Wie bewerten Sie den Zustand der VWL in Deutschland? Teilen Sie die Kritik, dass Ihre Zunft einen einseitigen neoklassischen Mainstream vertritt?
Mangelnde Vielfalt kann man der VWL in der Forschung nicht vorwerfen. Schauen Sie sich nur mal den Boom der Verhaltensökonomie an. Auch in der Makroökonomie mit ihren dynamischen stochastischen Modellen tut sich viel. Gleichzeitig gibt es eine Renaissance der Wirtschaftsgeschichte.
Deutschsprachige Ökonomen und Soziologen des 20. Jahrhunderts
Der österreichische Ökonom und Sozialphilosoph gehörte zwar nicht zur Freiburger Schule, hat Erhard aber dennoch stark beeinflusst. In einem waren sie sich weitgehend einig: Das Wort "sozial" ist in Verbindung mit "Markwirtschaft" unsinnig, weil der Markt an sich Sozialität herstellt. Die Ökonomen Röpke, Eucken und Müller-Armack sahen das ganz anders.
Der Nestor des Ordoliberalismus sorgte mit seinen "Grundlagen der Nationalökonomie" 1939 dafür, dass Erhard nach dem Zweiten Weltkrieg ein theoretisches Konzept vorlag. Wegweisende Gedanken, vor allem über den Zusammenhang von Macht und (Un-)Freiheit.
Als Mitglied der NSDAP erhoffte sich der Ökonom und Kultursoziologe einen starken Staat mit stabiler Wirtschaftspolitik. 1946 entwickelte das CDU-Mitglied in "Wirtschaftslenkung und Marktwirtschaft" den Begriff der "sozialen Marktwirtschaft". Später wirkte er als Leiter der Grundsatzabteilung im Bundeswirtschaftsministerium von Ludwig Erhard.
Der wortmächtigste unter den geistigen Vätern der sozialen Marktwirtschaft war bereits mit 24 Jahren Professor. Der Ökonom und Sozialphilosoph lehnte den Nationalsozialismus als "Massenaufstand gegen die Vernunft" ab und verfasste nach dem Krieg eine Reihe von glänzenden Büchern, in denen er unter anderem den Markt als Kulturform konturierte und ein frühes Lob der Ökologie sang.
SPD-Chef von 1946 bis 1952, wollte "aus Deutschland noch ein sozialistisches Land auf wirtschaftlichem Gebiet" machen. Im Godesberger Programm der SPD (1959), das Karl Schiller maßgeblich mitgestaltete, hieß es: "Wettbewerb soweit wie möglich, Planung soweit wie nötig." Erst 1963 war die SPD so weit, dass der spätere Wirtschaftsminister jede Art von Planung ablehnte.
Helmut Schelsky hat den Erfolg der sozialen Marktwirtschaft bereits 1953 auf den soziologischen Begriff gebracht. Erhard hat ihn vier Jahre später mit "Wohlstand für alle" ins Volksdeutsche übersetzt. Gemeint ist die Herausbildung einer breiten Mittelschicht mit gut bezahlten Angestellten.
Und was ist mit der Lehre?
Hier sehe ich in der Tat Reformbedarf. Viele Studenten klagen, ihr Studium sei zu sehr auf mathematisch-formale Methodenlehre ausgerichtet. Diese Kritik sollten wir ernst nehmen und die Vielfalt des Faches auch in der Lehre vermitteln. Man muss in einer Vorlesung nicht immer den mathematischen Einstieg wählen. Im Wettbewerbsrecht zum Beispiel könnte man zunächst fragen, warum Kartelle noch vor 100 Jahren erlaubt waren und als positiv galten. Darauf kann dann die mikroökonomische Kartelltheorie aufbauen.
Sie beschäftigen sich unter anderem mit dem Energiemarkt. Wie sehen Sie den aktuellen Streit zwischen Konzernen und Bundesregierung? Sollte der Staat für den Atomausstieg eine Entschädigung zahlen?
Als Ökonom bin ich da gespalten. Einerseits gilt das Primat der Politik, anderseits sind private Eigentumsrechte ein Grundpfeiler der sozialen Marktwirtschaft. Insofern hat das Verfahren einen Präzedenzcharakter. Ich hoffe, unabhängig vom Urteil, dass die Verfassungsrichter präzisere Regeln aufstellen, bis zu welcher Grenze und unter welchen Voraussetzungen ein Staatseingriff in Eigentumsrechte akzeptabel ist.