Denkfabrik Warum der Roboter doch kein Jobkiller ist

Der Ökonom Hilmar Schneider über die positiven Jobeffekte der Digitalisierung und die übertriebene Angst vor Robotern. Quelle: dpa

Digitalisierung und technischer Fortschritt schaffen mehr neue Arbeitsplätze, als sie alte vernichten. Das erhöht unseren Wohlstand.

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Im Jahr 2013 erschien ein Aufsatz der Wissenschaftler Carl Benedikt Frey und Michael Osborne zu den Beschäftigungsfolgen der Digitalisierung, der zu einer der meistzitierten Veröffentlichungen in der Arbeitsmarktforschung avancierte. In ihrer Studie kamen die Autoren zu dem Schluss, dass knapp 50 Prozent der Jobs in den USA künftig durch Computer ersetzbar seien. Sie benutzten dazu Daten von 2010, und es blieb offen, in welchem Zeitraum sich dieser Prozess abspielen könnte. Die Studie beruhte letztlich auf berufsspezifischen Schätzungen, wie wahrscheinlich die Automatisierung bestehender Jobs ist. Da stellt sich die Frage: Ergibt eine solche Methodik überhaupt Sinn?

Denn mit diesem Vorgehen richtet sich der Blick einseitig auf den Zerstörungseffekt der Digitalisierung und blendet das Potenzial neu entstehender Jobs systematisch aus. Dass damit bestenfalls die halbe Wahrheit erfasst wird, müsste schon allein der Blick auf die aktuelle Arbeitsmarktsituation lehren. Bislang kann jedenfalls keine Rede davon sein, dass in den USA seit 2010 massenhaft Jobs verschwunden sind. Eher ist das Gegenteil der Fall.

2010 wurden in den USA 139 Millionen Erwerbstätige gezählt, knapp zehn Jahre später sind es schon weit über 150 Millionen. Die Arbeitslosenquote liegt bei nur vier Prozent. Ähnlich sieht die Situation in Deutschland und vielen anderen Staaten aus. Es gibt nur wenige Länder, die seit 2010 einen Beschäftigungsabbau verkraften mussten. Und dort, wo er eingetreten ist, hat er mit der Digitalisierung am allerwenigsten zu tun.

Fünf Millionen zusätzliche Jobs

Eine aktuelle Studie des Institute of Labor Economics (IZA) und des ZEW-Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung bestätigt nun, dass fortschreitende Digitalisierung insgesamt mit einem Beschäftigungszuwachs einhergeht. Die Forscher verglichen darin die Zerstörungseffekte der Digitalisierung und ihre arbeitsplatzschaffende Wirkungen. Ergebnis: Die Automatisierung hatte zumindest in den 2000er-Jahren einen positiven Nettoeffekt auf den Arbeitsmarkt und sorgte europaweit unter dem Strich für fünf Millionen zusätzliche Jobs. Für eine aktuellere Analyse fehlen derzeit noch die Daten, aber es ist nicht davon auszugehen, dass sich an dem positiven Gesamtbild bis heute etwas geändert hat.

Die entscheidende Voraussetzung für Jobwachstum ist der Produktivitätsfortschritt. Der ökonomische Mechanismus besteht darin, dass Produktivitätsfortschritt die Herstellung oder Beschaffung bestimmter Produkte verbilligt. Dadurch werden zwar in der Tat Arbeitsplätze vernichtet, deren Existenz an der vormaligen Produktions- oder Beschaffungsweise hing. Man könnte dies als den Primäreffekt von Produktivitätsfortschritt bezeichnen. Der Produktivitätszuwachs verschafft den Konsumenten über verbilligte Produkte aber zugleich zusätzlichen finanziellen Spielraum, den sie vor allem für zusätzlichen Konsum verwenden. Diese zusätzliche Güternachfrage induziert eine entsprechende Arbeitsnachfrage – was den Jobverlust aufgrund des Produktivitätsfortschritts kompensiert. Ein Plus an Produktivität führt daher nicht nur zu einem Netto-Beschäftigungszuwachs, sondern erhöht auch den gesellschaftlichen Wohlstand: Die Menschen können sich für das gleiche Geld mehr leisten als vorher.

Technischer Fortschritt ist also gewissermaßen ein Geschenk, durch das Menschen wohlhabender werden, und die Quelle dieses Geschenks ist menschlicher Erfindungsgeist. Es gibt nicht den geringsten Grund für die Befürchtung, dass es sich in dieser Hinsicht mit der Digitalisierung anders verhalten könnte als mit all den anderen Innovationen der Menschheitsgeschichte.

Weiterbildung unerlässlich

Paradoxerweise wird die Automatisierung trotzdem gerne verteufelt. Die meisten Menschen setzen stattdessen größere Hoffnungen in höhere Löhne als Instrument zur Wohlstandsmehrung. Gemäß der Kaufkrafttheorie schaffen steigende Löhne zusätzliche Nachfrage. Der Haken daran ist, dass das dafür notwendige Geld nicht einfach entsteht, sondern durch Preisüberwälzung gewonnen werden muss. Steigende Löhne induzieren somit steigende Preise, sodass in realer Betrachtung kein Wohlstandszuwachs entsteht. Im Gegensatz zu technischem Fortschritt sind steigende Löhne also kein echtes Geschenk für die Gesellschaft.

Lohnzuwächse, die mit Produktivitätszuwächsen begründet werden, entspringen erst recht einer Illusion. Sie machen Arbeitnehmer im schlimmsten Fall sogar ärmer. Nämlich dann, wenn Firmen dadurch Wettbewerbsnachteile entstehen, die insgesamt Arbeitsplätze und damit Einkommensquellen kosten.

Das eigentliche Problem der Digitalisierung besteht nicht in einer schrumpfenden Arbeitsnachfrage, sondern in der Bewältigung des Anpassungsbedarfs durch die Verbreitung neuer Technologien. Die richtige Antwort darauf lautet weder bedingungsloses Grundeinkommen noch Vorruhestand, sondern schlicht und ergreifend: fortwährende Weiterbildung der Arbeitnehmer.

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