Karl Marx hatte für einen differenzierten Blick auf das Eigentum noch keinen Sinn – und das ist verständlich, denn Marx war Zeitzeuge eines Kapitalismus, in dem Arbeiter wie eine Sachinvestition behandelt wurden. Entsprechend ist Marx’ Eigentum konzentriertes Eigentum – und Marx’ Unternehmer ein roher Kapitalist, ein Ausbeuter, der seine Arbeiter ihrer Freiheit beraubt, indem er sich ihre Arbeitskraft aneignet. Dahinter steht die Auffassung, dass alle Inbesitz-Nahme ursprünglich Weg-Nahme ist, ein Akt der Willkür, durch den ein paar Beherzte annektieren, was einmal allen gehörte: „Der Erste, der ein Stück Land einzäunte und auf den Gedanken kam zu sagen ,Dies ist mein‘ und der Leute fand, die einfältig genug waren, ihm zu glauben“, schrieb schon Jean-Jacques Rousseau (1755), „war der wahre Begründer der zivilen Gesellschaft.“ Folgt man Rousseau, ist der erste Unternehmer ein erster Nehmer, so hat es der Philosoph Peter Sloterdijk einmal zugespitzt: der erste Bürger, der erste Betrüger, der erste Dieb.
Der Rest der Menschheitsgeschichte ist Wirtschaftspolitik und handelt von der Verteidigung und Anfechtung dieser ursprünglichen Aneignung. Die Besitzenden bemühen sich um die nachträgliche Legalisierung ihrer Nahmen und suchen sie zu verteidigen. Die Besitzlosen inkriminieren das Eigentum als Diebstahl und drohen mit dem Einreißen der Zäune. Damit es nicht so weit kommt und die einen behalten können, was die anderen zurückfordern, einigen sich beide Seiten auf ein laufendes Schlichtungsverfahren – bis zuletzt die Besitzlosen von den Unternehmern mit Tariflöhnen und 35-Stunden-Wochen entschädigt (und vom Notar aller Eigentumskonzentration, dem Staat, so großzügig mit gesetzlichen Sozialversicherungen und Mindestlöhnen abgefunden) werden, bis die Lohnabhängigkeit zuletzt Spaß macht.
Eine Niete ziehen bei der "Great Lottery of Life"
Doch bis dahin ist es ein weiter Weg. Die schottischen Ahnherren der Nationalökonomie argumentieren noch Anfang des 19. Jahrhunderts, dass es sich bei der proletarischen Armut um ein „inevitable law of nature“ handelt. Lohnerhöhungen für die „less fortunate“ würden nicht den Lebensstandard heben, sondern nur dazu führen, dass die Arbeiter mehr Kinder in die Welt und dadurch das Überleben aller aufs Spiel setzten. Die Unterschicht, die das Pech habe, bei der „original division of land“ auf der falschen Seite des Zaunes gestanden zu haben, müsse sich bitte schön damit abfinden, bei der „great lottery of life“ eine Niete gezogen zu haben.