Corona-Politik Wie Ifo-Chef Fuest den Schweden-Weg entzaubert

Corona hat viele Menschen stark eingeschränkt. Das war nicht nur gesundheitlich sinnvoll, sondern auch wirtschaftlich, sagt Ökonom Clemens Fuest. Quelle: dpa

Die Corona-Politik war bislang vor allem von Versuch und Irrtum geprägt. Klar schien immerhin, dass die Wirtschaft stärker leidet, je strenger die Beschränkungen sind. Neue Zahlen zeigen nun: Selbst das stimmt so nicht.

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Nachdem die Pandemie für die meisten ihr überdrüssigen Menschen in eine verdiente Sommerpause gegangen war und sowohl in den journalistischen als auch den sozialen Medien eine immer geringere Rolle spielte, kehrt Corona nun zurück. Der Herbst ist da und bringt rapide steigende Fallzahlen und mit ihnen auch wieder mehr Aufmerksamkeit auf die Pandemie. Es geht um Impfdurchbrüche, Impfungen allgemein und natürlich auch immer wieder um die Corona-Politik.

Ifo-Chef Clemens Fuest trifft also genau den Nerv der Zeit, wenn er jetzt eine (vorläufige) Corona-Bilanz aus Sicht eines Ökonomen präsentiert. So geschehen am Mittwoch bei einer Tagung des Deutschen Hochschulverbandes.

Der Ökonom hat klare Positionen mitgebracht, von denen viele seine Zuhörer überraschen. So verteidigt der Ökonom etwa die Corona-Lockdowns. Einiges sei zwar schädlich gewesen, etwa, die Grenzen zu schließen. Alles in allem habe der Lockdown der Wirtschaft jedoch kaum mehr geschadet als seine Alternativen.

Fuest greift auf eine breite Datenbasis zurück, mit deren Hilfe er Orte mit und Orte ohne Lockdown vergleicht. Das Ergebnis: Überall ist die Wirtschaft eingebrochen, an Orten mit Lockdown nur geringfügig stärker.

Die Menschen hätten sich also auch an Orten ohne Beschränkungen selbst welche auferlegt, seien nicht ins Theater oder Restaurant gegangen. „Lockdown-Tourismus, wie ihn viele befürchtet hatten, gab es auch kaum“, erklärt Fuest. „Da waren die Menschen schlauer, als man ihnen zugetraut hatte.“

Die Folge: In Schweden etwa, dem Vorbild für eine offene Corona-Politik, sank das Bruttoinlandsprodukt ähnlich stark wie in den Nachbarländern. Die wirtschaftlichen Vorteile der umstrittenen Entscheidung waren also überschaubar.

An anderer Stelle zeigen sich indes enorme Unterschiede: Die Länder ohne Lockdown verzeichnen laut Fuest deutlich höhere Sterberaten als die mit. So gab es im Lockdown-Land Finnland etwa 100 Tote pro eine Million Einwohner. Im offenen Schweden waren es etwa 850. Auch die USA und Großbritannien, die lange Zeit auf Herdenimmunität gesetzt hatten, verzeichnen hohe Sterberaten.

Besonders bitter: Großbritannien konnte mit etwa 1100 Toten pro eine Million Einwohner nicht nur besonders schlecht die Gesundheit seiner Bürger schützen. Darüber hinaus stürzte das – gleichzeitig durch den Brexit gebeutelte – BIP auch noch um mehr als elf Prozent ab.

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Fuests Fazit: Am besten sei es jenen Ländern ergangen, die das Infektionsgeschehen möglichst schnell unter Kontrolle bringen konnten, mit niedrigen Infektionszahlen und einer frühen Test- und Nachverfolgungsstrategie.

Niedrig sind die Infektionszahlen in Deutschland nicht mehr, 130 betrug die Inzidenz am Donnerstag. Auch die Hospitalisierungsrate steigt so sehr, dass erste Mediziner wieder vor einer Überlastung der Krankenhäuser warnen. Ein Lockdown soll nun indes auch in Deutschland nicht mehr das Mittel der Wahl sein. Stattdessen sollen es Impfungen und möglichst flächendeckende Tests richten – so lange genug Menschen mitmachen.

Mehr zum Thema: Seit dem 11. Oktober müssen die meisten Menschen selbst für ihren Corona-Test zahlen. So reagieren die Anbieter, so viel kosten jetzt die Corona-Tests.

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