So kommt es auch, dass sich eine Mittelstadt wie das unterfränkische Würzburg, das in der öffentlichen Wahrnehmung eher unter dem Radar fliegt, im Dynamikranking hinter Wolfsburg und Ingolstadt überraschend auf Rang drei vorschiebt. Die Universität sei für die Stadt „ein zentraler Wirtschaftsfaktor“, sagt Oberbürgermeister Christian Schuchardt (CDU).
Würzburg ist nicht nur optisch das Gegenmodell zu Wolfsburg. Von wenigen Ausnahmen wie dem Druckmaschinenhersteller Koenig&Bauer und dem Autozulieferer Brose abgesehen, gibt es in der 130.000-Einwohner-Stadt kaum Industrie. Trotzdem herrscht nahezu Vollbeschäftigung. Wer von der Festung Marienberg über die mit steinernen Heiligenfiguren verzierte Alte Mainbrücke ins Zentrum spaziert, erlebt eine lebhafte und doch wohlgeordnete Stadt – und dank ihrer 30.000 Studenten eine sehr junge. Die Weinberge sind nah, die Lebensqualität ist hoch und das urbane Ambiente angenehm. Der Außenbereich der Würzburger Hofbräu GmbH, ältestes Unternehmen der Stadt, wurde unlängst zu einem der schönsten Biergärten Deutschlands gekürt. Im vergangenen Jahr kamen zwölf Millionen Tagestouristen in die Stadt am Main, 2014 hofft OB Schuchardt auch bei den Übernachtungen erstmals die Millionengrenze zu erreichen. Die Stadt profitiert schlicht von ihrer geografischen Lage – nicht nur mit Blick auf den Tourismus. Würzburg ist auch regionales Oberzentrum der Region und präferiertes Shopping-Ziel für das Umland. Das bringt richtig Geld in die Stadt und lässt Handel und Gastronomie florieren.
Leipzig – die dynamischste Oststadt
Direkt auf Würzburg folgt im Dynamikranking auf Rang 4 die dynamischste Oststadt – Leipzig. Wer wissen will, wie diese Stadt tickt, sollte die alte Baumwollspinnerei im Westen Leipzigs besuchen. Ende des 19. Jahrhunderts war sie aus einer einfachen Überlegung heraus gegründet worden: um Geld zu sparen. Die Industrie importierte damals fast ihren gesamten Bedarf an Stoffen und Garnen aus England. Diese Importe aber waren mit einem hohen Zoll belegt. Also gründeten findige Geschäftsleute einen eigenen Betrieb, die Leipziger Baumwollspinnerei. Technisch waren die Briten zwar weiterhin hochüberlegen, doch die Leipziger hatten jetzt den unschlagbaren Preisvorteil, so dass die Spinnerei innerhalb weniger Jahre zur größten des Kontinents wurde und mehr als 15.000 Menschen Arbeit verschaffte. Der Betrieb lief ein gutes Jahrhundert, erst nach dem Mauerfall wurde schlagartig klar, dass die Produktion längst nicht mehr marktfähig war. 90.000 Quadratmeter, umgeben von solidem Backsteinmauerwerk, auf einmal waren sie nutzlos.
Heute nicht mehr. Mehr als 90 Prozent der Flächen in der Spinnerei sind belegt, größtenteils von Künstler wie Neo Rauch, dem Star der Neuen Leipziger Schule, und seinem Galeristen Harry Lybke. „Hier werden die Besprechungsecken sein, dort drüben kommen die Arbeitsplätze hin“, sagt Bertram Schultze, Geschäftsführer der Spinnerei, während er durch eine der letzten Freiflächen im Gelände schlendert. In Zusammenarbeit mit der Handelshochschule Leipzig (HHL) entsteht hier das SpinLab, eine Fläche für die Gründung neuer Unternehmen. In der Spinnerei zeigt sich stellvertretend, wie es einer ganzen Stadt gelungen ist, sich zu verändern. Inzwischen hat die Stadt den Beinamen „Hypezig“, so beliebt ist Leipzig vor allem bei jungen Leuten. Laut Städtetest ist aktuell keine Stadt so stark gewachsen wie Leipzig, nirgendwo sind in den vergangenen Jahren mehr Jobs entstanden. In weniger als zehn Jahren ist die Arbeitslosenquote von knapp 20 auf unter 10 Prozent gesunken. Auch im Niveauranking hat Leipzig um elf Plätze zugelegt und erreicht jetzt bundesweit Platz 39 – vor Weststädten wie Bielefeld, Bremen, Kiel oder Essen.