Dass solche Fragen nicht ignoriert werden sollten, ist in der Zunft unbestritten. „Für ethische Fragen der Forschung haben wir in den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften noch keine gute Sensorik. Hier steht uns ein schwieriger Lernprozess bevor“, bekennt Ökonomin Riphan. Und DIW-Mann Wagner fordert, schon in der Lehre und insbesondere der Doktorandenausbildung einen Ethikblock einzubauen und dort „Grundsätze der Selbstreflexion zu vermitteln“.
Doch die Ethikprüfung birgt auch Risiken. Zum einen droht den ohnehin mit viel Papierkram belasteten Ökonomen noch mehr Bürokratie. „Nationale und internationale Erfahrungen lehren, dass die Formalisierung von ethischen Fragestellungen im Forschungsprozess zu einer als unangemessen empfundenen Bürokratisierung und Regulierung der Forschung führen kann“, heißt es im Entwurf des Abschlussberichts der AG Forschungsethik. Würden dann auch noch bestehende Prüfverfahren der Medizin ungefiltert auf die Ökonomie übertragen, könne dies „schwerwiegende negative Auswirkungen auf die Freiheit, Qualität und methodologische Vielfalt der sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Forschung“ haben. Wie es nicht laufen sollte, zeigt etwa das Beispiel Kanada. Hier sei laut Wagner rund um das Ethiksiegel „eine regelrechte Beratungs- und Zertifizierungsindustrie entstanden“.
Nicht ausgeschlossen ist auch, dass manche Wissenschaftler den Aufwand der Ethikprüfung scheuen und lieber 08/15-Forschung betreiben. Vor allem aber könnte die Freiheit der Forschung berührt sein, schließlich lässt sich nicht ausschließen, dass Ethikkommissionen je nach Zusammensetzung und Standort ihre eigene Agenda haben und unterschiedliche Maßstäbe anlegen.
DIW-Ökonom Wagner geht das Problem derweil pragmatisch an: Es gibt erste Gespräche, ob Forscher, die mit Daten des Sozio-oekonomischen Panels arbeiten, ihren Stempel bei der Ethikkommission des benachbarten Wissenschaftszentrum Berlin bekommen können.