David Ricardo Der Freihändler

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Nutzlose Staatsprogramme

Schuldenuhr Quelle: dapd

Neben dem Handel lässt sich Ricardos Theorie auf alle Formen der Arbeitsteilung im sozialen und wirtschaftlichen Gefüge der Gesellschaft anwenden. So wäre es beispielsweise unsinnig, wenn ein hochbezahlter Manager, der sowohl schneller schreiben als auch rechnen kann als seine Sekretärin, diese nach Hause schickt und beide Arbeiten selbst erledigt. Sinnvoller ist es, er konzentriert sich auf diejenige Arbeit, bei der sein komparativer Vorteil am größten ist, etwa das Rechnen, und überlässt seiner Sekretärin das Schreiben von Briefen. Am Ende des Arbeitstages haben beide zusammen mehr erledigt, als wenn der Chef alles allein gemacht hätte.

Ricardo war nicht nur ein Verfechter freier Märkte, er war auch ein Gegner staatlicher Schulden, in denen er „eine der schrecklichsten Geißeln, die jemals zur Plage einer Nation erfunden wurden“, sah. Daher forderte er, den durch die Kriege angehäuften Schuldenberg Englands durch eine einmalige Vermögensabgabe rasch zu tilgen. Die Steuer würde das Vermögen der Bürger nicht verringern, da diese ohnehin in Zukunft höhere Steuern an den Staat entrichten müssten, um dessen Schuldendienst zu finanzieren. Die einmalige Abgabe entspräche dem Barwert der in Zukunft auf die Bürger ohnehin zukommenden Last. Der Gedanke, dass die „Defizite von heute die Steuern von morgen sind“, ist als Äquivalenztheorem in die wirtschaftswissenschaftliche Literatur eingegangen.

Der US-Ökonom Robert Barro griff diesen Gedanken 1974 wieder auf und entwickelte daraus die Barro-Ricardo-Äquivalenzproposition. Der Grundgedanke: Bei rationaler Erwartungsbildung erkennen die Bürger, dass eine schuldenfinanzierte Steuersenkung zu höheren Steuern in der Zukunft führt und ihr Lebenseinkommen nicht steigert. Da der Konsum vom Lebenseinkommen bestimmt wird, halten sie ihre Ausgaben konstant und stecken das zusätzliche Einkommen in die Ersparnisse. Kreditfinanzierte Steuersenkungen laufen daher konjunkturell ins Leere. Analog gilt für kreditfinanzierte Ausgabenprogramme des Staates, dass die Bürger daraufhin für die Zukunft steigende Steuern erwarten. Das schmälert ihr Lebenseinkommen und verringert so den aktuellen Konsum. Die nachfrageanregende Wirkung zusätzlicher Staatsausgaben wird konterkariert. Ricardianisch argumentierende Ökonomen stehen daher auf Kriegsfuß mit den Lehren des britischen Ökonomen John Maynard Keynes, der Schulden als Instrument zur Glättung von Konjunkturzyklen ansah.

David Ricardo starb am 11. September 1823 im Alter von 51 Jahren an den Folgen einer Mittelohrentzündung. Mit ihm endete das Zeitalter der klassischen Nationalökonomie.

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