifelsfall Vorrang vor Bedenken über die Verletzung der Privatsphäre haben. Allerdings müssten tatsächlich eindeutige Bestimmungen erlassen werden, wie mit den gescannten "Nacktbildern" umzugehen ist und wer die Aufnahmen in Ausnahmefällen ansehen darf, forderte die oppositionelle liberale Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD).

In Deutschland sprach sich die Bundesregierung grundsätzlich für die Einführung von Körperscannern bei der Fluggast-Kontrolle aus. Sowohl Innenminister Thomas de Maizière (CDU) als auch Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) nannten aber als Bedingungen, dass die Persönlichkeitsrechte der Passagiere gewahrt blieben und die Geräte gesundheitlich unbedenklich sein müssten.

Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Dieter Wiefelspütz, bezeichnete es als unsinnig, nur über die Einführung von Körperscannern zu diskutieren. Technik spiele eine große Rolle bei der Qualität der Kontrollen, sagte Wiefelspütz im Deutschlandfunk. Sicherheitslücken müssten auch an anderer Stelle geschlossen werden. So hätten die US-Behörden beim aktuellen Anschlagsversuch versagt und einen konkreten Verdachtsfall übersehen, kritisierte Wiefelspütz.

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