Rechenkünstlern im Statistikamt haben es Nigerianern zu verdanken, dass ihr Land quasi über Nacht zur größten Volkswirtschaft in Afrika mutierte – vorbei an Südafrika, dem Lieblingsland für Investoren auf dem Kontinent. Nigerias Bruttoinlandsprodukt (BIP) beträgt 390 Milliarden Euro, seit Statistiker im April nach internationaler Methodik rechnen. 2013 legte die Wirtschaftskraft des Staates somit um 89 Prozent zu.
In nüchternen Zahlen zeichnet sich ein etwas realistischeres Bild von Nigeria ab, dem mit 179 Millionen Einwohnern großen Wachstumschampion in Afrika. Während Südafrika gern zu Muster-Demokratie und Investoren-Mekka hochgejazzt wird, tragen die Nigerianer allerlei Negativ-Stigmata mit sich herum.
Korruption, Kriminalität, Bürokratie, Stromdefizit – wer seine Angst vor Afrika irgendwie begründen möchte, kann Anti-Argumente in Nigeria à la carte wählen. Dabei stehen Ghana und Südafrika den Nigerianern in punkto Korruption in nichts nach; der Strom fällt auch im stabileren Uganda und Tansania häufig aus.
Wissenswertes über Nigeria
In Nigeria leben 173,9 Millionen Menschen. Die Bevölkerungszahl legt jährlich um 2,5 Prozent zu. Eine nigerianische Frau gebärt im Durchschnitt sechs Kinder.
316 Milliarden US-Dollar betrug das nominale BIP im Jahr 2014. Auf 338,7 Milliarden soll es 2015 ansteigen. Zum Vergleich: Das deutsche BIP betrug 2013 3,51 Billionen US-Dollar. Gut 40 Prozent des BIP erwirtschaftet Nigeria über Bergbau und Industrie; ein Drittel über Land-, Forst- und Fischwirtschaft.
Die nigerianische Wirtschaft legte in den vergangenen zehn Jahren (2004 bis 2013) durchschnittlich um sieben Prozent zu. Während die meisten Volkswirtschaften dieser Welt unter der Finanzkrise litten, wuchs die nigerianische Wirtschaft um sieben Prozent, im Folgejahr sogar um acht.
Die Staatsverschuldung beträgt 2014 20 Prozent des BIP.
2014 lag die Inflationsrate bei 7,3 Prozent. Bis 2015 soll sie auf 7,0 Prozent zurückgehen.
Die Arbeitslosenquote betrug 2009 19,7 Prozent. Bis 2011 stieg sie auf 23,9 Prozent an.
Nigeria ist jedenfalls im Kommen. Im Ranking der perspektivreichsten Märkte von morgen, die der Berliner Unternehmensberater Thorsten Makowski für wiwo.de zusammengestellt hat, landet der Riesenmarkt in Westafrika auf dem ersten Platz. Dies liegt in erster Linie an der Einwohnerzahl von 179 Millionen Menschen – und die steigt rasant.
Bis 2050, schätzt man bei der Weltbank, wird es mehr Nigerianer als Amerikaner geben. Die gebärfreudige Nation, deren Protagonisten heute zur Hälfte jünger als 18 Jahre alt sind, soll bis dahin auf bis zu 450 Millionen anwachsen. Dass die Mehrheit von ihnen heute unter der Armutsschwelle lebt, wird auf die Sozialpolitik des auf föderaler Ebene stabil geführten Staatswesens zwar enormen Druck ausüben.
Chancen für deutsche Unternehmen
Zugleich wächst aber die Mittelschicht, was Chancen für deutsche Unternehmen eröffnet. Mit einem Bestand an Direktinvestitionen in Höhe von 100 Millionen finden sich die Deutschen aber bislang nur unter „ferner liefen“ – obwohl Nigeria als Ziel der Kapitalzuflüssen inzwischen begehrter ist als das bei bundesdeutschen Investoren so populäre Südafrika.
Nigeria, das war einmal eine reine Öl-Story. Schon seit den fünfziger Jahren buddelt Shell im Osten des Landes nach dem schwarzen Rohstoff. Inzwischen sind die Gasvorkommen sogar noch wichtiger geworden. Aber erst seit Ende der Militärdiktatur in 1998 dienen die bis dahin in tiefen Taschen versickerten Exporteinnahmen zunehmend dem Wohlstandswachstum.
Das Geld, das der Staat und die meist staatlich beschäftigte Mittelschicht ausgeben, kurbelt den Konsum an – welcher inzwischen zum Keilriemen für ein Wirtschaftswachstum von jährlich sechs bis sieben Prozent geworden ist.
Investitionsklima auf dem afrikanischen Kontinent
Von Investitionen ist abzuraten
Bevölkerung: 77 Mio.
BIP/Kopf: 241 $
Branchen: Bergbau
Chancen: Enormer Reichtum an Rohstoffen, attraktive Marktgröße
Risiken: Politische Instabilität, Korruption, Bürokratie, fehlende Rechtssicherheit, mangelhafte Infrastruktur
Investitionen sind möglich
Bevölkerung: 21 Mio.
BIP/Kopf: 5950 $
Branchen: Öl- und Gasindustrie
Chancen: Rohstoffreichtum, Kaufkraft, politische Stabilität
Risiken: Schlechte Infrastruktur, starke Abhängigkeit von Ölpreisen, Fachkräftemangel, extreme Bürokratie
Investitionen sind möglich
Bevölkerung: 37 Mio.
BIP/Kopf: 614 $
Branchen: Tourismus, Bergbau, Ölindustrie (im Aufbau)
Chancen: Rohstoffreichtum
Risiken: Korruption, militärische Spannungen mit Nachbarn, Infrastrukturdefizite, soziale Ungleichheit
Investitionen sind möglich
Bevölkerung: 89 Mio.
BIP/Kopf: 533 $
Branchen: Landwirtschaft
Chancen: Marktgröße, politisch relativ stabil, attraktives Lohnniveau, Rohstoffreichtum
Risiken: Rückfall in sozialistischen Dirigismus, Bürokratie, Korruption, Infrastrukturdefizite
Stabiles Investitionsklima
Bevölkerung: 46 Mio.
BIP/Kopf: 690 $
Branchen: Landwirtschaft, Bauwirtschaft, Gasindustrie im Aufbau
Chancen: Politisch stabil, relativ gute Regierungsführung, Bodenschätze
Risiken: Infrastrukturdefizite, geringer Ausbildungsstand, Abhängigkeit von Entwicklungshilfe
Stabiles Investitionsklima
Bevölkerung: 43 Mio.
BIP/Kopf: 1046 $
Branchen: Landwirtschaft, Nahrungsmittelindustrie, Telekommunikation, Finanzwesen, IT, Handel, Logistik
Chancen: Vorhandene Industriestruktur, guter Ausbildungsstand, innovativer Dienstleistungssektor
Risiken: Korruption, mangelnde Rechtssicherheit, hohe Kriminalität, Abwendung vom Westen
Stabiles Investitionsklima
Bevölkerung: 169 Mio.
BIP/Kopf: 1725 $
Branchen: Ölindustrie, Bauwirtschaft, Logistik, Konsumgüter, Handel, Telekommunikation
Chancen: Attraktiver Konsummarkt, hoher Investitionsbedarf, Rohstoffreichtum
Risiken: Ineffizienz, Korruption, Strommangel, schlechte Sicherheitslage
Stabiles Investitionsklima
Bevölkerung: 26 Mio.
BIP/Kopf: 1782 $
Branchen: Landwirtschaft, Nahrungsmittel, Bergbau, Öl- und Gasindustrie (im Aufbau)
Chancen: Politisch stabil, relativ geringe Korruption, guter Ausbildungsstand
Risiken: Geringe Kaufkraft, Stromknappheit
Sichtbar ist der mittelständische Aufschwung insbesondere in der Megapolis Lagos. Immer neue Einkaufszentren wachsen aus dem knappen Boden der Stadt. Von den zwölf Millionen Einwohnern können sich immer mehr ein Auto leisten, was zu schlimmen Staus führt.
In den innerstädtischen Viertel kostet Wohnraum so viel wie nirgendwo sonst in Afrika. Derlei Wachstumsschmerzen mögen nervig sein für Besucher – aber Bewohner freuen sich, dass es nach drei Jahrzehnten der Stagnation unter Militärherrschaft ein solch stabiles Wachstum gibt. Und sie konsumieren, als ob es kein morgen gäbe.