
Seit drei Wochen ist DHL-Chef Frank Appel schon in China unterwegs. Ein Höhepunkt seines Aufenthalts ist die Eröffnung des "North Asia Hub" in Shanghai am vergangenen Donnerstag. Die Metropole an Chinas Ostküste wird neben Leipzig, Cincinnatti und Hongkong die vierte große Drehscheibe des Logistik-Unternehmens. "Chinas Aufstieg ist in jeder Hinsicht gewaltig", sagte Appel zur Eröffnung. 143 Millionen Euro haben die Deutschen in das Paketzentrum nahe des Flughafens Pudong investiert, weitere 100 Millionen sollen in den nächsten Jahren folgen.
Am Tag darauf erscheinen die Quartalszahlen und einige Analysten sprechen bereits von der oft beschworenen "Soft Landing", der weichen Landung der chinesischen Wirtschaft. Schlechtes Timing für die DHL?
Um 7,6 Prozent ist die chinesische Wirtschaft im zweiten Quartal im Vergleich zum Vorjahr gewachsen. Das ist keine Überraschung, bereits im Vorfeld der Bekanntmachung deutete vieles auf ein abgeschwächtes Wachstum hin - von einer seriösen Umfrage der Nachrichtenagentur Reuters unter Ökonomen bis hin zu skurrileren Hinweisen: So ist zum Beispiel der Gewinnzuwachs der Casinos in Macao eng mit dem chinesischen Wirtschaftswachstum korreliert. Dort verpulvern reiche Chinesen nämlich ihr Geld. Die Rate liegt momentan nur wenig über den Tiefständen während der Finanzkrise 2008/2009.
Gründe für die Wachstumsschwäche
7,6 Prozent Wachstum wären in westlichen Industriestaaten Anlass zur Partystimmung. In China aber sorgt der Wert für Sorgenfalten. Zwar liegt das von der Regierung formulierte Wachstumsziel bei 7,5 Prozent und damit knapp unter dem tatsächlichen. Doch offizielle Ziele sind in China dazu da, übertroffen zu werden.
Auch andere Indikatoren verheißen nichts Gutes: Der Einkaufsmanager-Index verharrt seit einiger Zeit unter 50 Punkten. Am Freitag gab dann auch noch Vize-Premier Wang Qishan bekannt, dass das Ziel von zehn Prozent Handelswachstum vielleicht verfehlt werden könnte. Gründe für die Wachstumsschwäche sind die schwächelnde Exporte nach Europa, eine noch nicht recht anspringende Binnenkonjunktur und ein stagnierender Immobilienmarkt.
Unsicherheit bei Chinas Banken
Die Inflation dagegen, noch vor einem Jahr mit über fünf Prozent eines der größten wirtschaftlichen Sorgenkinder Pekings gilt mit 2,2 Prozent als gebändigt. Das gibt der Regierung immerhin Spielraum für eine expansivere Geldpolitik. Vergangene Woche senkte die Bank of China die Leitzinsen auf 6 Prozent - eigentlich ein positives Signal. Allerdings war dies die zweite Senkung innerhalb eines Monats, was eher auf Unsicherheit und Hektik hindeutete als auf kontrollierte Wachstumsimpulse. Auch die Mindesteinlagen für Banken (die Reserve Requirement Ratio "RRR") hat Peking bereits dreimal in Folge gesenkt.
Doch der große Wachstumsschub bleibt aus: Nach 8,1 Prozent Wachstum im ersten Quartal ist das der niedrigste Wert seit knapp drei Jahren. Damals brach die Weltkonjunktur im Zuge der Lehman-Pleite ein. Von den Schockwirkungen konnte sich die immer noch exportorientierte Wirtschaft Chinas nicht schützen: Rund 20 Millionen Wanderarbeiter waren quasi von einem Tag auf den anderen arbeitslos. Nichts fürchtete das auf Stabilität versessene Peking mehr als unzufriedene Bürger. Ein gewaltiges Konjunktur-Paket von knapp 500 Milliarden Euro bewahrte China und mitunter auch die Weltwirtschaft vor Schlimmeren. (Sie führten im Land allerdings auch zu einer Unmenge von faulen Krediten und Investitionen in sinnlose Infrastrukturprojekte.)