EZB-Anleihekäufe Wann kommt der Einstieg in den Ausstieg?

Spekulationen über ein Zurückfahren der EZB-Anleihekäufe haben an den Märkten für Unruhe gesorgt. Trotz des Dementis der Notenbank fordern Ökonomen eine Ausstiegstrategie. Die dürfte allerdings nicht einfach werden.

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EZB-Chef Mario Draghi: Noch geht ihm das Wort vom Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik nicht über die Lippen. Quelle: AP

Frankfurt Nichts ist an den Märkten so gefürchtet wie das Wort vom „Ausstieg“ aus der lockeren Geldpolitik. Investoren reagieren darauf ungefähr so allergisch wie Menschen mit Laktose-Intoleranz auf einen Milchkaffee.
Für entsprechende Unruhe hat deshalb ein Bericht der Agentur Bloomberg von Dienstagabend gesorgt, worin es unter Berufung auf einen nicht genannten Notenbankvertreter heißt, dass die Währungshüter das Volumen ihrer Anleihekäufe in monatlichen Schritten um je zehn Milliarden Euro verringern könnten. Die EZB dagegen verwies auf ein Statement von Mario Draghi, wonach der Rat auf seiner letzten Sitzung nicht über das Thema diskutiert habe. Die Finanzierungsbedingungen müssten so gestaltet bleiben, das sie zu einer Erholung der Konjunktur und der Inflationsentwicklung beitragen, hieß es in dem am Donnerstag veröffentlichten Protokoll der EZB-Zinssitzung vom September. „Es ist daher von entscheidender Wichtigkeit, das sehr erhebliche Ausmaß geldpolitischer Unterstützung aufrecht zu erhalten.“ Der EZB-Rat solle sich dabei aber nicht über Gebühr von Markterwartungen beeinflussen lassen.

Dennoch fordern einige Ökonomen, dass sich die EZB bald mit einer Ausstiegsstrategie befassen sollte. „Wenn die Inflation wie erwartet anzieht, sollte das Thema in den kommenden Monaten auf den Tisch kommen“, sagt etwa der Chefvolkswirt der französischen Investmentbank Natixis, Sylvain Broyer.
Ab Jahresende könnte die Inflation im Euroraum wieder deutlicher steigen. Grund ist der so genannte Basiseffekt beim Ölpreis. Zu Jahresbeginn war der Ölpreis unter 30 Dollar pro Barrel gerutscht – inzwischen notiert er bei um die 50 US-Dollar. Da der Ölpreis zu Jahresbeginn 2016 so niedrig war, könnten die Preise im Vergleich dazu wieder stärker zulegen. Dadurch düften die Rufe nach einer Ausstiegsstrategie lauter werden.


Schwieriger erster Schritt

Der Chefvolkswirt der ING Diba, Carsten Brzeski, sieht den Bloomberg-Bericht als „eine Mischung aus Testballon und Feststellung von Offenkundigem.“ Es sei klar, dass die Anleihekäufe der EZB nicht mit einem großen Knall beendet würden. Die Erfahrungen der US-Notenbank Federal Reserve hätten allerdings gezeigt, dass die EZB mit einer Ankündigung des Ausstiegs vorsichtig sein müsse.

Im Mai 2013 hatte der damalige Chef der US-Notenbank Federal Reserve, Ben Bernanke, bei einer Anhörung vor dem US-Kongress das erste Mal davon gesprochen, dass die Fed ihre Anleihekäufe reduzieren werde, sobald der US-Arbeitsmarkt eine „nachhaltige Besserung“ zeige. Kurz darauf wackelten die Börsen auf der ganzen Welt. Das zeigt: Der erste Schritt zum Ausstieg ist womöglich der schwerste.

Bislang gehen die meisten Ökonomen allerdings von einer Verlängerung der Anleihekäufe in der bisherigen Größenordnung aus. „Ich glaube, dass die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Anleihenkäufe über den März 2017 hinaus fortsetzen wird“, sagte etwa Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer in einem Reuters-Interview. Er rechne damit, dass die Notenbanker ihr Kaufprogramm um neun Monate verlängern und das Volumen von 80 Milliarden Euro pro Monat zunächst beibehalten. „Ein Abschmelzen dieser monatlichen Käufe muss natürlich irgendwann kommen, aber ich glaube noch nicht im Jahr 2017.“ Auch der finnische Notenbankchef Erkki Liikanen betonte, dass „die niedrigen Zinsen und der Einsatz unkonventioneller geldpolitischer Schritte notwendig" seien.

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