Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) entwickelt sich zur Propaganda-Außenstelle der Europäischen Zentralbank (EZB). Zwar hatte das Bundesverfassungsgericht den unbegrenzten Ankauf von Staatsanleihen durch die EZB (OMT-Programm) unlängst als rechtswidrig eingestuft, trotzdem fordert DIW-Chef Marcel Fratzscher den Ankauf von Staats- und Unternehmensanleihen aus der Eurozone (Quantitative Easing, QE). 60 Milliarden Euro solle die EZB dafür in die Hand nehmen – monatlich und unter dem Deckmantel der Deflationsbekämpfung. Die EZB mutierte so endgültig zur Bad Bank und der europäische Anleihemarkt hörte auf zu existieren. Bereits jetzt hält die EZB große Anteile griechischer, portugiesischer, spanischer und italienischer Staatsanleihen.
Was mit den Staatsschulden dann passierte, kann sich jedermann leicht vorstellen. Schon vor dem Ausbruch der Eurokrise würgten die hohen Staatsquoten das Wirtschaftswachstum in der Eurozone ab. Es wäre deshalb interessant zu erfahren, welches makroökonomische Modell nach monatlich 60 Milliarden Euro aus der Notenpresse verlangt. Apropos Makro-Modelle: Nach den Gleichgewichtsmodellen der Zentralbanken und der großzügig mit öffentlichen Geldern finanzierten deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute hätte die Finanzkrise von 2008 eigentlich nie passieren dürfen. Dummerweise hatte man die Bedeutung der Banken für das Finanzsystem übersehen.
QE wird der nächste Flop. QE hat noch nie funktioniert. Abenomics, die nach dem japanischen Premier Shinzo Abe benannte Extrem-Variante von QE, droht ein Jahr nach Einführung kläglich zu scheitern. Japan sitzt inzwischen auf einem Rekorddefizit in der Leistungsbilanz. Das Wirtschaftswachstum ist trotz des höchsten Geldmengenwachstums seit mehr als einem Jahrzehnt auf das tiefste Niveau seit dem Start von Abenomics gefallen. Japan ist de facto bankrott.
In den USA steigen die Aktienkurse seit fünf Jahren, während die realen Haushaltseinkommen seit fünf Jahren fallen. Die großen Einzelhandelsketten schließen Tausende von Läden. Der Aktien- und zuletzt auch wieder der Immobilienmarkt haben sich nach fünf Jahren QE von der lahmenden Realwirtschaft abgekoppelt. QE hat in den USA nur den Vermögenden genützt. Wer auf sein Arbeitseinkommen angewiesen ist, gehört zu den Verlierern.
Die DIW-Forderung gleicht einer Bankrotterklärung für die Währungsunion. Die reformunfähigen Länder werden für ihr Versagen belohnt, der soziale Frieden in Deutschland gefährdet und die Mehrheit der Deutschen gegen die Währungsunion aufgebracht. Per se muss Deflation nicht schlecht sein. Jedenfalls nicht in der Eurozone und so lange sie sich in den Krisenländern abspielt. Sinkende Lohnstückkosten und Preise schaffen dort die Voraussetzung für mehr Wettbewerbsfähigkeit. So gesehen spiegeln deflatorische Tendenzen in der Eurozone auf Basis von Durchschnittszahlen eine verbesserte Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit in den Krisenländern.
Ein sich selbsttragender Wirtschaftsaufschwung nicht in Sicht
Offensichtlich sieht das DIW keinen Zusammengang von Sparen und Investitionen. Wirtschaftswachstum aber benötigt Ersparnisse, einen Marktprozess und ein gewisses Maß an Rechtssicherheit. Nur eine Zentralbank, die sich mit der Notenpresse und Dauertiefzinsen über Eigentumsrechte hinwegsetzt, braucht man dazu nicht. Besitzer von Lebensversicherungen wissen, was gemeint ist. Der Ankauf von Anleihen durch die Notenbank zerstört Vertrauen und verhindert die Akkumulation von Kapital. Letztlich bringt diese Politik die Wirtschaft zum Stillstand.
Seit Beginn der Finanzkrise 2007 hat sich der globale Schuldenberg um mehr als 40 Prozent auf über 100.000 Milliarden Dollar erhöht. Allein die Verschuldung der Staaten ist seither um 80 Prozent auf 43.000 Milliarden Dollar gestiegen. Einen Lerneffekt hatte die Finanzkrise offenbar nicht. Die Schuldenberge wachsen noch schneller, die Banken sind größer als jemals zuvor und die Derivateblase droht völlig aus dem Ruder zu laufen. Dabei hatte die Politik genau das Gegenteil versprochen. Welcher Unternehmer geht in einem solchen Umfeld noch langfristige Risiken ein. Dass die Schuldentragfähigkeit an Grenzen stößt, haben Finanzkrise und die Eurokrise gezeigt. Ein sich selbst tragender Wirtschaftsaufschwung ist nirgends in Sicht. Investitionen erhöhen in diesem Umfeld nur das unternehmerische Risiko.
Die Folgen der EZB-Niedrigzinspolitik
Werden die Zinsen künstlich abgesenkt, so verringert sich der Reformdruck auf Regierungen und Banken, ihre Haushalte beziehungsweise Bilanzen zu verbessern.
Ein künstlich tief gehaltener Zins verhindert, dass unprofitable Investitionsprojekte also Fehlinvestitionen aufrecht und befördert werden.
Künstlich tiefe Zinsen lösen (inflationäre) Spekulationswellen aus, führen zu „Boom-and-Bust“-Zyklen: überhitzte Situationen, in denen, wenn niemand mehr bereit ist, Kredite zu finanzieren, alles in sich zusammenbricht.
Künstlich niedrig gehaltene Zinsen befördern die Schuldenwirtschaft, insbesondere die der Staaten und der Bankenindustrie.
In die Kategorie Politikversagen fällt auch Sigmar Gabriel. Gabriel ist der erste Wirtschaftsminister in der Geschichte der Bundesrepublik, für den die Wettbewerbsstärke seines Landes offenbar ein Problem darstellt. Dabei haben sich die globalen Leistungsbilanzungleichgewichte erst vervielfacht, seit die Notenbanken die Kapital- und Kreditmärkte mit Liquidität fluten. Auch die vom DIW ersehnten monatlich 60 Milliarden Euro der EZB würden nicht in das Produktivvermögen fließen, sondern vor allem in die Immobilienmärkte Südeuropas und dort den Konsum anheizen. Derweil setzte sich die Desindustrialisierung auch in Kernländern wie Italien und Frankreich weiter fort und die Leistungsbilanzüberschüsse Deutschlands vergrößerten sich weiter. Großspekulanten wie George Soros (Bankia), John Paulson (Hispania Activos Inmobiliarios) und Goldman Sachs (Investment Fund Cibeles) haben sich bereits in den spanischen Immobilienmarkt eingekauft. Die Tatsache, dass aus Frankreich schon seit Wochen keine Klagen mehr über einen zu hohen Euro-Wechselkurs zu hören sind, lässt sich dahingehend interpretieren, dass die EZB entsprechende Maßnahmen vorbereitet. Goldman, Paulson und Soros setzen darauf.
Bei seiner Forderung nach monetärer Staatsfinanzierung verwechselt EZB-Cheerleader Fratzscher ökonomisches Wachstum mit Schulden- und Spekulationsblasen. Wirtschaftswachstum wird in den Industriestaaten in einem immer größeren Ausmaß zu einer Funktion spekulativer Aktivitäten. Das zeigt ein Blick auf das Geldmengenwachstum in den USA und Europa vor und nach Finanzkrisen. Den Rezessionen 1990/91, 1994 und 2001/02 ging jeweils ein drastischer Rückgang des Geldmengenwachstums als Folge von geldpolitisch angefeuerten und dann geplatzten Spekulationsblasen voraus. 2008/09 wiederholte sich das Spiel, nur in einem noch größeren Ausmaß. Die Überbewertung des Aktienindex S&P 500 ist inzwischen größer als die Überbewertung des US-Immobilienmarktes 2006/2007. Die Schuldenblasen in China, England und Japan können jederzeit platzen. Die Bundesregierung kann sich schon jetzt auf den nächsten deflatorischen Kollaps mit entsprechenden Folgen für die deutsche Wirtschaft einstellen.