Elinor Ostrom, OIiver Williamson Wirtschafts-Nobelpreis: Ordnung ohne Formeln

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Seit Beginn ihrer akademischen Laufbahn hatte sich Elinor Ostrom intensiv mit den Problemen von Allmende-Gütern beschäftigt. Ihre Erkenntnisse fasste sie in dem 1990 erschienenen bahnbrechenden Werk „Governing the commons“ zusammen. Dort zeigte sie einen dritten Weg zwischen Staat und Markt auf: die Selbstorganisation und -regulierung durch die Nutzer vor Ort. Ostrom hatte Beispiele aus aller Welt gesammelt, in denen es lokalen Gemeinschaften gelang, Ressourcen nachhaltig zu bewirtschaften.

Wie das funktionieren kann, zeigt Ostrom am Beispiel einer Gemeinschaft von Fischern in der Türkei. In der Küstenstadt Alanya war es den örtlichen Fischern gelungen, die Fischgründe vor der Küste zu bewirtschaften, ohne die Existenz der Fische zu gefährden.

Dazu trafen sich die Fischer zu Beginn jeder Fangsaison und verteilten per Los fest definierte Gewässerabschnitte. Während der Saison wechselte jeder Fischer täglich in östliche Richtung zum nächsten Fanggebiet. Die Gebietszuteilung gab allen Beteiligten die gleiche Chance, an vermeintlich gute Fischplätze zu gelangen – und wer an einem Tag ein gutes Fangrevier hatte, sorgte selbst dafür, dass ihm kein anderer das Gewässer streitig machte. So hatten die Fischer nicht nur eine effiziente Bewirtschaftungsmethode entwickelt, sondern auch die notwendige Überwachungsinstitution geschaffen.

Ostrom destillierte aus ihren zahlreichen Fallstudien einige Grundprinzipien heraus, die erfolgreiche Regeln erfüllen müssen. So ist eine Überwachungsinstanz erforderlich, die von den Nutzern selbst kontrolliert wird. Zudem sind abgestufte Strafen bei Regelverstößen nötig, die bei Erstvergehen noch milde ausfallen und bei Wiederholungstätern dann härter werden. Um die Akzeptanz der Nutzungsregeln zu erhöhen, ist es zudem erforderlich, dass alle Nutzer mittels demokratischer Abstimmungsprozesse auf deren Gestaltung Einfluss nehmen können.

Elinor Ostroms Studien haben gezeigt, dass die dezentrale Suche nach Lösungen vor Ort häufig zu besseren Ergebnissen führt als von oben oktroyierte staatliche Zwangsmaßnahmen. Mit ihrer Präferenz für Subsidiarität und ihrer Skepsis gegenüber staatlichen Eingriffen steht sie in der Tradition liberaler Geister wie Friedrich August von Hayek und James Buchanan.

Hoffnungen, mit Ostroms Lösungsansätzen auch den globalen Klimawandel bekämpfen zu können, sollten jedoch nicht zu hoch gehängt werden. Denn ihre Erkenntnisse gelten nur für räumlich und personell überschaubare Gruppen – nicht aber für Staaten.

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