Karrierebremse Computer machen Schüler dumm

Konzentrationsschwächen und schlechte Schulleistungen: Computer machen dumm, stellen Bildungsökonomen fest, und sind damit eine eklatante Karrierebremse für Jugendliche. Denn die Geräte lenken die Kinder ab statt deren Produktivität zu erhöhen.

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Bildungsökonomen stellten fest, dass Computer schlecht für die Schulnoten von Kindern sind. Quelle: Lutz Widmaier

KÖLN. Wer richtig Karriere machen will, sollte mindestens zehn Stunden am Tag am Computer spielen. Und in Südkorea wohnen. Dort sind professionelle Computerspieler bekannt wie Popstars und verdienen auch so. Der Star der Branche, Ma Jae-Yoon, hat sich bereits zum Millionär gespielt.

Für die meisten Jugendlichen auf der Welt aber ist der Computer eine harte Karrierebremse - das stellen Ökonomen und Bildungsforscher immer wieder fest. Egal, ob der PC zu Hause oder in der Schule steht: Fast immer führen die Rechner zu schlechteren Noten und weniger Chancen auf dem Arbeitsmarkt.

Das musste vor kurzem auch die rumänische Regierung erfahren. Sie wollte mit einem groß angelegten Programm die Bildung von Kindern aus Familien mit niedrigem Einkommen verbessern und schenkte den Eltern einen 200- Euro-Gutschein für einen Computerkauf. Das Programm war jedoch ein ziemlicher Fehlschlag, fanden Ofer Malamud von der Universität Chicago und Cristian Pop-Eleches von der New Yorker Columbia-Universität heraus.

Sie befragten mehr als 3 000 Familien, die an dem Programm teilgenommen hatten, und stellten fest: Ein Jahr nach dem Computerkauf hatten sich die Schulnoten der Kinder in Mathematik, Englisch und Rumänisch deutlich verschlechtert.

Die Ergebnisse von Malamud und Pop-Eleches fügen sich ein in eine ganze Reihe von Studien, die den Verfechtern des digitalen Lernens nicht gefallen dürften. 2004 analysierten die Bildungsökonomen Thomas Fuchs und Ludger Wößmann die Daten aus dem europaweiten Pisa-Bildungstest und kamen zu dem Schluss: Schüler, die viel Zeit am Computer verbringen, schneiden bei Pisa schlechter ab.

Ähnliches hatte zwei Jahre zuvor schon eine Studie aus Israel gezeigt. Schüler, deren Schulen mit Computern ausgestattet wurden, konnten schlechter rechnen als solche aus Computer-freien Schulen, stellten Forscher fest.

All diese Studien stellen die ökonomische Mehrheitsmeinung zum technischen Fortschritt infrage. Traditionell sind Volkswirte überzeugt, dass technologische Neuerungen die Produktivität der Arbeitskräfte erhöhen. Zum Beispiel auch, indem sie die Ausbildung erleichtern und verbessern. Computer stellen einen der größten technischen Fortschritte der vergangenen Jahrzehnte dar.

Doch statt die Produktivität der zukünftigen Arbeitskräfte zu erhöhen, lenken sie diese offenbar eher vom Lernen ab. Die rumänischen Schulkinder erzählten den Forschern, dass sie ihren staatlich subventionierten PC hauptsächlich zum Spielen benutzten. Die Zeit, die sie mit Computerspielen verbrachten, zogen sie von ihrer Hausaufgaben-Zeit ab. Zudem lasen Kinder mit Computern weniger Bücher. "Diese beiden Effekte haben ernste Konsequenzen für die Schulleistung", schreiben Malamud und Pop-Eleches.

Offenbar schaden vor allem aufwendige grafische Computerspiele direkt der Konzentrationsfähigkeit von Schülern, fanden Psychologen vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen in einem Experiment heraus. Sie ließen Jugendliche Computerspiele spielen und anschließend mehrere Mathematikaufgaben lösen. Eine andere Gruppe spielte stattdessen eine Runde Tischfußball. Das Ergebnis: Die Computerspieler machten bei den Matheaufgaben deutlich mehr Fehler als die Kickerspieler.

Vor allem die Kinder, die ein gewalttätiges Ego-Shooter-Spiel gespielt hatten, schnitten schlecht ab. Sie erreichten nur 77 Prozent der Leistung der Kickerspieler. In einem Ego-Shooter läuft der Spieler mit einer Waffe in der Hand durch eine virtuelle Welt und erschießt reihenweise Gegner.

Die Psychologen vermuten, dass das Gehirn durch Computerspiele wie Ego-Shooter darauf programmiert wird, schnell auf visuelle Reize zu reagieren. Das führe dazu, dass sich Schüler leichter ablenken lassen und sich schlechter konzentrieren können. "Außerdem ist Gewalt ein emotionsbeladener Inhalt, der Lernstoff im Gehirn verdrängen könnte", sagt Thomas Mößle, Psychologe am Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen. Bewiesen ist das noch nicht, doch Erkenntnisse aus der Werbeforschung deuten laut Mößle auf eine derartige Wirkung hin. Dort habe man mit Experimenten gezeigt, dass Werbebotschaften in Action-Filmen mit vielen Gewaltszenen deutlich weniger wahrgenommen würden als in gewaltfreien Filmen.

Aber müssen Kinder den Umgang mit Computern nicht frühzeitig lernen, weil sie später im Arbeitsleben auf die Geräte angewiesen sind? Eine Studie der niederländischen Ökonomen Lex Borghans und Bas ter Weel stellt auch dieses Argument infrage. "Computerwissen", wie es die Forscher nennen, zahlt sich auf dem Arbeitsmarkt nicht aus. Borghans und ter Weel haben untersucht, mit welchen Lerninhalten sich später Geld verdienen lässt. Ihr Befund: Computerkenntnisse haben keinen messbaren Einfluss auf die Bezahlung. Computerunterricht in der Schule sei daher unnötig. Die PC-Kenntnisse, die ein normaler Arbeitnehmer für seinen Job braucht, würden Kinder heutzutage quasi nebenbei lernen.

Besonders lohnend seien hingegen Mathematik-Kenntnisse und die Fähigkeit, lange Texte schreiben zu können. Beides erhöhe den zukünftigen Lohn deutlich - genau die Fähigkeiten, die bei den rumänischen Schulkindern durch Computernutzung schlechter wurden.

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