EZB Wie der digitale Euro zum Erfolg werden kann

Wie der digitale Euro zum Erfolg werden kann Quelle: imago images

Immer mehr Menschen zahlen elektronisch, doch davon profitieren bisher vor allem große Konzerne. Nun bringt die EZB einen digitalen Euro auf den Weg. Damit er sich durchsetzt, muss die Bank mehr bieten als die privaten Player. Ein Gastbeitrag.

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Danyal Bayaz ist seit Mai Finanzminister in Baden-Württemberg. Zuvor war der Grünen-Politiker Mitglied im Bundestag und dort Start-up-Beauftragter seiner Partei. Bayaz hat zum Thema Finanzmärkte promoviert. 

Lange galt die Liebe der Deutschen zum Bargeld quasi als unzerstörbar. Doch inzwischen wird immer häufiger elektronisch gezahlt, die Gircocard bei inzwischen mehr als der Hälfte aller Einkäufe gezückt. Corona hat diesen Trend zur bequemen, schnellen und kontaktlosen digitalen Bezahlung noch einmal beschleunigt. Zu den Profiteuren zählen Technologiegiganten wie der US-Anbieter Apple Pay oder das chinesische Alipay. Rasch gewinnen sie Marktanteile und rollen nebenbei den Finanzmarkt auf, weil sie traditionelle Banken beim schnellen und einfachen Bezahlen im Internet oder per Smartphone abhängen.

Die Kundinnen und Kunden hinterlassen Spuren beim digitalen Bezahlvorgang, im Supermarkt wie beim Onlineshopping. Bei der Abwicklung wird eine kleine Gebühr insbesondere an amerikanische Unternehmen wie Google, PayPal oder an Kreditkartenanbieter entrichtet – und nicht weniger wertvoll: Kundendaten übermittelt, bei millionenfachen Transaktionen täglich und weltweit.

Es geht um Standards, Zugänge und Marktmacht  

Disruptiert werden auch die Währungen selbst: In China entwickelt die chinesische Staatsbank einen digitalen Yuan. In den USA arbeiten mehrere private Firmen an eigenen digitalen Währungen, allen voran Facebook mit Diem. Beim digitalen Bezahlen geht es deshalb nicht allein um Bequemlichkeit – sondern um Standards, Zugänge und Marktmacht, um die digitale Souveränität. Dass die Europäische Zentralbank (EZB) nun den Startschuss gegeben hat für einen digitalen Euro, ist deshalb eine große Chance für die Unternehmen und Menschen in Europa.

Zentralbanken und Staaten müssen auf die Disruption reagieren und dabei die Geldhoheit behalten. Denn würden eines Tages in Europa mehrere digitale private und staatliche Währungen unabhängig voneinander existieren, wären Preise nur noch beschränkt vergleichbar. Währungsschwankungen könnten Spekulation anheizen und Vertrauen in Währungen mindern. Das prominente Beispiel Bitcoin zeigt auf, wo es hapert: Anfangs konnte man für einen Bitcoin eine Pizza kaufen – heute ein Mittelklasse-Auto. Bitcoin ist deshalb als Zahlungsmittel untauglich. Es ist und bleibt ein energiefressendes Spekulationsobjekt.

Umso wichtiger ist deshalb der EZB-Entschluss zum digitalen Euro. Aber kann eine Zentralbank überhaupt mit den Playern aus den USA und China konkurrieren?

Skepsis beim Blick auf die Benutzerfreundlichkeit 

Mit Blick auf die Benutzerfreundlichkeit ist Skepsis angebracht. Weder der Staat noch die Behörden waren bisher bekannt als Anbieter komfortabler Lösungen. Zudem wäre die Gefahr digitaler Bankruns real, wenn jeder Bürger fortan ein Konto bei der EZB unterhalten würde, auf dem seine digitalen Euro liegen. Die EZB wäre dann womöglich nicht mehr nur eine Zentralbank, sondern ein „gewöhnlicher“ Anbieter von Retail-Konten. Das aber ist weder ihre Aufgabe noch ihre Kompetenz.

Die EZB sollte daher eine Infrastruktur im Sinne von Protokollen, Verfahren und Standards eines digitalen Euro bereitstellen, damit private Banken und Finanzdienstleister auf dieser digitalen Währung innovative Produkte und Apps wie Wallets, also digitale Portemonnaies, aufbauen können. Das führt auch zu einem Wettstreit um Vertrauen und um die besten technischen Lösungen.

Keine gläsernen Kunden

Für die Bürgerinnen und Bürger wäre es eine datenarme, datensichere und vertrauenswürdige bequeme Form des digitalen Bezahlens, wenn der digitale Euro so programmiert würde, dass er eben keine gläsernen Kunden hinterlässt. Hier liegt der zentrale Vorteil eines digitalen Euro – denn die EZB würde die digitalen Standards ihrer Währung definieren.



Das größte Potenzial bietet der digitale Euro perspektivisch allerdings aber bei neuen Geschäftsmodellen, etwa im Bereich Internet der Dinge, wenn einzelne Produktionsschritte und zugelieferte Waren in unseren Fabriken der Zukunft automatisiert abgerechnet werden.

Hier zeigt sich die Bedeutung eines digitalen Euro. Mit ihm kann nun die gesamte Wertschöpfungskette abgebildet werden – nicht nur der Bezahlvorgang. Der digitale Euro muss so attraktiv gestaltet sein, dass er nicht aus Mangel an Nachfrage floppt, wie es die Deutsche Bank bereits in einer Analyse befürchtet.

Ein digitaler Euro sollte auch deshalb eine Offlinefunktionalität beinhalten – nur so ist gewährleistet, dass er allen Bürgerinnen und Bürgern zugänglich ist. Und er bietet damit auch einen Vorteil gegenüber klassischen elektronischen Bezahlverfahren.

Die Digitalwährung kann Bargeld nur ergänzen 

Ein niedrigschwelliger Zugang zum digitalen Euro muss für alle Menschen im Euro-Raum gewährleistet werden. So bekommen auch solche Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit zur Nutzung elektronischer Bezahlverfahren, die bisher über kein eigenes Bankkonto verfügen.

Klar im Vorteil gegenüber etwa privaten Anbietern ist der digitale Euro auch deshalb, weil er die Privatsphäre im Bezahlverhalten schützen muss – wobei ohnehin gilt, dass ein digitaler Euro nur eine Ergänzung, keine Ablösung des klassischen Bargelds sein wird.

Deutschland sollte zeitnah mit der EZB Pilotprojekte in deutschen Städten oder definierten digitalen Leitbranchen vorantreiben. Denn bei diesem Projekt geht es um beides: um Schnelligkeit und um Gründlichkeit. Und es geht um unsere europäische digitale Souveränität im 21. Jahrhundert.

Mehr zum Thema: Die Europäische Zentralbank hat sich positiv zu einer Zukunft mit digitalem Euro geäußert. Kryptowährungen wie Ether und Bitcoin will sie ein eigenes Zahlungsmittel entgegensetzen. Die wichtigsten Antworten zu einer generalstabsmäßigen Idee. Überblick: EZB stellt vorentscheidende Weiche für den digitalen Euro

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