Europäische Zentralbank Kein Ende der lockeren Geldpolitik in Aussicht

Nach der Einschätzung mehrerer Volkswirte wird die Europäische Zentralbank vorerst an ihrer ultra-lockeren Geldpolitik festhalten. Zuletzt hatte die EZB ein Programm zum Kauf von Firmenanleihen beschlossen.

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Draghi & Co hatten zuletzt unter anderem ein Programm zum Kauf von Firmenanleihen beschlossen. Dieses soll im Juni beginnen. Quelle: dpa

Frankfurt Die Währungshüter der Europäischen Zentralbank (EZB) werden voraussichtlich von ihrer ultra-lockeren Geldpolitik vorerst nicht abweichen. Volkswirten zufolge wird EZB-Präsident Mario Draghi nach der Ratssitzung am Donnerstag in Wien wahrscheinlich darauf verweisen, dass die Euro-Wächter erst im März ein umfangreiches Maßnahmenbündel auf den Weg gebracht haben.

„Da sich die EZB derzeit auf die Umsetzung der im März beschlossenen Maßnahmen konzentriert, wird der Rat auf seiner Sitzung am Donnerstag wohl stillhalten“, schätzt Commerzbank-Volkswirt Michael Schubert. Der Leitzins dürfte aller Voraussicht nach auf dem Rekordtief von 0,0 Prozent bleiben.

Draghi & Co hatten zuletzt unter anderem ein Programm zum Kauf von Firmenanleihen beschlossen. Dieses soll im Juni beginnen. Notenbank-Insider erwarten einen langsamen Start. Das gesamte Wertpapier-Kaufprogramm, das neben Staatsanleihen auch Hypotheken-Papiere und Pfandbriefe umfasst, ist inzwischen auf 1,74 Billionen Euro angelegt und soll noch bis Ende März 2017 laufen.

Mit den in Deutschland umstrittenen Käufen wollen die Euro-Wächter Banken dazu bewegen, weniger in Anleihen zu investieren und stattdessen mehr Kredite an die Wirtschaft auszureichen. Das würde die Konjunktur stützen und die Inflation anheizen, die aus EZB-Sicht weiter viel zu niedrig ist.

So waren die Preise im April sogar um 0,2 Prozent gefallen. EZB-Ziel ist aber eine Teuerung von knapp zwei Prozent – für die Notenbank der Idealwert für die Wirtschaft. Doch mittlerweile entspannt sich die Lage merklich.

Grund ist der Ölpreis: Rohöl der Marke Brent knackte unlängst erstmals seit sieben Monaten wieder die Marke von 50 Dollar je Fass. Das dürfte sich auch in den neuen Inflations- und Wachstumsprognosen der Notenbank-Volkswirte widerspiegeln, die die EZB am Donnerstag veröffentlichen will.

„Die Wirtschaftsabteilungen der Notenbanken des Eurosystems müssen Seufzer der Erleichterung über die Prognosen ausstoßen“, so Volkswirt Anatoli Annenkov von der Großbank Societe Generale. Sie hätten diesmal die seltene Gelegenheit, glaubhaft eine höhere Inflation vorauszusagen. Noch im März hatten die EZB-Experten ihre Wirtschaftsprognosen deutlich gesenkt.

Die Investmentbank Morgan Stanley geht trotz des erwarteten Silberstreifs aber nicht davon aus, dass die EZB damit von ihrer grundsätzlichen Lagebeurteilung abrückt. „Wir erwarten keine wesentlichen Veränderungen der geldpolitischen Haltung oder des geldpolitischen Ausblicks“, schreiben die Experten.

Manche Beobachter fragen sich allerdings bereits, wie die EZB reagieren wird, wenn die Inflation allmählich wieder anzieht. „Wenn die Inflation in Richtung zwei Prozent ansteigt, wird es schwierig sein, das gegenwärtige Niveau der geldpolitischen Lockerung beizubehalten“, schätzt Ökonom Annenkov. Manche Ratsmitglieder wie etwa Bundesbank-Chef Jens Weidmann fordern bereits seit längerem, dass die EZB ihre Geldschleusen nur so lange sperrangelweit offen halten sollte wie unbedingt nötig.

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