Denkfabrik Braucht das Währungssystem einen Goldanker?

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Contra

Thomas Mayer ist Chefvolkswirt der Deutschen Bank in Frankfurt

Thomas Mayer, Chefvolkswirt der Deutschen Bank in Frankfurt, ist gegen die Idee des Goldstandards.

Ben Bernanke, der Chef der amerikanischen Notenbank Fed, hat jüngst die Meinung vertreten, dass die US-Geldpolitik nichts zum Entstehen der Immobilien- und Kreditblase beigetragen habe. Damit hat er zu Recht viel Widerspruch provoziert. Es ist daher verständlich, wenn manche Beobachter nun einen grundsätzlichen institutionellen Wandel in der Geldpolitik fordern – und für eine Gold- oder Rohstoffdeckung der ausstehenden Zentralbankgeldmenge plädieren.

Ich halte davon allerdings nichts. Die historische Erfahrung zeigt, dass auch eine an Gold gebundene Währung kein Garant für eherne Finanz- und Geldwertstabilität ist. Im Goldstandard des 19. Jahrhunderts gab es zahlreiche Finanzkrisen, die oft heftige Rezessionen zur Folge hatten – allein 24 in den USA mit einer Dauer von bis zu fünf Jahren und Einbrüchen des Bruttoinlandsprodukts von bis zu 37 Prozent. Dazu kamen ausgeprägte Inflationszyklen mit Raten, die in den USA von plus 25 bis minus 16 Prozent reichten. Zum einen wurden diese Zyklen von Variationen der Goldförderung und damit des Zentralbankgeldangebots getrieben. Zum anderen verwässerten Staaten in Zeiten von Geldnot den Edelmetallgehalt ihrer Währungen. So verringerte zum Beispiel Österreich im Kriegsjahr 1812 den Silbergehalt seiner Münzen um 55 Prozent. Die Rückkehr zum Goldstandard nach seiner Suspendierung während des Ersten Weltkriegs konnte auch die globale Aktienblase in den Zwanziger‧jahren des vergangenen Jahrhunderts nicht verhindern. Im Gegenteil: Der Goldstandard hat nach dem Crash von 1929 die wirtschaftliche Erholung deutlich erschwert. In Ländern, die sich früh vom Goldstandard verabschiedet hatten (etwa Großbritannien), setzte die wirtschaftliche Erholung eher ein als in Staaten wie den USA, die länger am Gold festhielten.

Hätten wir vor der jüngsten Finanzkrise ein goldgedecktes Geldsystem gehabt und während der Krise daran festgehalten, wäre der Abschwung mit hoher Wahrscheinlichkeit viel brutaler verlaufen als es 2008 und 2009 der Fall war.

Insgesamt kann man daher festhalten, dass gold- oder rohstoffgedeckte Geldsysteme kein Allheilmittel gegen Inflations- und Spekulationszyklen waren. Anstatt daher zu versuchen, eine Rolle rückwärts in der Geschichte zu machen, wäre es ratsamer, das bestehende System zu verbessern. Das kann unter anderem dadurch geschehen, dass die Geldpolitik stärker als bisher die Finanz- und Kreditmärkte ins Visier nimmt. Wird dies aber wieder versäumt, könnte es durchaus sein, dass Gold dennoch an Bedeutung gewinnt – als internationale Reservewährung.

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