BIP bricht im Rekordtempo ein Europas größte Volkswirtschaft steckt in einer tiefen Rezession

Quelle: imago images

Die deutsche Wirtschaft ist auf dem Höhepunkt der Coronakrise abgestürzt. Das Bruttoinlandsprodukt bricht im zweiten Quartal in Rekordtempo ein. Europas größte Volkswirtschaft steckt in einer tiefen Rezession.

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Die Coronakrise hat für einen historischen Absturz der deutschen Wirtschaft gesorgt. Das Bruttoinlandsprodukt fiel von April bis Juni um 10,1 Prozent zum Vorquartal, wie das Statistische Bundesamt in einer Schnellmeldung mitteilte. Das sei der stärkste Rückgang seit Beginn der vierteljährlichen Berechnungen für Deutschland im Jahr 1970. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten ein Minus von 9,0 Prozent erwartet. Die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie hatten weite Teile der Wirtschaft lahmgelegt: Geschäfte, Hotels und Restaurants mussten schließen, Fabriken machten dicht, Veranstaltungen wurden abgesagt.

Da Europas größte Volkswirtschaft bereits im ersten Quartal wegen der beginnenden Pandemie um 2,0 Prozent geschrumpft ist, befindet sie sich nun auch offiziell in einer Rezession. Davon sprechen Ökonomen, wenn das Bruttoinlandsprodukt mindestens zwei Quartale in Folge gesunken ist.

„Nun ist sie amtlich – die Jahrhundertrezession“, sagte DekaBank-Ökonom Andreas Scheuerle. „Was bislang weder Börsencrashs noch Ölpreisschocks geschafft haben, vollbrachte ein 160 Nanometer kleiner Winzling namens Corona.“ Für das laufende dritte Quartal erwarten Volkswirte wieder ein Wachstum. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) sagt ein Plus von drei Prozent voraus. Dennoch werde es wohl zwei Jahre dauern, bis der historische Einbruch vom Frühjahr wettgemacht ist, sagte DIW-Konjunkturchef Claus Michelsen.

Inmitten der Coronapandemie publizieren die Statistiker das Bruttoinlandsprodukt, kurz BIP, erstmals 15 Tage früher als bisher. Michael Kuhn, Herr der Wachstumsdaten, erklärt, was dahinter steckt und wie gemessen wird.
von Tina Zeinlinger

Im abgelaufenen zweiten Quartal brachen sowohl die Exporte und Importe von Waren und Dienstleistungen „massiv“ ein, wie die Statistiker mitteilte. Aber auch die privaten Ausgaben und die Investitionen der Unternehmen in Ausrüstungen wie Maschinen oder Fahrzeuge wurden zurückgefahren. „Der Staat erhöhte dagegen seine Konsumausgaben während der Krise“, so das Bundesamt.

„Für den Rest des Jahres erwarten wir jetzt eine Aufholjagd“, sagte LBBW-Chefvolkswirt Uwe Burkert. „Wie kräftig die wird, hängt weniger von der Wirtschaftspolitik ab. Vielmehr gilt es, die weitere Entwicklung der Infektionszahlen zu verfolgen.“ Die steigen in vielen Ländern wieder, was die Sorge vor einer zweiten Welle schürt.

Die Bundesregierung hat für die Jahre 2020 und 2021 ein insgesamt 130 Milliarden Euro schweres Konjunkturpaket aufgelegt. Unter anderem wurde die Mehrwertsteuer am 1. Juli für ein halbes Jahr gesenkt: von 19 auf 16 Prozent beziehungsweise 7 auf 5 Prozent beim ermäßigten Steuersatz. Das soll den Konsum als wichtige Stütze der Konjunktur ankurbeln.



Trotz der erhofften Erholung rechnet die Bundesregierung im Gesamtjahr mit der schwersten Rezession seit Ende des Zweiten Weltkrieges. Sie ging zuletzt von einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukt um insgesamt 6,3 Prozent aus. Ähnlich düster sind andere Vorhersagen. In der Wirtschafts- und Finanzkrise 2009 war das deutsche BIP um 5,7 Prozent geschrumpft.

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Inmitten der Coronapandemie publizieren die Statistiker das Bruttoinlandsprodukt, kurz BIP, erstmals 15 Tage früher als bisher. Doch kaum einer weiß, was sich hinter dem Konjunkturindikator verbirgt. Michael Kuhn, Herr der Wachstumsdaten beim Statistischen Bundesamt, erklärt, wie das BIP gemessen wird – und warum „weiche“ Daten immer wichtiger werden. Das ganze Interview mit dem Statistiker lesen Sie hier.

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