Einblick

Zeitschleifen der Ökonomie

Durch Brexit und Trump wird ein Gemisch aus altlinken Ideen und neuem Nationalismus hochgespült. Europa sollte dagegenhalten.

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Quelle: dpa

Markt war gestern. Heute ist wieder der Staat gefragt. So kurz und knapp lässt sich auf den Punkt bringen, wie sich der Wind international gerade dreht. Die Wendepunkte fürs Geschichtsbuch sind markiert: Die auf die Finanzkrise folgende Staatsschuldenkrise hat die Geldpolitik schon weltweit dem Gebot der politischen Systemrelevanz unterworfen. Nun dreht sich auch Großbritannien, innerhalb der EU immer Fahnenträger einer liberalen Wirtschaftsordnung, gerade geschmeidig auf einem von Premierministerin Theresa Mays Leopardenabsätzen herum: Schlank ist ja schon die Chefin, da kann der Staat doch mal wieder ein bisschen zulegen.

Interventionismus und erhöhte Staatsausgaben, das sind auch zwei Fäden im wirtschaftspolitischen Häkelwerk von Donald Trump, dessen Entwirrung bislang auch dem schlauesten Wirtschaftsberater nicht recht gelungen ist. Trump will im Schnelltempo eine Steuerreform durchbringen. Sie soll die US-Wirtschaft in den kommenden zehn Jahren um 5800 Milliarden Dollar entlasten. Das ist ein Wort und könnte tatsächlich gut eineinhalb Prozentpunkte Wirtschaftswachstum zu den bisherigen Prognosen hinzuaddieren. Die Kehrseite der Medaille zeigt wachsende Staatsverschuldung. Die will Trump nämlich nur um 1200 Milliarden Dollar senken. Der Schuldenberg wächst also weiter. Trump will auch die Gewinne von US-Konzernen heim ins Land bringen. Das Geld soll für ein riesiges Investitionsprogramm genutzt werden, mit dem amerikanische Flughäfen, Straßen und Brücken wieder instandgesetzt werden.

Staatsinterventionismus und nationales Eigeninteresse, das sind zwei erste Leitplanken, die Großbritannien nach dem Brexit und die USA nach der Wahl zu verbinden scheinen. Und Europa sitzt dabei immer mit im Boot. Trump wird nicht zulassen, dass der Dollar zu stark wird, sonst leiden die Exporte. Und wenn seine Konjunkturspritzen die US-Wirtschaft antreiben, gehen auch die Renditen der Staatsanleihen in Europa nach oben. Hoch verschuldete Staaten, wie Italien, müssen dann mehr Zinsen zahlen. Fragt sich nur, wie und woraus.

Es ist ein seltsames Gemisch aus altlinken Ideen und einem neuen Nationalismus, das wie in einer Zeitschleife der Ökonomie wieder hochgespült wird. Dieser dirigistisch-nationalistische Komplex, wie man ihn in Anlehnung an US-Präsident Dwight D. Eisenhower bezeichnen kann, wird der Wirtschaft nicht guttun. Es ist absehbar, dass die historisch hart erkämpften Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft, des freien Handels und des Wettbewerbs darunter leiden werden.

In einem gemeinsamen Papier plädieren Bundeskanzlerin Angela Merkel und US-Präsident Barack Obama in dieser Ausgabe der WirtschaftsWoche für genau diese Werte und für die Soziale Marktwirtschaft als Bindeglied zwischen Deutschland und den USA. Aus historischer Einsicht, denn ein Zurück in die Vergangenheit ist nicht möglich. Und aus Überzeugung. Miteinander sind Deutschland und die USA stärker als gegeneinander. Wer hören kann, mag hören.

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