Die Inflation in der Eurozone hat sich im Juli beschleunigt und abermals einen Rekordwert erreicht. Gegenüber dem Vorjahresmonat erhöhten sich die Verbraucherpreise um 8,9 Prozent, wie das Statistikamt Eurostat am Freitag mitteilte. Dies ist die höchste Rate seit Einführung des Euros als Buchgeld 1999. Im Vormonat waren die Verbraucherpreise um 8,6 Prozent gestiegen. Experten hatten eine Beschleunigung auf 8,7 Prozent erwartet.
Getrieben wurde die Teuerung erneut durch die Energiepreise, die sich zum Vorjahresmonat um 39,7 Prozent erhöhten. Der Anstieg war allerdings etwas schwächer als im Vormonat. Dafür beschleunigte sich der Preisauftrieb bei Lebens- und Genussmitteln von 8,9 auf 9,8 Prozent.
Schneller schlau: Inflation
Wenn die Preise für Dienstleistungen und Waren allgemein steigen – und nicht nur einzelne Produktpreise – so bezeichnet man dies als Inflation. Es bedeutet, dass Verbraucher sich heute für zehn Euro nur noch weniger kaufen können als gestern noch. Kurz gesagt: Der Wert des Geldes sinkt mit der Zeit.
Die Inflationsrate, auch Teuerungsrate genannt, gibt Auskunft darüber, wie hoch oder niedrig die Inflation derzeit ist.
Um die Inflationsrate zu bestimmen, werden sämtliche Waren und Dienstleistungen herangezogen, die von privaten Haushalten konsumiert bzw. genutzt werden. Die Europäische Zentralbank (EZB) beschreibt das wie folgt: „Zur Berechnung der Inflation wird ein fiktiver Warenkorb zusammengestellt. Dieser Warenkorb enthält alle Waren und Dienstleistungen, die private Haushalte während eines Jahres konsumieren bzw. in Anspruch nehmen. Jedes Produkt in diesem Warenkorb hat einen Preis. Dieser kann sich mit der Zeit ändern. Die jährliche Inflationsrate ist der Preis des gesamten Warenkorbs in einem bestimmten Monat im Vergleich zum Preis des Warenkorbs im selben Monat des Vorjahrs.“
Eine Inflationsrate von unter zwei Prozent gilt vielen Experten als „schlecht“, da sie ein Zeichen für schwaches Wirtschaftswachstum sein kann. Auch für Sparer sind diese niedrigen Zinsen ein Problem. Die EZB strebt mittelfristig eine Inflation von zwei Prozent an.
Deutlich gestiegene Preise belasten Verbraucherinnen und Verbraucher. Sie können sich für ihr Geld weniger leisten. Der Privatkonsum ist jedoch eine wichtige Stütze der Konjunktur. Sinken die Konsumausgaben, schwächelt auch die Konjunkturentwicklung.
Die Kerninflation, bei der besonders schwankungsanfällige Preise von Energie, Lebens- und Genussmitteln nicht berücksichtigt werden, stieg im Euroraum von 3,7 auf vier Prozent. Die höchsten Inflationsraten im Währungsraum wiesen mit mehr als 20 Prozent erneut die drei baltischen Staaten auf. In Deutschland betrug die nach europäischen Standards berechnete Inflationsrate 8,5 Prozent.
Die Europäische Zentralbank hatte vor gut einer Woche ihre Leitzinsen erstmals seit elf Jahren angehoben. Verglichen mit anderen Notenbanken fällt die Reaktion der EZB spät aus, obwohl ihr Inflationsziel von zwei Prozent seit längerem klar übertroffen wird.
Die Wirtschaft in der Eurozone ist im Frühjahr deutlich stärker als erwartet gewachsen. Im zweiten Quartal stieg das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der 19 Euroländer zum Vorquartal um 0,7 Prozent, wie das Statistikamt Eurostat am Freitag mitteilte. Volkswirte hatten im Schnitt mit 0,2 Prozent gerechnet. Im Vergleich zum entsprechenden Vorjahreszeitraum wuchs die Wirtschaft der Eurozone um vier Prozent. In der gesamten EU war die Entwicklung ähnlich.
Das deutlichste Wachstum im Euroraum verzeichnete von den Ländern, die bereits Daten veröffentlicht haben, Spanien. Hier wuchs die Wirtschaft zum Vorquartal um 1,1 Prozent. In Italien stieg das BIP um ein Prozent und in Frankreich um 0,5 Prozent. Die deutsche Wirtschaft enttäuschte hingegen mit einer Stagnation.
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