Denkfabrik Was wir in Sachen Energiepolitik von Japan lernen können

Energie sparen wie in Tokio? Was Deutschland von Japans Energiepolitik lernen kann Quelle: imago images

Deutschland muss Strom sparen und die Energieeffizienz verbessern. Die Wirtschaftsweisen fordern dazu klare Signale und Anreize der Politik. Ein Gastbeitrag.

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Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat Deutschlands hohe Abhängigkeit von russischen Energieträgern als bedeutendes Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung offengelegt. Daher hat der Sachverständigenrat bereits im März angemahnt, dass Deutschland umgehend alle Hebel in Bewegung setzen sollte, um diese Abhängigkeit zügig zu beenden und die Energiesicherheit zu steigern.

Seither hat die Regierung die Erschließung neuer Lieferquellen vorangetrieben. Sie hat für Flüssiggas (LNG) vier schwimmende Terminals bestellt, zwei davon sollen noch in diesem Jahr den Betrieb aufnehmen. Zudem befinden sich bereits zwei stationäre LNG-Terminals im Bau, deren Planungsprozess die Politik beschleunigt hat.

Zugleich wurden die Importe von LNG, etwa aus den USA, signifikant gesteigert und Verhandlungen mit neuen Lieferanten wie Katar aufgenommen. Auch die Importe aus Norwegen und den Niederlanden legten zu. Die Gasspeicher haben sich nicht zuletzt dadurch überdurchschnittlich schnell gefüllt. In Kooperation mit Kraftwerksbetreibern gelang es, neue Kohlelieferanten zu finden, sodass der Anteil der Kohle aus Russland bereits von 50 Prozent auf acht Prozent gesunken ist. Beim Bezug von Erdöl wurden Lieferverträge mit Russland nicht verlängert.

von Konrad Fischer, Florian Güßgen, Andreas Menn, Jürgen Salz

Diese Maßnahmen sind wichtige Meilensteine auf dem Weg zu einer höheren Energiesicherheit. Weitere mögliche Schritte wie verlängerte Laufzeiten von Kernkraftwerken oder eine stärkere Substitution von Gas durch Kohle bei der Verstromung sollten allerdings zügig folgen, um die Energieversorgung resilienter und unabhängiger von Russland aufzustellen.

Neben der Diversifizierung von Lieferbeziehungen kann auch ein sparsamerer Umgang mit Energie den Gas- und Ölverbrauch substanziell verringern – und gemeinsam mit einer verbesserten Energieeffizienz die Abhängigkeit von Importen weiter reduzieren. Japan hat nach der Ölkrise Anfang der Siebzigerjahre eindrucksvoll gezeigt, dass sich die Energieeffizienz zügig verbessern lässt.

Die Industrienation steigerte diese innerhalb von weniger als zehn Jahren um rund 35 Prozent. Einen großen Anteil daran hatten die Unternehmen: Sie hielten ihre Belegschaften an, ungenutzte Lichtquellen und Maschinen auszuschalten sowie Treppen statt Aufzüge zu benutzen. Zusätzlich investierten sie in neue Technologien und optimierten Produktionsprozesse.

Würden deutsche Haushalte und Unternehmen ihre Energieeffizienz ähnlich schnell wie damals Japan steigern, ließe sich die Abhängigkeit von russischen Energielieferungen zügiger beenden. Dazu muss die Politik allerdings deutlichere Signale senden – nicht nur in Form von Appellen, sondern auch durch Anreize. Denkbar wäre ein Energiesparbonus für private Haushalte, die im laufenden Jahr den Gasverbrauch nachweislich deutlich reduzieren konnten.

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Eine Maßnahme mit Signalwirkung, die unmittelbar spürbare Verhaltensänderungen herbeiführt, wäre auch ein allgemeines Tempolimit. Die Maßnahmen sollten zeitnah angekündigt und umgesetzt werden, damit die Verbraucher bereits im Sommer vorausschauend ihr Verhalten anpassen und möglicherweise Investitionen tätigen können.

Die hohen Energiepreise belasten insbesondere Menschen mit geringen Einkommen. Es ist daher sinnvoll, diese bei den besonders stark gestiegenen Heizkosten gezielt zu entlasten. Beispielsweise eignen sich dazu der im Entlastungspaket angelegte einmalige Heizkostenzuschuss beim Arbeitslosengeld II oder ein pauschales Energiegeld.

Dieses ließe sich – wie die Energiepreispauschale im zweiten Entlastungspaket – einkommensteuerpflichtig ausgestalten, um Bürgerinnen und Bürger mit geringen Einkommen relativ stärker zu entlasten. Darüber hinaus könnte eine über die Gasversorger ausgezahlte Entlastung proportional zum letztjährigen Gasverbrauch besonders betroffene Haushalte gezielt unterstützen, ohne falsche Anreize für den aktuellen Verbrauch zu setzen.

Der Preisanstieg bei Kraftstoffen fällt zwar etwas weniger stark aus, belastet aber dennoch viele Haushalte. Angebote wie das 9-Euro-Ticket verringern die Mobilitätskosten und machen den Umstieg auf den ÖPNV attraktiver. Um eine Umorientierung im großen Stil zu erreichen, bedarf es aber klarer Signale, dass die Kapazitäten mittel- bis langfristig substanziell ausgebaut werden. Im Gegensatz dazu untergräbt der Tankrabatt durch die Verbilligung von Kraftstoffen den Anreiz, den Kraftstoffverbrauch zu reduzieren, und sendet genau das falsche Signal.

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Klar ist: Um die Energiesicherheit zu steigern und den Energieverbrauch zu senken, sind zusätzliche Anstrengungen notwendig. Dabei sind Pragmatismus und Kompromisse jenseits ideologischer Grabenkämpfe gefragt. Belastungen sollten möglichst zielgenau abgefedert werden, ohne Energiesparanreize zu konterkarieren. Gleichzeitig sollte die Politik durch starke Signale, deutliche Anreize und klare Kommunikation die Haushalte und Unternehmen zu größeren Anstrengungen beim Einsparen von Energie bewegen. Wir müssen also in der Energiepolitik alle Hebel in Bewegung setzen, damit die Abhängigkeit von russischen Energieträgern bald Vergangenheit ist.

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