Die Welt nach Corona „Es droht ein Jahrzehnt der Verzweiflung“

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Sturm der Verzweiflung

Eine Abkehr von der Demokratie wird diesen Trend verstärken. Populistische Führer profitieren häufig von wirtschaftlicher Schwäche, Massenarbeitslosigkeit und zunehmender Ungleichheit. Viele Arbeiter und weite Bereiche der Mittelschicht werden anfälliger werden für populistische Rhetorik, insbesondere für Vorschläge zur Beschränkung von Einwanderung und Handel.

Dies verweist auf einen achten Faktor: den geostrategischen Konflikt zwischen den USA und China. Da die Trump-Regierung ihr Möglichstes tut, um China die Schuld für die Pandemie zuzuschieben, dürfte das Regime des chinesischen Präsidenten Xi Jinping seine Behauptung, dass die USA einen friedlichen Aufstieg Chinas in konspirativer Weise zu hintertreiben suche, noch verstärken. Die chinesisch-amerikanische Entkoppelung von Handel, Technologie, Investitionen, Daten und Finanzarrangements wird sich intensivieren.

Noch schlimmer ist, dass dieser diplomatische Bruch die Bühne für einen neuen Kalten Krieg zwischen den USA und ihren Rivalen – nicht nur China, sondern auch Russland, dem Iran und Nordkorea – bereitet. Angesichts der nahenden US-Präsidentschaftswahlen spricht alles für eine Zunahme der heimlichen Cyber-Kriegsführung, die potenziell sogar zu konventionellen militärischen Konflikten führen könnte. Und weil die Technologie die zentrale Waffe im Kampf um die Beherrschung von Zukunftsbranchen und zur Bekämpfung von Pandemien ist, wird der private Technologiesektor der USA zunehmend mit dem militärisch-industriellen Komplex verschmelzen.

Ein letztes Risiko, das man nicht ignorieren kann, sind umweltbedingte Belastungen, die – wie die COVID-19-Krise gezeigt hat – deutlich mehr wirtschaftlichen Schaden anrichten können als eine Finanzkrise. Wiederholte Epidemien (HIV seit den 1980er Jahren, SARS 2003, H1N1 2009, MERS 2011, Ebola 2014-16) sind – wie der Klimawandel – im Wesentlichen menschgemachte Katastrophen, die aus schlechten Gesundheits- und Hygienestandards, dem Missbrauch der natürlichen Systeme und der wachsenden Vernetzung einer globalisierten Welt herrühren.

Diese zehn Risiken, die sich bereits vor dem Ausbruch von COVID-19 abzeichneten, könnten nun einen Sturm entfachen, der die gesamte Weltwirtschaft in ein Jahrzehnt der Verzweiflung treibt. Bis zu den 2030er Jahren könnte es zwar dank der technologischen Entwicklung und einer kompetenteren politischen Führung gelingen, viele dieser Probleme zu verringern, zu beheben oder zu minimieren – was zu einer stabileren und von verstärkter Zusammenarbeit geprägten internationalen Ordnung führen könnte. Doch setzt jedes Happy End voraus, dass wir einen Weg finden, die kommende Depression zu überstehen.

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Nach dem Absturz des Jahres 2008 gelang es mit einer energischen Kraftanstrengung, die Weltwirtschaft vor dem Abgrund zu retten. Infolge der Coronaviruskrise könnten wir weniger Glück haben. Ökonom Nouriel Roubini bezeichnet die Folgen der Corona-Pandemie als „die größte aller Weltwirtschaftskrisen“.

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