Allerdings laufen Zinssenkungen ins Leere, wenn das Preisniveau zurück geht und das nominale BIP schrumpft. Daher sind die Notenbanker erpicht darauf, dass die Anleihekäufe die Inflation in die Höhe treiben. Das kann über den Kredit- und den Wechselkurskanal geschehen. Kauft die EZB von den Geschäftsbanken Staatsanleihen, so bezahlt sie diese mit Zentralbankgeld. Die Banken können das Geld der Zentralbank verwenden, um damit Kredite an Unternehmen und private Haushalte zu refinanzieren. Auf diese Weise entsteht neues Geld in den Händen der Bürger und Unternehmen. Kaufen sie damit Güter und Dienstleistungen, steigen die Preise.
Doch derzeit funktioniert der Kreditkanal in den Krisenländern nicht. Das hat mehrere Gründe. Zum einen sind die Ausfallrisiken für Kredite wegen der schlechten Wirtschaftslage hoch. Die Banken stellen ihren Kunden daher (zu Recht) vergleichsweise hohe Zinsen in Rechnung (siehe Grafik).
Das bremst die Kreditnachfrage. Zum anderen sind viele Bürger und Unternehmen in den Peripherieländern bis zur Halskrause verschuldet. Sie haben kaum Interesse an neuen Krediten. Dazu kommt, dass die schlechten Absatzaussichten und die hohe Arbeitslosigkeit die Nachfrage nach Investitions- und Konsumkrediten dämpfen. Zudem sind die Banken zurückhaltend bei Kreditgeschäften, weil sie ihre Bilanzen wegen der Überprüfung durch die EZB nicht mit wackeligen Krediten belasten wollen. Kein Wunder also, dass die Unternehmenskredite in Italien ihr Vorjahresniveau derzeit um fünf Prozent, in Spanien sogar um rund zehn Prozent unterschreiten.
Die EZB könnte den gestörten Kreditkanal jedoch umgehen. Dazu müsste sie Anleihen und andere Wertpapiere direkt von den Bürgern und Unternehmen kaufen. Die Banken schrieben ihren Kunden den Verkaufserlös dann auf deren Konten gut. Das erhöht den Bestand an Sichteinlagen und die Geldmengen M1 und M3. Die EZB kann die Wirtschaft mithin auch mit Geld fluten und die Inflation erhöhen, wenn der Kreditkanal verstopft ist.
EZB misst Wechselkurs große Bedeutung zu
Der zweite Kanal, der der EZB zur Verfügung steht, ist der Wechselkurs des Euro. Kauft sie Staatsanleihen, so drückt sie deren Rendite nach unten. Das schmälert die Attraktivität von Anlagen in der Eurozone und verringert die Nachfrage nach dem Euro. Zudem dürften die Banken einen Teil des Geldes, das sie von der Zentralbank erhalten, in Ländern außerhalb der Eurozone anlegen, die mit höheren Zinsen locken. Das schickt den Euro-Wechselkurs auf Talfahrt und verteuert die Importe. Die EZB misst dem Wechselkurs des Euro zur Re-Inflationierung der Währungsunion große Bedeutung zu. Das zeigen die jüngsten Warnungen der Notenbanker vor einem starken Euro.
Sollen die Anleihekäufe die Zinsen spürbar senken und die Inflation erhöhen, muss die EZB tief in die Tasche greifen. 1000 Milliarden Euro, so heißt es in Zentralbankkreisen, plane sie für den Kauf von Anleihen. Das entspricht rund zehn Prozent der Wirtschaftsleistung der Eurozone. Die Bilanzsumme der Notenbank erhöhte sich dadurch um mehr als 46 Prozent. Welche Anleihen aber wird die EZB kaufen? Um den Euro zu schwächen, böte es sich an, neben Euro-Staatsanleihen auch US-Staatsanleihen zu erwerben. Allerdings riskierte die EZB dann den Vorwurf, sie manipuliere die Devisenkurse.
Um den Eindruck zu vermeiden, bei den Anleihekäufen ginge es um die Staatsfinanzierung mit der Notenpresse, könnte die EZB neben Staatsanleihen auch Unternehmensanleihen, Bankanleihen und Aktien erwerben. Bei der regionalen Auswahl könnte sie sich am Anteil der Länder am EZB-Kapital orientieren. Das bedeutet, die Notenbank würde 26 Prozent deutsche Anleihen, 20 Prozent französische und 18 Prozent italienische Anleihen erwerben. Außerdem könnte der EZB-Rat beschließen, dass die nationalen Zentralbanken nur Anleihen ihres eigenen Landes kaufen. Das trüge dazu bei, den zu erwartenden Widerstand der Bundesbank gegen ein Anleihekaufprogramm zu brechen.