Timo Wollmershäuser ist Konjunkturchef des Münchner ifo Instituts und stellvertretender Leiter des ifo Zentrums für Makroökonomik und Befragungen.
WirtschaftsWoche: Herr Wollmershäuser, die Strom- und Gaspreise steigen und steigen, der Ölpreis ist so hoch wie seit gut drei Jahren nicht mehr. Wie stark beeinträchtigen die hohen Energiekosten die deutsche Konjunktur?
Timo Wollmershäuser: Steigende Energiepreise reduzieren die Kaufkraft der privaten Haushalte, da bei gegebenen Einkommen weniger für andere Waren und Dienstleistungen ausgegeben werden kann. Dies belastet den privaten Konsum und damit die Konjunktur. Für Unternehmen stellen steigende Energiepreise zusätzliche Kosten dar, die je nach Marktlage entweder auf die Preise der produzierten Waren und Dienstleitungen übertragen werden oder die Gewinne der Unternehmen reduzieren. Steigen die Preise insbesondere für Konsumgüter, wird die Kaufkraft der privaten Haushalte und damit die Konjunktur ein zweites Mal gedämpft; man spricht von Zweitrundeneffekten. Sinken die Gewinne, verschlechtern sich die Finanzierungspielräume und damit die Investitionsbereitschaft der Unternehmen.
Welchen Einfluss haben steigende Energiepreise auf die Inflationsrate insgesamt?
Die Inflationsrate misst die Preisveränderung für den Warenkorb eines repräsentativen Haushalts. In diesem Warenkorb werden die typischen Ausgaben für Waren und Dienstleistungen nach Anteilen gewichtet – und etwa zehn Prozent dieser Ausgaben entfallen in Deutschland auf Energie. Darunter fallen die Ausgaben für Kraftstoffe (3,5 Prozent), Strom (2,6 Prozent), Gas (2,5 Prozent) und Heizöl (1,2 Prozent). Steigende Energiepreise führen somit unmittelbar zu einem Anstieg der Inflationsrate.
Blicken wir nach vorn: Wie werden sich die Strom-, Öl- und Gaspreise im Winter entwickeln? Droht ein weiterer Anstieg?
Aus heutiger Sicht drohen insbesondere bei Gas kräftige Preissteigerungen. Die in den vergangenen Monaten regelrecht explodierten Marktpreise für Erdgas wurden bislang nur wenig von den Gasanbietern an die Kunden weitergeben. Das dürfte sich bald ändern. Die Erdölpreise sind dagegen in den vergangenen Monaten recht stabil geblieben. Somit gibt es zumindest kurzfristig für Kraftstoffe und Heizöl Entwarnung. Mit Sicherheit gibt es aber am 1. Januar 2022 einen weiteren Preisanstieg bei allen fossilen Energieträgern, da die CO2-Abgabe steigt. Im Gegenzug dürften die Strompreise etwas sinken, da die EEG-Umlage reduziert wird.
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