Barter-Handel Wenn Wirtschaft fast ohne Geld auskommt

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Wenn es dem Unternehmen schlecht geht

Ebenfalls können sich Tauschgeschäfte auszahlen, wenn sie die Liquidität eines in Schieflage geratenen Unternehmens schonen und so den Cashflow nicht reduzieren. Gerade in Phasen, in den die allgemeinen Finanzierungsbedingungen schwierig sind oder es dem Unternehmen schlecht geht, ergibt der Tauschhandel also ökonomisch Sinn.    

Wie groß der Umsatz mittels Tauschhandel in der Bunderepublik ist, lässt sich allerdings aus keiner offiziellen Statistik ablesen. Weder das Statistische Bundesamt noch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) verfügen über Zahlen oder Schätzungen. Das liegt daran, dass ein Tauschgeschäft umsatzsteuerlich genauso behandelt wird, als wäre tatsächlich Geld zwischen den beteiligten Unternehmen geflossen.

Das Experiment im Raum Berlin

Ein Zwischenhoch erlebte das Bartern nach Ausbruch der Finanzkrise, damals hatten alternative Wirtschaftsideen Konjunktur. Ein Unternehmen, das aus diesem Zeitgeist hervorging, ist die 2007 gegründete deutsche Kompensationsgesellschaft (DKG). Zwischenzeitlich gehörten circa 550 kleine und mittelständische Unternehmen im Raum Berlin der DKG an. Ihr Ziel: Mittels einer eigenen komplementären Tauschwährung, sollten die Verkäufe der beteiligten Unternehmen gesteigert und nicht ausgelastete Kapazitäten genutzt werden.

So ganz ohne Verrechnungseinheit oder Geldersatz kommen diese Plattformen allerdings auch nicht aus, denn der Tauschhandel hat gegenüber dem Geldgeschäft einen entscheidenden Haken: Beide Seiten müssen gleichzeitig die Ware des jeweils anderen wollen und darüber hinaus von der Qualität überzeugt sein. Ökonomen sprechen daher von der sogenannten Doppelkoinzidenz der Bedürfnisse. Deshalb verzichten Tauschringe in der Regel nicht auf eine Tauschwährung, die stellvertretend für Geldeinheiten steht. Bei der DKG wurden Waren erhielten die beteiligten Unternehmen im Gegenzug für ein Tauschgeschäft sogenannte DKG-Euros. Die wiederum konnten sie als eine Art Warengutschein bei anderen zur DKG gehörenden Unternehmen einlösen.

Doch in einer immer globaleren und komplexeren Wirtschaft haben es solche Unternehmen und Tauschringe schwer. Die DKG konnte ihren anfänglichen Erfolg daher nicht fortsetzen. Aktuell werden so gut wie keine Geschäfte mehr in DKG-Euros abgewickelt.

Peter Gipters ist nebenberuflich Geschäftsführer der DKG. Trotz der aktuellen Schwierigkeiten für die Branche ist er nach wie vor ein Anhänger von Tauschgeschäften. Allerdings „müssen diese gut geplant und organisiert sein, um keinen Schaden anzurichten." Beispielsweise habe eine Druckerei bei der DKG ein Guthaben von 20.000 DKG-Euros nicht einlösen können. Der Grund: Produkte wie Farben und Papier, die für die Druckerei interessant gewesen wären, stellen meist Unternehmen im Ausland her, die nicht dem DKG-Netzwerk angehörten.

„Heute, in einer Welt mit sozialen Netzwerken und den anhaltenden Niedrigzinsen ist eine Tauschplattform wie die DKG für kleine und mittelständische Unternehmen nicht mehr attraktiv genug. Dennoch besteht bei individuellen Tauschgeschäften, gerade im Außenhandel, nach wie vor der Bedarf, gezielt Tauschpartner für einzelne Unternehmen zu organisieren und diese zu beraten. Beispielsweise bei Rüstungs- und rüstungsnahen Gütern,“ sagt Gipters.

Obwohl der Tauschhandel eine Abwechslung vom Alltagsgeschäft bedeutet und er situativ auch ökonomisch Sinn ergeben kann, hat es doch einen Grund, warum das Gehalt am Ende des Monats nicht in Kokosnüssen und Fischen wie bei Robinson und Freitag ausgezahlt wird. Dennoch bleiben auch in einer modernen Volkswirtschaft kleine ökonomische Nischen.

Zu guter Letzt kann Tauschen auch einfach Spaß machen. Die XLS Media Group hat einmal im Tausch gegen Werbeplätze Lotterie-Lose in einem Gegenwert über 100.000 Euro von Glückspielunternehmen erhalten. „Statt die Lose weiterzuverkaufen, haben wir auf die Ziehungen gewartet und geschaut, ob wir wieder etwas gewonnen haben“, sagt Westrick. „Das hat uns sehr viel Spaß gemacht und ein Verlustgeschäft war es am Ende auch nicht.“

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