
WirtschaftsWoche online: Die Vereinten Nationen sehen in der europäischen Sparpolitik eine Gefahr für Arbeitsplätze. Brauchen wir staatlich finanzierte Beschäftigung?
Traud: Der Gedanke, mit öffentlich finanziertem Wachstum alle Probleme zu lösen, ist eine gefährliche Illusion. Ich wundere mich allerdings, wie weit diese Vorstellung verbreitet ist. Es ist ja fast schon eine Modeerscheinung, die Sparpolitik und den Fiskalpakt zu kritisieren. In Frankreich wirbt Sarkozy-Herausforderer Hollande mit einem Wachstumspaket, in Deutschland pflichtet SPD-Chef Gabriel bei. Auch die FDP betonte auf ihrem jüngsten Parteitag den Begriff Wachstum auffällig häufig.
Funktionieren Wachstumspakete nicht?
Wenig nachhaltiges Wachstum auf Pump ist eine der Ursachen der aktuellen Krise. In Spanien etwa wurde am Bedarf vorbei drauf los gebaut, die Folge des angeblichen Wirtschaftswunders war eine Immobilienblase. Auch heute stellt sich die Frage, wer die geforderten Konjunkturhilfen bezahlen soll. Die Finanzmärkte schauen sehr genau hin, welche Ausgaben ein Staat vor hat und fordern im Zweifel sofort höhere Renditen für ihr Geld. Wer nicht spart, muss daher immer mehr Zinsen zahlen. Frankreich hat noch keine Reformen angestoßen, kommt mit derzeit drei Prozent Zinsen auf seine Anleihen allerdings recht glimpflich davon. Noch.
Jetzt, mitten in der Krise, kämen doch Staatsausgaben zur Belebung der Wirtschaft gerade richtig.
Das war 2008 der Fall, als auf dem Höhepunkt der Finanzkrise bei Banken, Unternehmen und Arbeitskräften keine Hoffnung auf Erholung mehr bestand. In der damaligen Situation konnte nur der Staat mit Konjunkturpaketen und Bankenrettung helfen. Mittlerweile haben die Indikatoren gedreht, auch in Spanien zeigen sich erste Erfolge. Die expansive Finanzpolitik sollte daher nun zurückgefahren werden.
Aber Sparen verbessert nicht automatisch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit.
Sparmaßnahmen müssen mit Reformen verknüpft werden. Es darf nicht darum gehen, Staatsdiener auf die Straße zu setzen, um den Gehaltsaufwand für den öffentlichen Dienst zu reduzieren. Stattdessen müssen sinnlose Ausgaben gestrichen werden, um das übrige Geld in nachhaltige Investitionen zu lenken.
Müssen Griechenland, Spanien & Co. also nur in Universitäten investieren und die Probleme sind gelöst?
Die griechischen Unis sind gar nicht so schlecht. Das Problem ist, dass in der Vergangenheit viele gut ausgebildete junge Leute in den aufgeblähten Staatssektor gewechselt sind, weil der Privatsektor aus ihrer Sicht kein attraktiver Arbeitgeber war.
Wie können attraktive Stellen als Alternative zu teuren Beamtenposten entstehen?
Wirtschaftspolitiker müssen sich auf die Standortvorteile einer Volkswirtschaft besinnen. Griechenland könnte mit traumhaften Bedingungen für Landwirtschaft und Tourismus punkten. Stattdessen pflanzt Nordeuropa Gemüse in teuren Gewächshäusern an und Urlauber bevorzugen die Türkei oder Italien, weil dort die Hotels moderner sind und vielleicht auch das Personal freundlicher ist. In der Vergangenheit fehlte der Anreiz in Griechenland, den Standortvorteil auszuspielen.
Wo finden junge Spanier Jobs? Auch nur im Tourismus oder der Landwirtschaft?
Auch Spanien hat das Problem, dass sich Arbeitskräfte zu lang auf einen nicht nachhaltigen Wirtschaftszweig verlassen haben, in diesem Fall den Immobiliensektor. Die Spanier können aber viel mehr. Wenn in der Heimat attraktive Stellen fehlen, muss ein Teil der Beschäftigten sein Glück im Ausland machen. Die Mobilität von Arbeitskräften gehört zu den Grundpfeilern einer funktionierenden Währungsunion. Wenn diese Mobilität politisch unerwünscht ist, kann der Euro nicht bestehen.
Wie kann die Politik die Mobilität von Arbeitskräften unterstützen?
Die innereuropäischen Grenzen sind offen, die Niederlassungsfreiheit ist gewährleistet. Allerdings muss sich unsere Haltung ändern. Traditionell hat Deutschland niedrig qualifizierte Arbeitskräfte aus Südeuropa angeworben, jetzt müssen wir uns auf die Hochqualifizierten konzentrieren. Die spanische Regierung kann ihre Jugend mit Deutschkursen zur Mobilität ermuntern. Der Job im Ausland muss als Chance gesehen werden, nicht als Opfer.