Boom & Bust

Drei Szenarien: Wohin steuert die Konjunktur?

Die Konjunktur berappelt sich, die Zinsen sind niedrig, und Inflation ist kein Thema. Für die Börsen kann das Umfeld kaum besser sein. Doch wie lange hält dieser „Sweetspot“ an?

  • Teilen per:
  • Teilen per:
WirtschaftsWoche-Redakteur Malte Fischer Quelle: Frank Schemmann für WirtschaftsWoche

Wird Ihnen auch langsam mulmig? Kaum ein Tag vergeht, an dem Dow, Dax, Nikkei und Co. nicht weiter nach oben klettern. Seit dem Tief vom März dieses Jahres kennen die wichtigsten Indizes rund um den Globus nur eine Richtung: nach oben. Vorbei die Tage, da Aktien billig waren. Im März, als der Dax bei 3666 Punkten lag, belief sich das Kurs-Gewinn-Verhältnis im Schnitt auf 8, derzeit liegt es bei 20. Auch Gold, Silber, Öl und Unternehmensanleihen befinden sich im Höhenflug. Die Jubelstimmung an den Börsen ist eine Folge des extrem günstigen makroökonomischen Umfeldes.

Die Weltwirtschaft erholt sich, der Preisauftrieb ist gering, und die Zentralbanken sowie die Regierungen verspüren keine Eile, den Fuß vom Gaspedal zu nehmen. Dieser „Sweetspot“ der Konjunktur, da sind sich Experten einig, wird jedoch nicht ewig dauern. Wie geht es danach weiter?

Hier sind drei Szenarien, die derzeit an den Märkten heiß diskutiert werden. Bilden Sie sich Ihre Meinung – und stimmen Sie ab (siehe rechte Spalte), welches Szenario Ihnen am realistischsten erscheint!

Szenario 1: Double-Dip

Diesem pessimistischen Szenario zufolge ist das Kursfeuerwerk schon bald vorbei. Die Erholung der Konjunktur entpuppt sich als laues Lüftchen, als kurzes Atemholen der Weltwirtschaft, bevor sie wieder in die Rezession abtaucht. Wer an dieses Szenario glaubt, sollte auf fallende Aktienkurse und steigende Notierungen für Staatsanleihen setzen.

Die Frage ist nur: Was soll den befürchteten Double-Dip auslösen? Die Ungleichgewichte, die die Weltwirtschaft in den vergangenen Jahren belasteten, haben sich im Zuge der Rezession zurückgebildet, manche sind sogar ganz verschwunden. So haben die Häuserpreise in den angelsächsischen Ländern ihre Talsohle durchschritten, und die Bauwirtschaft hat sich gesund- geschrumpft. Die Banken fahren ihre Bilanzsummen zurück, und die US-Konsumenten haben das Sparen wieder als Tugend entdeckt. Ein Blick auf frühere Zyklen zeigt, dass es nur dann zu einem Double-Dip kommt, wenn die Notenbanken abrupt vom Gas- auf das Bremspedal wechseln. Das war nach der ersten Erholungsphase im Anschluss an die Weltwirtschaftskrise Mitte der Dreißigerjahre ebenso der Fall wie nach der Rezession Anfang der Achtzigerjahre. Dass die Notenbanker diesen Fehler wiederholen, ist unwahrscheinlich.

Szenario 2: Blutleere Erholung

Entwicklung wichtiger Aktienkurse

Realistischer ist daher das Szenario, das den meisten Prognosen zugrunde liegt. Demzufolge kommt es im Winterhalbjahr 2009/10 zu einer kräftigen Erholung der Konjunktur, die zunächst der Form eines V folgt. Bereits im Frühjahr 2010 geht dem Aufschwung aber wieder die Puste aus. Die Wirtschaft bricht zwar nicht ein, wächst aber für längere Zeit unterdurchschnittlich.

Grund: Die Impulse vom Wiederaufbau der Lager und den Konjunkturprogrammen ebben ab. Zugleich halten sich die Banken wegen ihrer dünnen Eigenkapitaldecke und der steigenden Unternehmenspleiten mit Krediten zurück. Dazu kommt die steigende Arbeitslosigkeit, die sich wie Mehltau auf die Konsumlaune legt. Weil die US-Verbraucher ihre Sparquote weiter erhöhen, fallen sie als Motor für die Weltwirtschaft aus. Die Aktien- und Rohstoffmärkte korrigieren, während sich die Bond-Märkte wegen der niedrigen Wachstums- und Inflationsraten gut schlagen.

Szenario 3: Up and Away

Wachstum der Weltwirtschaft

Noch hat Szenario 2 die meisten Anhänger und gilt Szenario 1 als das größte Risiko. Doch es könnte ganz anders kommen. Denn nie haben Geld- und Finanzpolitik so kräftig an einem Strang gezogen, um den Konjunkturkarren wieder flottzumachen. Was, wenn der Funke demnächst auf die Investitionen der Unternehmen überspringt? Dann wird die Weltwirtschaft zu einem kräftigen und selbsttragenden Aufschwung ansetzen. Den geografischen Ausgangspunkt dafür bildet Asien. Viele Länder der Region haben ihre Währungen an den Dollar oder den Euro gekoppelt. Durch dieses Festkurssystem importieren sie nolens volens die expansive Geldpolitik der amerikanischen und europäischen Zentralbank. 

Da ihr Bankensektor jedoch kaum von der Finanzkrise betroffen ist, entfalten die geldpolitischen Stimuli ungedämpft ihre Wirkung – ein riesiger Vitaminstoß für die globale Konjunktur. Denn die Nachfrage aus Asien kurbelt die Exporte, die Produktion und die Beschäftigung in den Industrieländern an – und beschert der Weltwirtschaft ein konjunkturell starkes Jahr 2010. Die Zentralbanken werden von dem kräftigen Aufschwung überrascht. Aus Furcht, die Konjunktur abzuwürgen, zögern sie, die Zinsen zu erhöhen. Erst im späteren Verlauf von 2010, wenn die Inflationserwartungen anziehen, treten sie auf die Bremse – allerdings zu zaghaft, um die Inflation einzufangen. Während der Aktienmarkt mit den höheren Teuerungsraten einigermaßen leben kann, geben die Kurse am Bond-Markt auf breiter Front nach, die Kapitalmarktzinsen steigen.

Zugegeben, so richtig anheimelnd ist keines der drei Szenarien. Aber dass nach der schwersten Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg rasch wieder rosige Zeiten anbrechen und Milch und Honig fließen, haben wohl selbst die größten Optimisten nicht erwartet.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%