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Deutsche Konjunktur Gute Zahlen vernebeln die Risiken

Was ist denn jetzt los? Monatelang kannten viele Frühindikatoren nur eine Richtung – nach unten. In diesen Tagen aber scheint sich der Wind gedreht zu haben. Doch Vorsicht – schon im Winter könnte es wieder mau aussehen.

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Roland Döhrn vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) schaut in die Mappe des Herbstgutachtens. Quelle: dpa

Erst schoss der viel beachtete ifo-Geschäftsklimaindex überraschend um 3,2 auf 109,5 Punkte nach oben. Das ist der höchste Stand seit gut zwei Jahren, so dass ifo-Präsident Clemens Fuest bereits einen „goldenen Herbst“ für die Wirtschaft in Aussicht stellt. Am Donnerstag dann präsentierte die Bundesagentur für Arbeit einmal mehr formidable Ergebnisse vom deutschen Arbeitsmarkt – die Zahl der Erwerbslosen ist im September um 100.000 im Vergleich zum Vorjahresmonat gesunken. Und zu guter Letzt kamen dann heute auch noch die großen Wirtschaftsforschungsinstitute mit ihrem Herbstgutachten auf den Markt. Darin revidierten sie ihre Wachstumsprognose für 2016 von 1,6 auf 1,9 Prozent nach oben.

Doch Vorsicht! Der Herbst mag konjunkturell golden schimmern, aber schon der Winter könnte schon wieder ziemlich grau daherkommen und das kommende Jahr erst recht. Denn an den zentralen Risiken für die Weltwirtschaft, die für die exportorientierte deutsche Wirtschaft überproportional ins Gewicht fallen, hat sich nicht viel geändert. Gerade erst hat die Welthandelsorganisation WTO ihre Prognose für die Entwicklung des weltweiten Handels drastisch gesenkt. Die WTO-Ökonomen rechnen nur noch mit einer Steigerung um 1,7 Prozent (im April lag die Prognose noch bei 2,8 Prozent). Dies wäre das geringste Wachstum des Welthandelsvolumens  seit der Finanzkrise von 2009 – für WTO-Generalsekretär Roberto ein „Alarmsignal“.

Grund ist vor allem die anhaltende Schwäche der Schwellenländer. Brasilien findet auch unter seinem neuen Präsidenten Temer nicht zurück auf die Überholspur.  In China hemmen hohe Überkapazitäten der Industrie, ein instabiler Bankensektor, hohe Schulden und ein überhitzter Immobilienmarkt die Entwicklung. Laut der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), die Dachorganisation der Notenbanken, ist die Kreditblase in China bereits größer als in den USA zu Zeiten des Immobilienbooms in Vor-Crash-Zeiten.

Konjunkturindikatoren

Damit nicht genug: Der niedrige Ölpreis, seit vielen Monaten ein konjunkturelles Schmiermittel par excellence, könnte bald wieder steigen, nachdem sich die Opec gestern überraschend auf eine Förderkürzung verständigt hat. Der Brexit, der merkwürdigerweise in den Hintergrund des konjunkturellen Diskurses getreten ist, dürfte als Thema sofort wieder hochploppen (und die Geschäftserwartungen der Unternehmen trüben), wenn die Briten ihre Verschleppungstaktik beenden und das offizielle Austrittsgesuch in Brüssel einreichen.

Und ja: Die gute alte Euro-Krise ist auch noch da! Griechenland verschleppt gerade in gewohnter Manier zugesagte Reformen. Derweil würgt in Portugal die neue sozialistische Regierung unter tätiger Mithilfe der Kommunisten mit einer schier abenteuerlichen Politik den schüchternen Aufschwung ab. Wenn am 21. Oktober mit der Ratingagentur DBRS die letzte Rating-Agentur den Daumen senkt , darf die europäische Zentralbank keine Portugal-Anleihen mehr kaufen. Dann wäre womöglich das nächste Rettungspaket in Europa fällig.

Fazit: Wir sollten uns über die aktuell guten Daten freuen. Aber wir dürfen sie nicht überbewerten.

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