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Elinor Ostrom, OIiver Williamson Wirtschafts-Nobelpreis: Ordnung ohne Formeln

Der Wirtschafts-Nobelpreis für Elinor Ostrom und Oliver Williamson stärkt den zuletzt arg gescholtenen Vertretern der ordnungsökonomischen Schule den Rücken.

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Oliver Williamson (geboren Quelle: AP

Jedes Jahr im Oktober, wenn die schwedische Akademie der Wissenschaften den Nobelpreis für Wirtschaft vergibt, kursieren sie wieder im Internet, die Ranglisten der Wettbörsen mit den Namen von Ökonomen, die die Fachwelt für die höchste wissenschaftliche Auszeichnung für würdig befindet. Doch wer sein Geld auf einen der hoch gehandelten Forscher gesetzt hat, dürfte sich in der vergangenen Woche geärgert haben.

Denn die Stockholmer Juroren entschieden sich für zwei Laureaten, die niemand auf der Rechnung hatte. Mit dem US-Forscher Oliver Williamson, 77, von der Universität in Berkeley, Kalifornien, und der US-Ökonomin Elinor Ostrom, 76, von der Indiana Universität in Bloomington zeichnete die Akademie zwei Wissenschaftler einer Denkschule aus, die in den vergangenen Jahren – vor allem in Deutschland – stark unter Beschuss geraten ist: die Institutionen- und Ordnungsökonomie.

Diese Forschungsrichtung beschäftigt sich mit der Bedeutung von Regeln, institutionellen Rahmenbedingungen und Organisationen für das Wirtschaftsgeschehen. Statt auf mathematisch-statistische Modelle setzt die Institutionenökonomie auf verbaltheoretische Analysen und konkrete Fallstudien. Viele dem mathematisch-orientierten Lager angehörende Ökonomen halten die Institutionen- und Ordnungsökonomie daher für unwissenschaftlich und würden ihr am liebsten schon das Totenglöcklein läuten.

Für sie ist die Entscheidung aus Stockholm ein Schlag in den Nacken. Denn sie zeigt, wie wichtig es trotz des Vordringens mathematischer Analysemethoden ist, sich mit den Regeln und Institutionen einer Gesellschaft zu beschäftigen, um zu verstehen, wie Wirtschaft funktioniert. Gerade die Arbeiten von Williamson und Ostrom rühren an die Grundfragen der wirtschaftlichen Ordnung: Warum gibt es Unternehmen? Wann muss der Staat eingreifen? Und unter welchen Umständen sind private Lösungen besser?

Williamson, der Betriebswirtschaft, Volkswirtschaft und Rechtswissenschaft lehrt, hat sich in seinen Studien vor allem der Frage gewidmet, unter welchen Umständen es sinnvoll ist, wirtschaftliche Transaktionen in Unternehmen zu verlagern, statt sie über Märkte abzuwickeln. Seine Analysen setzen auf den Arbeiten des Briten Ronald Coase auf, der 1991 den Wirtschafts-Nobelpreis erhalten hatte. Coase hatte erkannt, dass Unternehmen dann entstehen, wenn die Kosten des Austauschs von Waren und Dienstleistungen innerhalb einer Firma niedriger sind als beim Bezug über den freien Markt.

Coase ließ jedoch die Frage unbeantwortet, welche Transaktionskosten dabei eine Rolle spielen. Williamson griff den Grundgedanken von Coase auf und entwickelte ihn weiter, indem er Unternehmen als ein Instrument zur Lösung von Konflikten betrachtete. In seinen Analysen kam er zu folgendem Ergebnis: Je komplexer sich die wirtschaftlichen Transaktionen zwischen einzelnen Vertragsparteien gestalten und je größer die gegenseitige Abhängigkeit etwa durch Besonderheiten der gehandelten Dienstleistungen oder Waren ist, desto schwieriger fällt es, die Geschäfte über den Markt abzuwickeln.

In diesem Fall bietet es sich an, dass sich Anbieter und Nachfrager zu einem Unternehmen zusammenschließen und die Geschäfte innerhalb der Firma abwickeln. Beispielsweise kann ein Bauunternehmen für seine Konstruktionsarbeiten freie Ingenieure beauftragen. Allerdings muss es dann mit jedem einzelnen Ingenieur jeden Auftrag neu aushandeln und sich auf variierende Honorarforderungen einstellen. Ist die geleistete Arbeit mangelhaft, muss vor Gericht auf Schadensersatz geklagt werden. All das verursacht hohe Kosten und beansprucht viel Zeit. Für das Bauunternehmen ist es deshalb einfacher, Ingenieure in einer eigenen Konstruktionsabteilung anzustellen und nach einem einheitlichen Tarifvertrag zu bezahlen. Zeitaufwand, Kosten und Konflikte fallen dadurch geringer aus als beim Bezug der Konstruktionsleistungen am Markt.

Obwohl Williamsons Analysen abstrakt sind, haben sie die wirtschaftspolitische Praxis stark beeinflusst. In der amerikanischen Wettbewerbspolitik lösten sie in den Siebziger- und Achtzigerjahren einen Paradigmenwechsel aus. Argwöhnten die Kartellbehörden früher, vertikale Unternehmenszusammenschlüsse dienten vornehmlich dazu, marktbeherrschende Stellungen zu erlangen, betrachten sie Fusionen heute vor allem unter dem Aspekt einer verbesserten Effizienz. Folgt man Williamsons Analyse, liegt es nahe, große und einflussreiche Unternehmen lieber durch Regulierung und Missbrauchsaufsicht zu wettbewerbskonformem Verhalten zu disziplinieren, als dem Staat das Recht zu geben, sie aufzuspalten oder zu zerschlagen, wie das FDP und CDU in ihren Koalitionsverhandlungen derzeit erwägen.

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