Barter-Handel Wenn Wirtschaft fast ohne Geld auskommt

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Ware gegen Ware: Eine Urform des Handels spielt in Nischenbereichen, zum Beispiel in der Medienbranche, immer noch eine Rolle in der Wirtschaft.

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Robinson Crusoe fristete bis zur Ankunft Freitags ein einsames Leben. Als schließlich beide auf der Insel gemeinsam lebten, musste Robinson seine Zeit nicht mehr zwischen Kokosnusssammeln und Fischfang aufteilen, sondern konnte sich auf eine Arbeit konzentrieren. Dann tauschten Robinson und Freitag ihre Waren. Durch die Spezialisierung vermochten sie mehr Güter anzuhäufen, als wenn sie beide für sich allein gearbeitet hätten.

So oder ähnlich bildhaft bekommen viele VWL-Studienanfänger das Thema Tauschwirtschaft in einer Einführung präsentiert. Denn was die Protagonisten in Daniel Deffoes Roman-Klassiker im Kleinen praktizieren, erfüllt bereits die Bedingungen einer sogenannten Naturaltauschwirtschaft. Zwei Wirtschaftssubjekte haben das Bedürfnis nach der Ware des jeweils anderen. Dadurch kommt es zu Handel, ganz ohne dass Geld zwischen den beiden fließt.

Bei der XLS Media Group ist der Handel à la Robinson sogar das Geschäftsmodell. Das Unternehmen aus Wiesbaden hat sich auf das sogenannte Media-Bartering spezialisiert. Das Wort "Barter" stammt aus dem Englischen und steht für Tauschhandel. Beim Media-Bartering werden Waren und Dienstleistungen gegen Werbeplätze bei Medien im Print-, Online und Rundfunkbereich getauscht. Das heißt: Die XLS Media Group nimmt Unternehmen zum Beispiel Schreibtische, Kühlschränke oder Computer ab und stellt im Gegenzug Anzeigeplätze beispielsweise im Fernsehen oder in Tageszeitungen für den gleichen Warenwert bereit.

Ausschließlich auf Tausch beruht das Geschäftsmodell des Media-Barterings allerdings nicht. Die Werbeplätze werden von der XLS Media Group zuvor eingekauft und die getauschten Produkte nach Abschluss des Tauschhandels wieder verkauft. „Anfänglich, in den Jahren 2000 bis 2008, machte etwa 70 Prozent des Umsatzes der Weiterverkauf sogenannter Restanten aus“, sagt Geschäftsführer Klaus Westrick. Bei diesen Restanten handelt es sich um Waren, die Unternehmen auf den üblichen Vertriebswegen nicht loswurden oder zum damaligen Zeitpunkt nur schwer verkauft werden konnten. Ein typisches Beispiel dafür: Saisonale Ware wie Winterbekleidung oder Rasenmäher. Mittlerweile besteht das Geschäft aber nur noch zu einem kleinen Teil aus der Weitervermarktung von Restposten. „Über geschickte Medien-Deals und Handelskontakte konnten wir uns eine Nische erschließen“, so Westrick weiter. „Mittlerweile nehmen Hersteller, insbesondere Automobilimporteure, gezielt Kontakt zu uns auf, um Autos gegen Werbekampagnen einzutauschen“.

Die XLS Media Group, nach eigenen Angaben Marktführer in diesem Bereich mit einem Jahresumsatz im zweistelligen Millionenbereich, wirbt damit, dass durch die Tauschgeschäfte Unternehmen ihr Media-Budget erhöhen und zusätzliche Vertriebswege erschließen könnten. Außerdem müsse Ware nicht abgeschrieben werden, wenn sie auf diesem Wege doch noch an den Mann gebracht werde, heißt es in dem Werbefilm des Unternehmens.

Aus ökonomischer Sicht sind Tauschgeschäfte allerdings bestenfalls eine zweitbeste Lösung und für die Gesamtwirtschaft vor allem eine Lösung in Krisenzeiten, wenn das Vertrauen in die Währung schwindet oder das Geld schlicht und einfach nichts wert ist. Beispielsweise bildeten sich im Chaos der Nachkriegsjahre regionale Tauschringe im besetzten Deutschland, die teilweise sogar von den Alliierten bei ihrer Gründung unterstützt wurden.
Ein anderes Beispiel ist Venezuela. Nach Schätzungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) wird die Inflationsrate dieses Jahr die magische Marke von einer Million Prozent erreichen. Als Folge der massiven Geldentwertung kommt es dieser Tage zu einem Phänomen namens „Egg-Economy“ (Eier-Wirtschaft). Eier dienen als eine Ersatzwährung. Dies hat vor allem zwei Gründe: Erstens bleiben Eier stabiler im Wert als der Venezolanische Bolívar – die Währung des südamerikanischen Landes. Und zweitens ist es auch leichter ein paar Eier zu transportieren als Schubkarren voll mit Geldscheinen.

Auch die DDR, geplagt durch einen chronischen Mangel an Devisen, setzte im Außenhandel zeitweise auf das Modell Ware gegen Ware. So exportierte das sozialistische Land in den 70er Jahren Landmaschinen und Waffen nach Äthiopien. Im Gegenzug das erhielten die Genossen das wichtige Konsumgut Kaffee, das so nicht teuer auf dem Weltmarkt eingekauft werden musste.

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