Brasilien Flaute am Zuckerhut

Brasilien wächst weiterhin – aber unter seinem Potenzial. Ein Problem ist die zu geringe Produktivität der Industrie.

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Rio de Janeiro mit Jesus-Statue und Zuckerhut Quelle: dpa

Eigentlich müsste bei den brasilianischen Farmern Hochstimmung herrschen: Sie fahren gerade eine Rekordernte an Mais und Soja ein. Wegen der Dürre in den USA sind die Preise dafür auf den Spotmärkten seit zwei Monaten stark gestiegen. Dennoch können sich Brasiliens Farmer nicht so richtig freuen. Viele bekommen ihre Ernte weder an die Küste transportiert noch nach Übersee verschifft.

Die Straßen an die Atlantikküste sind voller Schlaglöcher und chronisch überlastetet, genauso wie die Häfen. Die werden zudem seit Wochen bestreikt. Vor den drei großen südbrasilianischen Häfen warten mehrere Dutzend Frachter auf die Einfahrt. Verzweifelt lagern die Farmer derweil Mais und Soja auf ihren Feldern und hoffen, dass kein Regen die Ernte verdirbt.

Der Kollaps von Brasiliens Straßen, Häfen, Flughäfen und Schienennetzen ist für die Landwirtschaft eine Katastrophe. Mit Agrarprodukten wie Zucker, Kaffee, Soja, Rindfleisch oder Orangensaft dominieren brasilianische Farmer den Weltmarkt. Sie zählen zu den wichtigsten Lebensmittellieferanten einer wachsenden Weltbevölkerung. Doch was nützt es, wenn die Straßen fehlen, um Soja zu transportieren, die Pipelines, um Ethanol in die Ballungsräume zu pumpen, oder die Häfen, um Zucker oder Rinderhälften zu verschiffen? Diese Frage stellt sich auch für den Bergbau, der ebenfalls zu den wichtigsten Lieferanten des Weltmarkts gehört. Anfang des Jahres legten schwere Regenfälle die Minen von Vale, des Weltmarktführers für Eisenerz lahm. Die Züge kamen nicht an die Küste.

Die größten Rohstoffkonzerne der Welt

Ausfälle in Bergbau und Landwirtschaft

Die Ausfälle im Bergbau und in der Landwirtschaft schaden der gesamten Volkswirtschaft. Noch im vergangenen Jahr konnte der Export von Erz und Agrargütern die Wachstumsschwäche der Industrie ausgleichen. In diesem Jahr nicht. Die Industrie lahmt wegen der hohen Kosten und unter dem anhaltend hohen Wechselkurs des Real. Brasilien wird dieses Jahr weniger als zwei Prozent wachsen, nach bereits mageren drei Prozent im vergangenen Jahr. Das ist zwar vor dem Hintergrund der Krise in der Weltwirtschaft keine Katastrophe – doch sehr bescheiden für ein Land, das zu den Kraftprotzen der Weltwirtschaft gehören will.

Schlusslicht Brasilien

Reales Wirtschaftswachstum der Bric-Staaten

 

2010

2011

2012

Brasilien

7,5 %

2,7 %

2,5 %

Russland

4,3 %

4,3 %

3,0 %

China

10,4 %

9,2 %

8,4 %

Indien

8,2 %

7,5 %

5,9 %

Quelle: HSBC

Auf Druck der Regierung hat die Zentralbank den Leitzins von zwölf Prozent noch vor einem Jahr auf jetzt 7,5 Prozent gesenkt. Bei einer Inflationsrate von fünf Prozent liegt der Realzins so niedrig wie zuvor. „Das hätte vor einem Jahr niemand für möglich gehalten“, staunt Mauro Leos, Lateinamerika-Experte der Ratingagentur Moody’s. Mit der Zinssenkung soll vor allem der weitere Anstieg des Außenwerts des Real verhindert werden, der den Exporteuren das Geschäft erschwert.

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