70 Jahre Währungsreform Der fatale Trugschluss der D-Mark-Nostalgiker

Die Deutsche Mark wurde vor 70 Jahren eingeführt und vor 16 Jahren durch den Euro ersetzt. Viele sehen sich bis heute nach ihr

Heute vor 70 Jahren wurde die Deutsche Mark eingeführt. Noch immer gilt sie vielen als Sehnsuchtswährung – stark, sicher, unabhängig. Dabei stünde Deutschland mit der D-Mark deutlich schlechter da.

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Manchmal kann einem der Euro fast leidtun, zumindest in Deutschland. Obwohl sie als große Profiteure der Gemeinschaftswährung gelten, wollen die Deutschen mit ihr nicht so recht warmwerden. Fast jeder zweite Bundesbürger sieht den Euro laut einer Umfrage der GfK kritisch. Ebenfalls knapp 50 Prozent rechnen Euro-Beträge nach wie vor in D-Mark um. Und, die stärkste der drei Zahlen, etwa 40 Prozent der Deutschen wünschen sich die Deutsche Mark zurück.

Die Mark ist für viele weit mehr als eine ausrangierte Währung, die am 21. Juni vor genau 70 Jahren eingeführt wurde. Sie ist eine Legende, ein Sehnsuchtsort aus einer besseren, überschaubareren Zeit. Sie steht für den Neuanfang nach dem Zweiten Weltkrieg, für den deutschen Wiederaufbau, das Wirtschaftswunder. Die Mark steht für Stabilität und Sicherheit. In einer Zeit, in der die Europäische Zentralbank die Märkte mit Geld überflutet, die Schuldenkrise im Süden des Kontinents sich nicht abschütteln lässt und nun auch noch ein internationaler Handelskrieg droht, klingt das verlockend.

Gäbe es heute Mark statt Euro, so die unausgesprochene Hoffnung, dann wäre auch Deutschlands Position in der Welt wieder stärker und sicherer. Das Problem ist nur, dass das ein Trugschluss ist. Mit der D-Mark würde Deutschland sich nicht stärken, sondern im Gegenteil wahrscheinlich sogar in eine handfeste Wirtschaftskrise rutschen. Das ist nicht die steile These eines Journalisten, sondern das Resultat ausführlicher Studien eines Experten.

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Ansgar Belke lehrt als Professor an der Universität Duisburg-Essen über Makroökonomik und Geld- und Währungstheorie und gibt mehrere Finanz-Fachzeitschriften heraus. Eine seiner eigenen Publikationen hat ihm voriges Jahr eine Einladung ins italienische Parlament eingetragen. Das Thema des Papiers: Was würde passieren, wenn die Eurozone zerbricht? Belkes Antwort: Nichts Gutes, selbst für das vergleichsweise stark aufgestellte Deutschland. Sein Kollege Thomas Lux, Inhaber des Lehrstuhls für Geld, Währung und internationale Finanzmärkte an der Universität Kiel, sieht das ganz ähnlich: „Würde die D-Mark wieder eingeführt, kann man sich die kurzfristigen wirtschaftlichen Verwerfungen kaum dramatisch genug vorstellen.“

Ein grundsätzliches Problem liegt ausgerechnet in der erhofften Stärke der D-Mark. Wenn Deutschland aus der Eurozone austräte und die Mark wieder einführte, würde diese binnen kürzester Zeit aufwerten. Anleger würden ihr Geld aus der nunmehr geschwächten Eurozone abziehen und ins starke Deutschland bringen. Belkes Kollege Gustav Horn von der Hans-Böckler-Stiftung geht von einer Aufwertung von mindestens 30 bis 50 Prozent aus. Das würde die Importe günstiger machen, hätte jedoch für die Exporte dramatische Konsequenzen.

Schon als der Euro Anfang des Jahres gegenüber dem US-Dollar aufwertete, mussten manche Unternehmen ihre Umsatzprognose senken. Gäbe es eine Aufwertung nicht nur um fünf, sondern tatsächlich um 50 Prozent, wären deutsche Unternehmen im Ausland nicht mehr konkurrenzfähig.

Der Effekt würde diesmal nicht nur den Handel in Dollar betreffen, sondern auch andere Währungen. Die Unternehmen müssten ihre Geschäftsmodelle umstellen und in der Übergangszeit wohl Zigtausende Menschen entlassen, vielleicht auch dauerhaft, sollten sie ihre Produktionsstätten ins nun deutlich günstigere Ausland verlagern. Hinzu kämen technischere Probleme wie die Neubewertung von Unternehmens-Assets oder Wertberichtigungen und Abschreibungen, die angesichts der neuen Währung angepasst werden müssten.

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Und die Probleme gingen noch weit darüber hinaus, wie Belke skizziert. Da gibt es zum Beispiel die Forderungen der deutschen Bundesbank im sogenannten Target2-System. Wie unlängst bekannt wurde, ist der Target-Saldo der Bundesbank auf knapp eine Billion Euro angestiegen, genauer: auf 956.000.000.000 Euro. So viel Geld schulden die Notenbanken anderer europäischer Länder der Bundesrepublik. Star-Ökonom Hans-Werner Sinn spricht deshalb von einer „Kapitalflucht nach Deutschland“, die sich durch die Unruhen in Italien verschärft habe.

Das Problem: Tritt Deutschland aus der Währungsunion aus, kann es rein formal keine Forderungen gegenüber den alten Partnern geltend machen. Es würde dann allein vom Verhandlungsgeschick abhängen, ob und wie viel der ausstehenden Billion jemals ihren Weg nach Deutschland findet. Hinzu kommen die Hilfskredite für Krisenstaaten wie Griechenland oder Italien, die Deutschland zu mehr als einem Viertel garantiert. Belke hält es für mehr als fraglich, dass Deutschland dieses Geld jemals wiedersehen würde. Schließlich wäre die Eurozone ohne Deutschland empfindlich geschwächt, eine „Rumpf-Eurozone“, die für ausländisches Kapital kaum noch attraktiv wäre. Die ohnehin noch immer angeschlagenen Krisenstaaten könnten in Finanzierungsschwierigkeiten kommen – und ihre Schulden nicht begleichen können. „Garantien sind da im Zweifel nicht viel wert“, sagt Belke.

Hinzu kommt: Würde die neue Mark tatsächlich um 50 Prozent aufwerten, würde der Schuldenberg der anderen Länder auf das anderthalbfache seiner Größe anwachsen – und wäre umso schwieriger zu begleichen, müsste er in Mark zurückgezahlt werden. Würde hingegen in Euro gezahlt, würde Deutschland automatisch zwei Drittel seiner Forderungen einbüßen.

Würde die D-Mark wieder eingeführt, wäre eine Finanzkrise in Deutschland nicht auszuschließen, gepaart mit einem massiven Wirtschaftseinbruch“, warnt Belke. Ohnehin sei gerade ein denkbar schlechter Augenblick, einen solchen Schritt zu gehen. Belke beruft sich auf die sogenannte Optionstheorie, die sich eigentlich mit dem Kauf und Verkauf von Aktien beschäftigt. Demnach tue Deutschland gut daran, gerade in Zeiten globaler Unsicherheit nicht aus dem Euro auszusteigen. Schließlich seien die hohen Einstiegskosten in den Euro bereits alle geleistet und insofern „versunken“. Sie können also nicht rückgängig gemacht werden. Und die Austrittskosten wären, wie gezeigt, enorm.

Ausgerechnet in der größten Unsicherheit wäre die vermeintliche Sicherheit der Deutschen Mark also eine fatale Wahl.

Das Symbol für den Wiederaufstieg
Als die D-Mark am 21. Juni 1948 in den westlichen Besatzungszonen eingeführt wurde, füllten sich über Nacht die Regale der Geschäfte. Quelle: dpa
Weil sie der nutzlos gewordenen alten Währung Reichsmark nicht mehr trauten, hatten die Händler im zerstörten Nachkriegs-Deutschland zunächst Waren gehortet. Quelle: dpa
Zunächst war die Währungsreform für Viele allerdings ein Schock. Jeder Bürger erhielt 40 Mark „Kopfgeld“ und einen Monat später nochmals 20 Mark. Quelle: dpa
Als entscheidende Wegmarke zum Auftritt der D-Mark auf der internationalen Bühne gilt der Übergang zur uneingeschränkten Umtauschbarkeit 1958. Quelle: dpa
Mit der Einführung der harten D-Mark fand sich die Wirtschaft der untergehenden DDR über Nacht im rauen Wettbewerb der Marktwirtschaft wieder. Quelle: dpa
Gut elf Jahre später löste der Euro die D-Mark ab. Anfangs als „Teuro“ gescholten, scheinen sich die Menschen in Deutschland mit der Gemeinschaftswährung inzwischen ausgesöhnt zu haben. Quelle: dpa
In der Bundesbank-Filiale in Rostock (Mecklenburg-Vorpommern) hält ein Mitarbeiter am 23.12.2013 D-Mark-Geldscheine in der Hand. Bundesweit werden jährlich D-Mark-Bestände in Millionenhöhe in Euro umgetauscht. Foto: Bernd Wüstneck/dpa (zu «Immer noch werden in MV Hunderttausende D-Mark in Euro getauscht» vom 26.12.2013) +++(c) dpa - Bildfunk+++ Quelle: dpa

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