Freilich können ausländische Investoren kräftig davon profitieren. McDonalds ist stark am Markt, andere Fastfood-Ketten wie Kentucky Fried Chicken expandieren ebenfalls. Im Supermarkt-Geschäft ist neben Frankreichs Carrefour auch die Amsterdamer Handelskette Spar eingestiegen – wobei die Märkte hier klassisch im Franchise-System betrieben werden.
Zögerliche Europäer
Im Industriesektor investieren vor allem lokale Größen wie die Dangote-Gruppe, die einen Börsengang in London plant. Der Mischkonzern, besonders stark in den Bereichen Zementproduktion und Lebensmittelverarbeitung, plant die erste Raffinerie des Landes – damit Nigeria das Öl nicht länger billig exportieren und als Benzin teuer reimportieren muss.
Europäische Unternehmen zögern beim Ausbau ihrer Produktionskapazitäten hingegen. Ihre Lebensmittelfabriken, weiß Carsten Ehlers von Germany Trade & Invest in Lagos, bauen Nestlé, Unilever, Heineken, Procter & Gamble und SAB Miller allenfalls zurückhaltend aus. „Nigeria gilt ihnen nach wie vor als unsicher“, schreibt der Analyst.
Natürlich sind die Risiken beim Geschäftsaufbau immens. Korruption ist Teil des Systems, ein Staatsauftrag ohne Schmiergeld kaum zu kriegen, die Bürokratie wuchert. Nicht zu Unrecht rangiert Nigeria auf Platz 170 der 189 Rängen im „Doing Business Report“ der Weltbank.
Der Bericht misst anhand einer Vielzahl an Kriterien die Schwierigkeiten, die Unternehmen beim Markteintritt zu bewältigen haben. Nigeria findet sich im letzten Fünftel in einer Reihe mit Syrien, Afghanistan oder Libyen. Das schreckt die Europäer ab, während lokale oder oft auch chinesische Wettbewerber den Markt unter sich aufteilen.
Zumal die wenigen Nigeria-Interessenten registriert haben dürften, dass sich sogar der wagemutige Ölmulti Shell aus dem korrupten lokalen Ölgeschäft zurückzieht. Ein Übriges dürfte die Präsenz der islamistischen Terrorgruppe „Boko Haram“ beitragen, die landesweit Anschläge verübt – auch wenn die meisten Menschen in den pulsierenden Metropolen entlang der Küste hiervon noch nie etwas mitbekommen haben. Vertreter der Öl- und Bauindustrie, die häufig außerhalb der Städte zu tun haben, werden allerdings häufig Opfer von Entführungen.
Ja, Nigeria ist ein Land mit Risiken, sagt André Rönne, der deutsche Wirtschaftsdelegierte in Lagos. „Aber diese Risiken kann man handeln.“ Er empfehle Unternehmen zum Beispiel, entweder direkt mit der Privatwirtschaft oder nur als Subunternehmer bei staatlichen Großprojekten tätig zu werden.
Dann habe man mit dem Thema Korruption keine Probleme. Jedenfalls sieht er „enormes Potenzial“ in jenem Mega-Markt, dessen Wachstum von gut fünf Prozent in diesem Jahr nach Präsidentschaftswahlen im Februar 2015 einen weiteren Schub gekommen könnte.
Pralle Staatskasse
Die Staatskasse des weitgehend entschuldeten Rohstofflands ist gut gefüllt für milliardenschwere Infrastrukturprojekte. Das Bankensystem ist inzwischen soweit stabilisiert, dass Geld für den Aufbau verarbeitender Industrien vorhanden wäre. Der Konsum ist schon angesichts eines hohen Bevölkerungszuwachses nicht zu bremsen, zumal die Mittelschicht an Kaufkraft gewinnt.
Kurzum, die „Pole Position“ unter den größten Märkten in Afrika wird Nigeria so bald nicht mehr aufgeben. Die Frage ist nur, welche mutigen Investoren sich reintrauen und mitverdienen wollen. Die Deutschen sind es bislang nicht.