
Die Zahl ist beeindruckend: 2014 haben deutsche Unternehmen Güter und Dienstleistungen im Wert von 1,133 Billionen Euro ans Ausland verkauft – so viel wie nie zuvor. In Europa freut sich darüber aber nicht jeder. Schon werden die Stimmen wieder laut, Deutschland destabilisiere mit seinem massiven Leistungsbilanzüberschuss - aktuell sind es rund 7,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts - die gesamte Währungsunion.
Die Leistungsbilanz entspricht dem Saldo von Handels- und Kapitalverkehr. Laut EU-Vorgaben soll der Überschuss eines Landes im Durchschnitt von drei Jahren nicht über sechs Prozent der Wirtschaftsleistung liegen. Der alte und neue Vorwurf: Deutschland kaufe zu wenig bei seinen Nachbarn ein.
Ein Blick auf die Zahlen zeigt jedoch, dass die Wirklichkeit etwas differenzierter ist, als es die Kritiker aus (in der Regel exportschwachen) Ländern gerne hätten. Berechnungen des Kieler Instituts für Weltwirtschaft zeigen, dass die Staaten der Europäischen Währungsunion als Abnehmer für deutsche Exporte zunehmend an Bedeutung verlieren.
Der Anteil von Lieferungen in den Euroraum an den gesamten Ausfuhren ist von knapp 37 Prozent auf 36,5 Prozent zurückgegangen – das sind gut acht Prozentpunkte weniger als noch vor zehn Jahren. Der Anteil der Importe aus dem Euroraum an den gesamten deutschen Einfuhren hingegen kletterte von rund 38 Prozent auf 38,8 Prozent. Bereits 2013 hatte es hier einen Anstieg gegeben. „Die Partnerländer im Euroraum partizipieren damit zunehmend von der robusten deutschen Konjunktur“, schreibt das IfW.
Einfacher ausgedrückt: Deutschland überrollt keineswegs mit seinen Ausfuhren hilflose Europartner, sondern stützt vielmehr deren Volkswirtschaften durch einen steigenden Importanteil. Dass hiesige Unternehmen darüber hinaus mehr Maschinen und Autos nach Asien und Amerika verkaufen als Frankreich oder Italien (weil die Kunden in der Welt genau diese Produkte haben wollen) - das kann nun wirklich niemand ernsthaft als ökonomisches Fehlverhalten werten, das es zu korrigieren gelte.
Zumal diese Ausfuhren – anders als der Handel innerhalb der Euro-Zone – auch deshalb zunehmen, weil die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank mit Blick auf die Euro-Krisenstaaten den Euro-Kurs gezielt nach unten drückt.
Hinzu kommt: 2015 dürfte sich der deutsche Export ohnehin in etwas ruhigeren Bahnen bewegen. Die Russland-Krise, das zurückgehende Wachstum in China und die zunehmenden Probleme großer Schwellenländer wie Indien und Brasilien bremsen die Ausfuhrdynamik.
Die Bundesregierung rechnet in ihrem aktuellen Jahreswirtschaftsbericht sogar damit, dass die Importe in diesem Jahr stärker zulegen als die Exporte. Gleichzeitig boomt der Konsum in Deutschland. Sieht man von den noch verhaltenden Investitionen ab, kann von einer lahmenden Binnennachfrage keine Rede mehr sein.
Die Sparquote sinkt, das vom Marktforschungsunternehmen GfK ermittelte Konsumklima hat im Februar den höchsten Wert seit mehr als 13 Jahren erreicht. Die Bereitschaft zu größeren Anschaffungen ist auf einem Acht-Jahres-Hoch angekommen. Und die Reallöhne der Arbeitnehmer steigen kräftig.
Wenn man so richtig böse und pessimistisch ist, könnte man nun folgendes Szenario entwerfen. Steigende Lohnstückkosten und geopolitische Krisen bringen den Exportmotor ins Stottern. Deutschland verkauft weniger Autos, kauft dafür aber mehr griechische Oliven. Es kommt zu Jobverlusten in der Exportwirtschaft. Die Zuversicht der Verbraucher sinkt. Der Konsum lässt nach. Das Wachstum auch.
Ob das dann der Euro-Zone nutzt?