Denkfabrik Braucht das Währungssystem einen Goldanker?

Die Angst vor Inflation und einem Zerfall des Weltwährungssystems macht die Idee des Goldstandards wieder populärer. Kann ein solcher Anker das Finanzsystem stabilisieren? Was die Chefvolkswirte der Deutschen Bank und Barclays Capital sagen.

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Pro

Thorsten Polleit, Chefvolkswirt der Degussa Goldhandel

Thorsten Polleit, Chefvolkswirt der Investmentbank Barclays Capital, spricht sich für die Idee des Goldstandards aus.

Die Währungsgeschichte zeigt unmissverständlich: Die größte Gefahr für den Geldwert ist der Staat. Diese Gefahr ist besonders akut im staatlich beherrschten Papiergeldsystem, in dem die Geldmenge jederzeit in beliebiger Menge ausgeweitet werden kann. 1971 wurde das Eintauschrecht der Währungen in Gold aufgehoben, seither wird das Geld von den staatlichen Zentralbanken „aus dem Nichts“ per Kredit geschaffen – ohne dass dafür Ersparnisse zur Verfügung stehen. Dieses Geld ist inflationär und provoziert eine Wirtschafts- und Finanzkrise nach der anderen. Der Versuch, diese Krisen mit immer mehr Kredit und Geldschaffen aus dem Nichts zu „bekämpfen“, verschlimmert die Missstände zusehends. Die Verschuldung von Privaten und Staaten steigt immer weiter an und beschwört eine Überschuldungssituation herauf, in der das Drucken von immer mehr Geld als das vergleichsweise kleinste Übel gilt. Früher oder später kommt es zur Hyperinflation.

Fatalerweise werden in der Öffentlichkeit die Krisen, die das Staatsgeld provoziert, als Versagen des freien Marktsystems gedeutet. Mit immer weiter gehenden Einschränkungen der wirtschaftlichen und bürgerlichen Freiheiten sollen die Übelstände überwunden werden. Ein unheilvoller Weg. Die Rückkehr zu „gutem Geld“ ist daher das Gebot der Stunde: Geld, dessen Produktion im Einklang mit dem freien Markt steht. Geld, das im Wettbewerb angeboten und nachgefragt wird. Friedrich August von Hayek (1899–1992) zeigte überzeugend, dass der „Wettbewerb der Währungen“ Geld in -einer Qualität schafft, die der Staat niemals erreichen kann. In einem Marktgeldsystem wird nicht etwa vorgegeben, was Geld ist, sondern die Menschen können das Geld frei wählen. Vermutlich würden Edelmetalle – allen voran Gold und Silber – die Geldfunktion übernehmen. Sogar ein frei gewählter Goldstandard könnte entstehen.

Alles, was solch ein System zum Funktionieren braucht, ist ein Rechtssystem, das Sorge für die Vertragsfreiheit und -rechte trägt. Der Staat spielt keine aktive Rolle. Die Zentralbanken könnten geschlossen werden, das willkürliche Herummanipulieren an Geldmenge und Zins, das so große volkswirtschaftliche Schäden verursacht, würde beendet. In einem Marktgeldsystem wären die Konjunkturverläufe weniger schwankungsanfällig, weil es Fehlinvestitionen entgegenwirkt. Der Spielraum für Staatsinterventionen würde zurückgedrängt. Und so würde auch die Zerstörung von Freiheit und Wohlstand, für die eine monetäre Planwirtschaft sorgt, entschärft.

Contra

Thomas Mayer ist Chefvolkswirt der Deutschen Bank in Frankfurt

Thomas Mayer, Chefvolkswirt der Deutschen Bank in Frankfurt, ist gegen die Idee des Goldstandards.

Ben Bernanke, der Chef der amerikanischen Notenbank Fed, hat jüngst die Meinung vertreten, dass die US-Geldpolitik nichts zum Entstehen der Immobilien- und Kreditblase beigetragen habe. Damit hat er zu Recht viel Widerspruch provoziert. Es ist daher verständlich, wenn manche Beobachter nun einen grundsätzlichen institutionellen Wandel in der Geldpolitik fordern – und für eine Gold- oder Rohstoffdeckung der ausstehenden Zentralbankgeldmenge plädieren.

Ich halte davon allerdings nichts. Die historische Erfahrung zeigt, dass auch eine an Gold gebundene Währung kein Garant für eherne Finanz- und Geldwertstabilität ist. Im Goldstandard des 19. Jahrhunderts gab es zahlreiche Finanzkrisen, die oft heftige Rezessionen zur Folge hatten – allein 24 in den USA mit einer Dauer von bis zu fünf Jahren und Einbrüchen des Bruttoinlandsprodukts von bis zu 37 Prozent. Dazu kamen ausgeprägte Inflationszyklen mit Raten, die in den USA von plus 25 bis minus 16 Prozent reichten. Zum einen wurden diese Zyklen von Variationen der Goldförderung und damit des Zentralbankgeldangebots getrieben. Zum anderen verwässerten Staaten in Zeiten von Geldnot den Edelmetallgehalt ihrer Währungen. So verringerte zum Beispiel Österreich im Kriegsjahr 1812 den Silbergehalt seiner Münzen um 55 Prozent. Die Rückkehr zum Goldstandard nach seiner Suspendierung während des Ersten Weltkriegs konnte auch die globale Aktienblase in den Zwanziger‧jahren des vergangenen Jahrhunderts nicht verhindern. Im Gegenteil: Der Goldstandard hat nach dem Crash von 1929 die wirtschaftliche Erholung deutlich erschwert. In Ländern, die sich früh vom Goldstandard verabschiedet hatten (etwa Großbritannien), setzte die wirtschaftliche Erholung eher ein als in Staaten wie den USA, die länger am Gold festhielten.

Hätten wir vor der jüngsten Finanzkrise ein goldgedecktes Geldsystem gehabt und während der Krise daran festgehalten, wäre der Abschwung mit hoher Wahrscheinlichkeit viel brutaler verlaufen als es 2008 und 2009 der Fall war.

Insgesamt kann man daher festhalten, dass gold- oder rohstoffgedeckte Geldsysteme kein Allheilmittel gegen Inflations- und Spekulationszyklen waren. Anstatt daher zu versuchen, eine Rolle rückwärts in der Geschichte zu machen, wäre es ratsamer, das bestehende System zu verbessern. Das kann unter anderem dadurch geschehen, dass die Geldpolitik stärker als bisher die Finanz- und Kreditmärkte ins Visier nimmt. Wird dies aber wieder versäumt, könnte es durchaus sein, dass Gold dennoch an Bedeutung gewinnt – als internationale Reservewährung.

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