Körperscanner Koalition und Opposition uneins

Nach dem vereitelten Anschlag auf ein US-Flugzeug wächst bei Union und FDP die Bereitschaft, an deutschen Flughäfen Körperscanner zur Passagierkontrolle zuzulassen. Grüne und Linke lehnen sie dagegen strikt ab. Auch ein Strahlenschutzexperte sieht die Scanner aus gesundheitlichen Gründen skeptisch.

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Körperscanner an einem niederländischen Flughafen. Union und FDP zeigen sich offen für diese Flugsicherheitsmaßnahme. Quelle: dpa Quelle: handelsblatt.com

HB BERLIN/FRANKFURT/HAMBURG. Voraussetzung sei aber, dass die Intimsphäre der Fluggäste gewahrt bleibe, erklärten Vertreter der Regierungsparteien und verwiesen auf Fortschritte bei den laufenden Tests mit den Geräten. Grüne und Linke lehnten den Einsatz von Scannern als Verstoß gegen die Menschenwürde strikt ab.

Auch der Vorsitzende der Strahlenschutzkommission, Professor Rolf Michel, sprach sich gegen den Einsatz entsprechender Scanner aus. Michel sagte dem Radiosender hr-Info am Dienstag, bei einer einzelnen Kontrolle seien Menschen zwar nur einer sehr geringen Menge von Röntgenstrahlen ausgesetzt. Das Risiko steige aber mit jeder Kontrolle. Langfristig könne Röntgenstrahlung Krebs und Leukämie erzeugen.

Die mögliche Gefahr für Vielflieger und Menschen, die häufiger gescannt würden, dürfe nicht vernachlässigt werden, meinte der Experte. Aus diesem Grund hielten die Strahlenschutzkommission und das Bundesumweltministerium den Einsatz von Röntgen-Scannern für nicht gerechtfertigt. Nach Informationen des Senders werden derzeit verschiedene Typen sogenannter Nacktscanner getestet. Darunter seien auch Apparate, die mit Röntgentechnik arbeiten.

Auch Nacktscanner, die mit sogenannter Terahertz-Strahlung arbeiten, hält Michel nicht für völlig unbedenklich. "Da haben wir bisher nur marginale Hinweise, dass sie gefährlich werden könnten. Das Problem ist allerdings für uns, dass noch nicht genug Informationen zu dem Thema vorliegen", sagte Michel in hr-Info. Es werde intensiv geforscht, ob Nebenwirkungen zu befürchten sind.

Am Freitag hatte ein 23-jähriger Nigerianer versucht, ein Flugzeug aus Amsterdam kurz vor der Landung in Detroit (USA) zum Absturz zu bringen. Eine Untergruppe des Terrornetzes El Kaida im Jemen übernahm die Verantwortung und drohte weitere Anschläge gegen US-Ziele an. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sagte laut Mitteilung: "Die Bundesregierung nimmt den Anschlagversuch in den USA sehr ernst." Es gebe aber keinen Anlass für unnötige Panik. Der Minister bat die Fluggäste um Verständnis für die intensiveren Kontrollen und riet ihnen, möglichst wenig Handgepäck mitzunehmen.

Am Montag war im Internet ein Bekennerschreiben des im Jemen ansässigen Regionalzweiges der Organisation "El Kaida auf der arabischen Halbinsel" aufgetaucht. De Maizière sagte, deutsche Sicherheitsbehörden stuften das Schreiben als authentisch ein.

Nach Ansicht von Experten wäre der Detroit-Attentäter mit einem Körperscanner wohl erwischt worden. Jedoch böten auch die neuartigen Ganzkörperscanner keine hundertprozentige Sicherheitsgarantie, erklärte der Betriebsdirektor des Amsterdamer Airports Schiphol, Ad Rutten, nach Angaben der Zeitung "de Volkskrant" vom Dienstag. Die EU-Kommission wollte die Geräte generell für die Flugsicherheit zulassen. Wegen des Widerstands im Europaparlament wurde das Vorhaben aber Ende Oktober 2008 zurückgezogen.

Die Bundespolizei testet verschiedene Prototypen von Körperscannern seit einem Jahr unter Ausschluss der Öffentlichkeit in Lübeck. Eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums sagte, es gebe nun eine Software, die ein Oberflächenbild erzeuge, ohne intime Details zu zeigen. Jedoch reichten die Sprengstofferkennung der Geräte und die Geschwindigkeit ihrer Kontrollen noch nicht aus. Man sei aber zuversichtlich, 2010 erste Ergebnisse präsentieren zu können.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Jörg van Essen, sagte am Dienstag im Westdeutschen Rundfunk (WDR), wenn die Eingriffe in die Intimsphäre der Fluggäste erheblich minimiert würden, seien die Geräte für den einzelnen Bürger sogar von Vorteil. "Wenn man technisch durchsucht wird, etwa auf Sprengstoff, ist das immer angenehmer, als wenn man von anderen Personen angefasst wird", meinte er. Die FDP-Fraktionsvorsitzende Birgit Homburger sagte dem "Hamburger Abendblatt" (Mittwoch), die FDP sei gegen die erste Generation der Scanner gewesen, weil sie die Intimsphäre verletzt hätten. Inzwischen gebe es neue Entwicklungen.

Auch der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), hatte sich für den Einsatz der Scanner an Flughäfen ausgesprochen. Die Grünen und die Linkspartei lehnen die Geräte weiter ab. "Nacktscanner verletzen die intimste Privatsphäre und damit die Menschenwürde von Passagieren", sagte die Grünen - Vorsitzende Claudia Roth der "Leipziger Volkszeitung". "Der Staat kann nicht Menschen komplett durchleuchten und gleichzeitig ihre Persönlichkeitsrechte wahren." Auch der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, äußerte sich in der Zeitung "Die Welt" skeptisch.

Das Bundesforschungsministerium teilte mit, dass es 95 Projekte zum Entdecken von Gefahrenstoffen, darunter auch Sprengstoff, fördere. Ziel sei es, Gefahrstoffe präzise zu erkennen, den Menschen aber nur schematisch darzustellen. Mit ersten Ergebnissen werde Mitte kommenden Jahres gerechnet.

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