EZB-Ausblick Mario Draghis Inflations-Dilemma

Der Notenbankchef ist vor der heutigen EZB-Ratssitzung in einer schweren Lage. Die Preise in Deutschland ziehen an, doch anderswo in der Euro-Zone stagnieren sie. Mario Draghi gerät von allen Seiten unter Druck.

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EZB-Chef Draghi: Die steigende Inflation bringt die Notenbank ihrem Preisziel näher, aber macht das Leben für den Italiener nicht unbedingt leichter. Quelle: Reuters

Frankfurt Ein lila Monster mit Wampe, klaffenden Zahnlücken und rotem Irokesenschnitt, das mit Geldscheinen um sich wirft. So stellt sich die Europäische Zentralbank (EZB) die Inflation vor - zumindest in einem Lehrfilm für Schüler, den sie auf ihrer Webseite anbietet.

Lange schien das Monster verschwunden zu sein, doch nun ist es wieder erwacht. Im Dezember stiegen die Preise in Deutschland um 1,7 Prozent - und damit deutlich stärker als in den anderen Euro-Ländern. In Italien und Griechenland lag die Teuerung im gleichen Zeitraum nur knapp über der Nullgrenze. Das bringt die Europäische Zentralbank (EZB) und ihren Chef Mario Draghi in Schwierigkeiten.

Denn vor allem in Deutschland drängen Politiker und Ökonomen auf ein schnelles Auslaufen der milliardenschweren Anleihekäufe der Notenbank. „Die EZB sollte die Anleihekäufe ab April um monatlich zehn Milliarden Euro reduzieren,“ sagt der Chef des Münchner Ifo-Instituts Clemens Fuest. Ihm gehe es um das Signal, dass die EZB nicht plane, die Inflation über knapp zwei Prozent hinaus ansteigen zu lassen.

Auch von politischer Seite nimmt der Druck zu. Die höhere Inflation in Deutschland sorgt dafür, dass die Zinsen für Sparer den Kaufkraftverlust nicht mehr ausgleichen. Dadurch droht die Geldpolitik auch ein Wahlkampfthema für die Bundestagswahlen zu werden.

„Es wird vermutlich richtig sein, wenn die EZB in diesem Jahr anfängt, den Einstieg aus dem Ausstieg zu wagen“, sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble kürzlich in einem Interview der „Süddeutschen Zeitung“. Er teile die Sorgen der deutschen Sparer. Diese Sorgen würden in diesem Jahr mit der anziehenden Inflation noch größer.


Keine schnelle Wende absehbar

Ökonomen erwarten von der EZB zunächst jedoch keine Abkehr von der Politik des billigen Geldes. Zinsexperte Christian Reicherter von der DZ Bank geht davon aus, dass Draghi wohl die heutige Pressekonferenz nutzen wird, um die neu entflammte Kritik aus Deutschland zurückzuweisen.

Draghi werde den Inflationsschub als Erfolg der EZB-Politik darstellen und gleichzeitig betonen, noch lange nicht am Ziel zu sein, meint sein Kollege Ulf Krauss von der Helaba. Die EZB strebt eine Teuerung von knapp zwei Prozent als Idealwert für die Wirtschaft an.

Carsten Brzeski, Chefvolkswirt Deutschland beim Bankhaus ING-Diba, erwartet für die nächste Zeit zwar einen weiteren Anstieg der Verbraucherpreise im Währungsraum. Mit einer raschen geldpolitischen Wende rechnet aber auch er nicht: „Es braucht viel mehr als nur eine paar energiepreisgetriebene Anstiege der Inflation, um die Sichtweise der breiten Mehrheit im EZB-Rat zu ändern.“

Die eher schwache Lohnentwicklung im Euro-Raum bereitet den Währungshütern unter anderem noch Bauchschmerzen. Laut EZB-Direktor Yves Mersch ist diese noch immer nicht stark genug, um den Preisauftrieb deutlich anzufeuern. So verharrt die sogenannte Kerninflation, die schwankungsanfällige Energie- und Lebensmittelpreise ausklammert, seit Monaten bei Werten unter einem Prozent.

Die meisten Ökonomen gehen deshalb davon aus, dass ein „Tapering“ - eine kontinuierliche Drosselung der Anleihenkäufe - für die Euro-Notenbank noch nicht auf der Tagesordnung steht. „Wir rechnen damit, dass die EZB bis Juni als frühesten Zeitpunkt wartet, bevor sie das Thema der Anleihenkäufe neu bewertet“, so die Volkswirte der Deutschen Bank, Mark Wall und Marco Stringa.

Allerdings sind inzwischen auch im EZB-Rat die Stimmen deutlicher hörbar, die wie Bundesbank-Präsident Jens Weidmann insbesondere die Staatsanleihenkäufe sehr kritisch sehen, wie aus dem Protokoll der Dezember-Zinssitzung hervorgeht. Ein anhaltender Anstieg der Inflation in den nächsten Monaten dürfte ihnen weitere Argumente an die Hand geben.

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