Der Chefvolkswirt der Dekabank, Ulrich Kater, hat vor den negativen Folgen einer Dauerniedrigzinspolitik gewarnt – insbesondere für die Preisentwicklung auf dem deutschen Immobilienmarkt. Derzeit gebe es zwar noch keine landesweite Immobilienblase. So seien die Steigerungsraten bei Immobilienkrediten „nicht auffällig“, und auch das Spekulationsmotiv beim Immobilienerwerb spiele noch eine geringe Rolle. „Aber wir haben Voraussetzungen, die in der Vergangenheit solche Blasen hervorgerufen haben: zu niedrige Zinsen und mit den Unsicherheiten eine einleuchtende Begründung für weitere Preissteigerungen bei Immobilien“, sagte Kater Handelsblatt Online.
„Meine Vermutung ist, dass dies in eine Blase mündet, wenn diese Zinsbedingungen noch jahrelang anhalten sollten“, sagte Kater weiter. „Dann könnte die Kreditfinanzierung eine erheblich größere Bedeutung haben, und dann wäre der Schaden im Fall von plötzlichen Preisrückgängen immens.“ Daher sei es in den kommenden Jahren für alle Kreditinstitute wichtig, „genügend Sicherheitsmarge bei der Kreditvergabe einzuplanen, also auf ausreichend Eigenkapital des Kreditnehmers zu achten“, sagte der Dekabank-Chefökonom.
Der Leitzins im Euroraum steht derzeit auf dem Rekordtief von 0,75 Prozentpunkten. Damit Zentralbankgeld für Banken bereits so günstig wie nie seit Einführung des Euro 1999. Experten warnen daher auch, die geldpolitische Schraube nicht zu weit herauszudrehen, da lange anhaltende Niedrigzinsen zu Übertreibungen bei den Vermögenspreisen führen, Sparanreize schwächen und eine übermäßige Kreditaufnahme fördern.
Auf eine der Folgen wies diese Woche die Bundesbank hin. Sie hält es durchaus für möglich, dass es auf dem Immobilienmarkt zu einer Überhitzung kommt. Zwar gebe es noch keine Anzeichen für eine Spekulationsblase und ernste Risiken für die Finanzstabilität, hatte diese Woche Bundesbank-Vizepräsidentin Sabine Lautenschläger und ihr Vorstandskollege Andreas Dombret bei der Vorstellung des jährlichen Finanzstabilitätsberichts der deutschen Notenbank erklärt. Allerdings berge der teils kräftige Anstieg der Immobilienpreise in und rund um sieben deutsche Großstädte und vor allem in Berlin inzwischen Gefahren.
SPD für scharfe Regulierung
Die SPD sieht den Finanzsektor in der Pflicht, einer möglichen Preisblase auf dem Immobilienmarkt entgegenzuwirken. Andernfalls müsse der Gesetzgeber aktiv werden. „Wie brauchen so viel Verantwortung wie nötig und so wenig Regulierung wie möglich. Das bedeutet, dass mit abnehmender Verantwortung der Regulierungsbedarf steigt und er steigt und steigt“, sagte der finanzpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Lothar Binding, Handelsblatt Online.
Konkret verlangte Binding von den Finanzinstituten bei allen Kreditgeschäften und im Investmentbanking „wieder eine seriöse Risikobewertung, angemessene Zinsfestsetzungen, ökonomisch fundierte Liquiditätssteuerung“. Nötig seien zudem „Langfriststrategien“ im Immobiliengeschäft sowie eine schärfere Regulierung. „Wir brauchen mehr Realwirtschaft und weniger Spekulationsbanking und Spekulationsunwesen.“, sagte der SPD-Politiker.
Das sind die größten Banken Deutschlands
2011 ist das letzte Jahr, für das die WestLB ihre Jahresbilanz bekannt gab. Die Bank, die zum Großteil dem Land Nordrhein-Westfalen, der NRW.Bank und den Sparkassenverbänden des Rheinlands und Westfalen-Lippe gehörte, ist mittlerweile zerschlagen. Die Zertifikategeschäfte übernahm die Helaba.
Bilanzsumme (2011): 167,90 Milliarden Euro
Die Postbank gehört zur Deutschen Post und betreut mit rund 19.000 Angestellten fast 14 Millionen Kunden.
Bilanzsumme (2011): 192,00 Milliarden Euro
Die Eurohypo AG ist eine Tochter der Commerzbank - und ein Milliardengrab. Zehn Jahre nach der Gründung wird die Hypothekenbank nun zerschlagen. Die Eurohypo AG ist nach der WestLB die zweite deutsche Bank, die die Krise nicht überlebt hat. Jedoch ist ihre Bilanzsumme noch um einiges größer als die der Landesbank.
Bilanzsumme (2011): 203,00 Milliarden Euro
Auch die NordLB schaffte es nur mit Staatsmitteln, die Bankenkrise zu überstehen. Die EU-Bankenaufsicht verordnete der Bank der Länder Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern ihr Eigenkapitalpolster gehörig aufzustocken.
Bilanzsumme (2011): 227,60 Milliarden Euro
Die BayernLB machte in den vergangenen Wochen mit einem Streit mit der EU-Kommission Schlagzeilen. Die in der Krise taumelnde Bank muss dem Land Bayern fünf Milliarden Euro an Krisenhilfen zurückzahlen.
Bilanzsumme (2011): 309,10 Milliarden Euro
Auch die Hypo Real Estate überlebte die Krise nur knapp: Die Immobilienbank wurde verstaatlicht und lagerte ihre Altlasten in eine Bad Bank aus. Bis 2015 muss die Hypo Real Estate jedoch wieder privatisiert werden, entschied die EU.
Bilanzsumme (2011): 236,60 Milliarden Euro
Die LBBW ist mit einer Bilanzsumme von über 370 Milliarden Euro die größte deutsche Landesbank. Das Geldinstitut gehört fast vollständig dem Land Baden-Württemberg, dem Sparkassenverband des Landes und der Stadt Stuttgart.
Bilanzsumme (2011): 373,10 Milliarden Euro
Die deutsche Unicredit Bank AG, besser bekannt unter ihrem Markennamen Hypovereinsbank, ist ein Tochterunternehmen der größten italienischen Bank, Unicredit. Die italienische Großbank hat gerade eine Umstrukturierung angekündigt: Die Tochtergesellschaften und damit auch die Hypovereinsbank sollen mehr Autonomie bekommen.
Bilanzsumme (2011): 395,70 Milliarden Euro
Zur DZ Bank AG gehören neben der Volksbanken Raiffeisenbanken auch die Bausparkasse Schwäbisch Hall oder die R+V Versicherung. Die DZ Bank AG ist das Zentralinstitut für insgesamt 900 Genossenschaftsbanken mit rund 30 Millionen Kunden.
Bilanzsumme (2011): 405,90 Milliarden Euro
Die Kreditanstalt für Wideraufbau (KfW) ist die deutsche Förderungsbank unter Aufsicht des Finanzministeriums. Sie gibt Kredite an Existenzgründer und Firmen im Rahmen von Förderprogrammen der Bundesregierung und ist für die Finanzierung von Infrastrukturvorhaben zuständig.
Bilanzsumme(2011): 494,80 Milliarden Euro
Die Commerzbank belegt mit einer Bilanzsumme von über 600 Milliarden Euro Platz zwei unter den größten deutschen Banken. Die Bank ist in 52 Ländern vertreten und betreut nach eigenen Angaben rund 15 Millionen Privat- und eine Millionen Firmenkunden in der ganzen Welt.
Bilanzsumme (2011): 661,80 Milliarden Euro
Die international erfolgreiche Deutsche Bank nimmt unangefochten den ersten Platz der größten deutschen Banken ein. Ihre Bilanzsumme ist rund 3,5 mal so groß wie die der Commerzbank. Die Bank beschäftigt über 100.000 Mitarbeiter – knapp 50.000 davon in Deutschland.
Bilanzsumme (2011): 2164,10 Milliarden Euro
Harsche Kritik äußerte Binding in diesem Zusammenhang an der Warnung der Bundesbank, dass Preisblasen am Immobilienmarkt die Finanzstabilität hierzulande „erheblich gefährden“ könnten. „Was sind das eigentlich für Aussagen?“ fragte Binding. „Ja was denn sonst? Das gibt uns die tiefliegende Erkenntnis, dass es zu Problemen kommen kann, wenn es zu Problemen kommt.“ Dem Vorstand der Bundesbank empfahl er, er solle lieber „seinen Einfluss geltend machen, Auswüchse an den Finanzmärkten zu verhindern und die Regierung motivieren, zu tun, was zu tun ist, statt der EZB Aufgaben jenseits jeglicher demokratischer Kontrolle zuzumuten“.
Die Bundesbank beobachtet allerdings inzwischen auch stärker den Immobilienbereich und beäugt dabei kritisch die Art der Finanzierung von Immobilien. Denn Fehlentwicklungen in diesem Bereich können Finanzkrisen auslösen. „Das große Auswirkungspotenzial auf die Kreditinstitute ergibt sich nicht zuletzt aus dem Umfang der immobilienmarktbezogenen Verschuldung“, schreiben die Experten in ihrem Finanzstabilisierungsbericht.
Bundesbank warnt vor "selbstverstärkendem Prozess"
Entscheidend für die Finanzstabilität sei daher, zu welchem Anteil Immobilieninvestitionen fremdfinanziert seien. „Solange private Haushalte mögliche Wertverluste tragen können, stellen diese für sich genommen keine Gefährdung für das Finanzsystem dar. Kritisch aus Finanzstabilitätssicht sind Preissteigerungen vornehmlich dann, wenn diese von einem starken Kreditwachstum begleitet werden.“
Für besonders problematisch halten die Bundesbank-Experten einen möglichen "selbstverstärkenden Prozess", bei dem sich steigende Preise und wachsende Verschuldung gegenseitig beförderten. "So kann die Erwartung steigender Preise die Bereitschaft zur Verschuldung erhöhen", heißt es in der Analyse.
Zu optimistische Erwartungen über die weitere Preisentwicklung hätten auch bei den Übertreibungen am amerikanischen Immobilienmarkt eine erhebliche Rolle gespielt, geben die Autoren des Berichts zu bedenken und warnen davor, dass offenbar Immobilienkäufer dazu tendierten, die Preisentwicklung der letzten Jahre fortzuschreiben und damit einen Aufwärtstrend durch ihre Kaufentscheidungen zu verstärken.
"Dies kann eine selbstverstärkende Dynamik auslösen und wirkt daher potenziell destabilisierend." Denn: "Eine hohe Verschuldung der Haushalte führt im Falle von Preiskorrekturen am Immobilienmarkt erfahrungsgemäß zu höheren Abschreibungen im Kreditgeschäft der Banken und mündet oftmals in eine hartnäckige wirtschaftliche Schwächephase."
Insgesamt geht es dabei um beträchtliche Volumina. Immobilienkredite an private Haushalte in Deutschland beliefen sich laut Bundesbank Mitte 2012 auf rund 981 Milliarden Euro. Sie seien mit einem Anteil von über zwei Dritteln der mit Abstand größte Posten der Verschuldung privater Haushalte, heißt es in dem Bericht der Notenbank. Mit 40 Prozent machten diese Kredite einen großen Teil der gesamten inländischen Kreditvergabe der deutschen Kreditinstitute aus. Bei Sparkassen und Kreditgenossenschaften liege der entsprechende Anteil der Immobilienkredite an private Haushalte sogar bei etwa 50 Prozent.
Noch besteht keine Gefahr. „Derzeit begrenzen die robuste Schuldentragfähigkeit der privaten Haushalte und die konservative Ausgestaltung der Kreditbedingungen das Risikopotenzial steigender Wohnimmobilienpreise“, schreiben die Experten. Das muss jedoch nicht so bleiben. Die weitere Entwicklung am deutschen Markt für Wohnimmobilien stehe daher „unter intensiver Beobachtung“, betont die Bundesbank.