DIW, IW, DIHK „Normal“ wird es in der Wirtschaft nur langsam

Trotz Lockerungen der Corona-Einschränkungen kommt die Wirtschaft einer DIHK-Umfrage zufolge nicht in Schwung. Quelle: dpa

Große Teile der deutschen Wirtschaft erwarten auch für das kommende Jahr trotz Erholung von der Coronakrise noch lange keine Normalität. Die Wirtschaft rechnet nicht nur mit einer schwierigen zweiten Jahreshälfte 2020.

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Es gibt kein drumherum reden: „Wir sind selbst im kommenden Jahr noch weit von einer Normalisierung des Geschäftslebens entfernt“, sagt Konjunkturexperte Michael Grömling vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Die Wirtschaft rechnet nicht nur mit einer schwierigen zweiten Jahreshälfte 2020, sondern blickt vielfach auch pessimistisch auf 2021, zeigt eine aktuelle IW-Studie unter 31 großen Wirtschaftsverbänden. „Wenn wir davon ausgehen, dass der Tiefpunkt im zweiten Quartal 2020 erreicht wurde und es zu keiner zweiten Infektionswelle kommt, dürfte sich die Wirtschaft in den kommenden Monaten langsam erholen“, so Grömling weiter. Allerdings nur langsam – und eben lange noch nicht auf einem „normalen“ Level.

Trotz Lockerungen der Corona-Einschränkungen kommt die Wirtschaft einer Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) zufolge nicht in Schwung. „Die Hälfte der Betriebe rechnet frühestens im nächsten Jahr mit einer Rückkehr zur geschäftlichen Normalität“, sagt DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben. „Nur ein Drittel erwartet eine Normalisierung schon in diesem Jahr. Das zeigt, der Weg zurück für die Wirtschaft wird lang und hart.“ Der Verband hat insgesamt rund 8500 Unternehmen befragt.

Der DIHK fühlt sich durch die Antworten bestätigt und rechnet weiterhin mit einem Einbruch der deutschen Wirtschaftsleistung von zehn Prozent in diesem Jahr. Er ist damit deutlich pessimistischer als etwa die Bundesregierung. Eine schnelle Erholung in Form eines „V“ sei unrealistisch, so Wansleben. Die Exportindustrie müsse sich sogar auf einen Rückgang von 15 Prozent einstellen.

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Laut DIHK bewerten die Unternehmen ihre Lage wegen der Coronavirus-Pandemie so negativ wie noch nie. 77 Prozent rechnen demnach für 2020 mit Umsatzeinbußen. Bei 21 Prozent der Firmen dürfte der Rückgang sogar bei über 50 Prozent der Erlöse liegen. 39 Prozent der Unternehmen rechnen erst für 2021 mit einer Normalisierung, das sind elf Prozentpunkte mehr als in der vorherigen Umfrage Anfang Mai. Eine noch spätere Normalisierung erwarten elf Prozent, doppelt so viel wie zuletzt. Weniger Investitionen und der Abbau von Beschäftigung dürften die Folge sein.

Wie das IW in seiner Studie berichtet, beobachten fünf der großen Wirtschaftsverbände ein besonders schlechtes zweites Quartal 2020, in dem die Produktion mindestens 50 Prozent unter dem Niveau des Vorjahres lag – darunter etwa die Autobranche und das Hotel- und Gaststättengewerbe. Branchen, die auch schon vor Corona mit strukturellen Schwierigkeiten zu kämpfen hatten, leiden stark unter den Pandemie-Folgen – „beispielsweise der stationäre Einzelhandel“. Nur die Finanzbranche schaut laut Umfrage positiv auf die vergangenen und kommenden Monate: „Sie greift mit Krediten Millionen Unternehmen unter die Arme, die Hilfe dürfte auch künftig stark gefragt sein.“ Trotz der einsetzenden Erholung nach dem flächendeckenden Lockdown erwarten 27 der 31 befragten Verbände auch für die zweite Jahreshälfte 2020 eine spürbare Verschlechterung im Vergleich zum Vorjahr.

Auch das Konjunkturbarometer des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) zeigt weiter nach unten. Zum Ende des zweiten Quartals 2020 sackte es noch einmal ab – auf einen neuen historischen Tiefstand. Das Bruttoinlandsprodukt dürfte im zweiten Jahresviertel den Experten des DIW Berlin zufolge um rund zwölf Prozent „in einem bisher ungekanntem Ausmaß“ eingebrochen sein. „Die gute Nachricht bei alldem ist, dass die deutsche Wirtschaft den Tiefpunkt bereits hinter sich gelassen haben dürfte – es geht wieder aufwärts“, sagt DIW-Konjunkturchef Claus Michelsen. Die Lockerungen der Einschränkungen zeigten mittlerweile Wirkung, da sich der Konsum allmählich wieder belebe, Dienstleister wieder zu normalerem Geschäftsbetrieb zurückkehrten und die Produktion in der Industrie wieder anlaufe, auch wenn es insbesondere bei den Lieferketten noch Störungen gebe.

„In Deutschland dürfte das beherzte Krisenmanagement der Regierung das Schlimmste verhindern“, sagt Simon Junker, DIW-Experte für die Konjunktur in Deutschland. „Der Bremsklotz wird wohl in den kommenden Monaten der Außenhandel sein, denn in vielen Ländern sind die Auswirkungen der Krise – insbesondere auf den Arbeitsmärkten – gravierender als in Deutschland. Das wird die Nachfrage nach deutschen Autos und Maschinen noch für geraume Zeit belasten.“

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