Brasilien Flaute am Zuckerhut

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Lizenzen versteigern

Diese Volkswirtschaften geben 2050 den Ton an
Skyline Berlin schön Quelle: dpa
Eine Frau verkauft Hülsenfrüchte Quelle: REUTERS
Platz 9: Russland und der IranDank erneut hoher Ölpreise und einer stark steigenden Konsumnachfrage ist das russische BIP im Jahr 2011 laut amtlicher Statistik um 4,3 Prozent gewachsen. Für die kommenden drei Jahre sagen die HSBC-Experten Wachstumsraten in ähnlicher Größenordnung voraus. Sie gehen davon aus, dass Russland bis 2050 durchschnittlich um 3,875 Prozent wächst. Damit würde das Riesenreich in der Liste der größten Volkswirtschaften der Welt von Rang 17 (2010) auf Rang 15 steigen. Ebenfalls eine durchschnittliche Wachstumsrate von 3,875 Prozent bis 2050 prophezeit die britische Großbank dem Iran. Im Jahr 2011/2012 betrug das Bruttoinlandsprodukt Schätzungen zufolge circa 480 Milliarden US-Dollar. Zu den wichtigsten Wirtschaftszweigen Irans zählen die Öl- und Gasindustrie, petrochemische Industrie, Landwirtschaft, Metallindustrie und Kfz-Industrie. Die Inflationsrate wird von offizieller Seite mit 22,5 Prozent angegeben, tatsächlich liegt sie bei über 30 Prozent. Die Arbeitslosenrate beträgt offiziellen Angaben zufolge 11,8 Prozent. Quelle: dpa-tmn
Ginza-Viertel in Tokio Quelle: dpa
Mexikanische Flagge Quelle: dapd
Copacabana Quelle: AP
Baustelle in Jakarta Quelle: AP

Mit ihrer Initiative stellt Rousseff die Wirtschaftspolitik ihres Vorgängers Luiz Inácio Lula da Silva auf den Kopf. Rousseff scheint klargeworden zu sein, dass mit öffentlichen Mitteln weder bis zur Fußball-WM 2014 noch zu den Olympischen Spielen 2016 die gravierenden Infrastrukturprobleme Brasiliens in den Griff zu bekommen sind. Die Präsidentin will deswegen den Bau von 5000 Kilometer Straße sowie 12.000 Kilometer neue Schienentrassen ausschreiben, dazu die Lizenzen für fünf neue Flug- und Meereshäfen versteigern. „Das könnte einen Zeitenwechsel in der Wirtschaftspolitik einleiten“, sagt Lateinamerika-Experte Gary Newman von Morgan Stanley, „erstmals versucht die Regierung, langfristige Probleme nicht mit kurzfristigen Konsumsteigerungen zu lösen.“

Ob es gelingt, wird sich zeigen. „Die Regierung muss erst noch beweisen, dass sie an so vielen Fronten gleichzeitig die Ausschreibungen fristgerecht organisieren kann“, ist Newmans Kollege Arthur Carvalho bei Morgan Stanley eher skepetisch.

Ein anderes Problem ist die geringe Konkurrenzfähigkeit der brasilianischen Industrie. Weil die Löhne hoch sind und die Produktivität niedrig, leiden die Unternehmen unter horrenden Arbeitskosten. Dazu kommt: Viele Arbeitskräfte sind mangelhaft ausgebildet, Fachkräfte fehlen. Deshalb und auch wegen einer hohen Steuerbelastung sind Produkte brasilianischer Konzerne immer weniger wettbewerbsfähig. „Die ganze Welt außer China erlebt eine Deindustrialisierung“, sagt der renommierte brasilianische Ökonom Edmar Bacha, „doch in Brasilien geht das derzeit besonders schnell.“

So schrumpfte der Anteil der Industrie am BIP seit 2010 von 16,2 auf 14,6 Prozent. Selbst Unternehmen mit erwiesener Spitzentechnologie im Angebot wie der Flugzeugbauer Embraer haben Schwierigkeiten, ihre in Brasilien gefertigten Jets weltweit zu verkaufen. Denn wettbewerbsfähig sind die brasilianischen Konzerne mit ihrem Know-how auf jeden Fall – doch immer öfter können sie das nur noch beweisen, wenn sie im Ausland produzieren. Das zeigt Ambev, der größte Getränkehersteller Lateinamerikas, oder der Stahlhersteller Gerdau, die Nummer eins bei Langstahl in den USA.

Angewandter Durchschnittszoll auf Importe Quelle: WTO

Zölle und Subventionen

Bisher schützt die Regierung ihre Industrie mit Zöllen und Subventionen vor der ausländischen Konkurrenz. Ausländische Unternehmen werden dazu gezwungen, möglichst viel lokal zu produzieren. Doch dieser Protektionismus schadet mehr, als er nutzt, klagt Ökonom Bacha: „Brasilien schützt seinen Binnenmarkt, anstatt seine Unternehmen wettbewerbsfähig für den Weltmarkt zu machen.“

Dennoch sind die meisten Ökonomen verhalten optimistisch. Das Land wird weiterhin ein Ort der Stabilität in einer kriselnden Weltwirtschaft sein. „Brasilien wird sich von einer weltweiten Rezession schneller erholen als die meisten Emerging Markets und alle Industrieländer“, prophezeit etwa der renommierte Ökonom Kenneth Rogoff.

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