EZB-Sitzung Draghis Drahtseilakt

Die gestiegene Inflation im Euro-Raum setzt die EZB unter Druck. Doch Präsident Draghi erstickt Debatten um einen Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik im Keim. Denn er sieht ein großes Risiko für die Preisentwicklung.

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Die hohe Inflation erhöht den Druck auf die Notenbank. Quelle: Reuters

Frankfurt Wenn Mario Draghi am heutigen Donnerstag vor die Presse tritt, kann er sich auf eine Frage gefasst machen. Sie lautet: Wann beginnt die Notenbank mit dem Herunterfahren ihrer Anleihekäufe – dem so genannten Tapering? Bislang hat Draghi jede Andeutung dazu vermieden. „Wir haben beim letzten Mal nicht über Tapering gesprochen. Und wir haben übrigens auch dieses Mal nicht über Tapering gesprochen“, betonte er auf seiner Pressekonferenz im Januar.

Auch an diesem Donnerstag wird Draghi wohl nicht den Anfang vom Ende der Anleihekäufe einläuten. Doch an den Märkten wird schon längst darüber spekuliert, und der EZB-Chef gerät zunehmend in die Defensive.

Der wichtigste Grund ist die deutlich gestiegene Inflation in der Euro-Zone. Im Februar lag sie bei zwei Prozent. Das erhöht den Druck auf EZB-Präsident Mario Draghi. Die Notenbank wird am Donnerstag auch neue Prognosen zur Inflationsentwicklung im Euroraum bis 2019 vorlegen. Diese dürften höher ausfallen als noch im Dezember vergangenen Jahres. Vor allem aus Deutschland werden daher Rufe lauter, die Notenbank solle allmählich den Ausstieg aus ihrer ultraexpansiven Geldpolitik einleiten. „Eine zügige Kehrtwende in der Geldpolitik ist dringender denn je,“ sagt Allianz-Chefvolkswirt Michael Heise.

Ähnlich äußert sich der Deutschland-Chef des Anleiheinvestors Pimco, Andrew Bosomworth. „Die Wirksamkeit der Geldpolitik lässt nach, und die Risiken einer Fehlallokation von Kapital steigen, je länger die Geldpolitik in ihrer jetzigen Form bestehen bleibt“, urteilt er. Dennoch dürfte sich Draghi noch nicht erweichen lassen. Entscheidend für die Frage, wann die Anleihekäufe heruntergefahren werden, ist für den EZB-Chef, wie nachhaltig der Preisanstieg wirklich ist. Bislang führen er – und auch viele Ökonomen – die höhere Teuerungsrate vor allem auf einen statistischen Effekt beim Ölpreis zurück.

Zu Jahresbeginn 2016 war der Ölpreis unter 30 Dollar pro Barrel gerutscht – inzwischen notiert er bei rund 55 Dollar. Dieser Anstieg schlägt auf die Statistik durch. Allerdings begann der Anstieg der Ölpreise im März 2016, so dass dieser Effekt bald nachlassen wird. Als Gradmesser für den mittleren Teuerungstrend gilt deshalb die Kernrate der Inflation, die um die schwankungsanfällige Energie- und Lebensmittelpreise bereinigt ist. Sie lag im Februar bei 0,9 Prozent und hat sich seit dem Beginn der EZB-Anleihekäufe kaum verändert.

Dabei wird die EZB am Donnerstag neue Projektionen zur Inflations- und Wirtschaftsentwicklung vorlegen. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann hatte zuletzt erklärt, die Inflationsrate könnte im Gesamtjahr 2017 einen halben Prozentpunkt höher ausfallen als die bisher von der EZB prognostizierten 1,3 Prozent.

Doch es gibt ein großes Risiko für die Wirtschafts- und Preisentwicklung – die Wahlen in den Niederlanden, Frankreich und möglicherweise Italien. Investoren und die EZB treibt die Angst um, dass dabei populistische Kräfte gewinnen könnten, die den Euro infrage stellen.

Es könne zu „politischen Unfällen“ kommen, hatte jüngst EZB-Chefvolkswirt Peter Praet gewarnt. Die Notenbank müsse daher „gut vorbereitet und wachsam sein“.

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